PLATZ 12: DER IMPULS-FAV

Der Impuls-Fav ist der einfachste Fav. Er wird nicht zufällig der Missionars-Fav genannt. Der Impuls-Fav wird schnell geklickt. Er sagt: „Gut, toll, wunderbar, gefällt mir“. Weil er diese klare eindeutige Botschaft hat, die beim Empfänger immer gut ankommt, wird er gern von Anfängern benutzt. Tatsächlich ist er Einsteigern zu empfehlen. Die ersten 1000 Favs, die man klickt, sollten ausschließlich Impuls-Favs sein. Die komplexeren Favs können dann nach und nach ausprobiert werden. Am besten unter Aufsicht eines erfahrenen Twitterers.

PLATZ 11: DER KONFETTI-FAV

Niemand wirft nur einen kleinen Papierschnipsel in den Raum, um gute Laune zu verbreiten. Dafür braucht man richtig viele. Die wirft man dann auch nicht, um ein bestimmtes Ziel zu treffen. Man wirft sie, damit sie sich wie von selbst verteilen. Das ist beim Konfetti-Fav nicht anders. Viele machen es kurz nach dem Aufstehen. Oder noch im Bett. Sie öffnen ihre Timeline und hängen einfach Sterne an fast alle Tweets, an denen sie vorbeiscrollen. Es ist ein bisschen so, als würde man morgens in die Küche einer riesigen WG kommen und allen „Hallo“ sagen. Oder man kommt abends nach Hause, klopft überall an und ruft: „Ich bin da! Ich bin da!“ Meistens antwortet keiner. Aber egal. Beim Konfettiwerfen wartet ja auch niemand drauf, dass jemand einen Schnipsel auffängt und zurück wirft.

PLATZ 10: DER HÄKCHEN-FAV

Der Häkchen-Fav sieht auf den ersten Blick wie der Impuls-Fav aus, ist aber viel sachlicher. Der Häkchen-Fav sagt nicht „Das gefällt mir“. Der Häkchen-Fav sagt: „Okay, das habe ich gesehen.“ Der Häkchen-Fav ist wichtig, wenn es um Links geht, die vom Tweet aus zu Zeitungsartikeln führen, zu Bildern im Netz, zu Filmen bei YouTube oder zu Info-Seiten über Selbsthilfegruppen. Wichtig ist er auch, wenn der Tod eines Prominenten getwittert wird. Man findet dann in der Regel den Tod des Prominenten gar nicht gut. Den Fav-Button klickt man trotzdem. Das heißt dann: „Den Tod find ich scheiße; aber danke, dass Du mich informiert hast, dass es ihn noch gibt.“

PLATZ 9: DER KLICKST-DU-MICH-KLICK-ICH-DICH-FAV

Der Klickst-Du-Mich-Klick-Ich-Dich-Fav ist auch als Bro-Fav oder Kartell-Fav bekannt. Er wird gesetzt, sobald das Gegenüber etwas twittert. Einzige Bedingung: Das Gegenüber muss im Gegenzug auch den Bro-Fav klicken. Eine Hand klickt hier die andere. Gemeinsam ist man stark. Elf Faver müsst Ihr sein. Am besten hundert oder tausend, die sich immer alle dauernd gegenseitig klicken, ganz egal, was von wem gesendet wird. Wenn man das lange genug macht, glaubt man, dass man wirklich toll ist. Und tatsächlich ist man es dann ja auch! Hundert Favs bei jedem Tweet? Wow! Wie geil ist das denn!? Besser kann’s für uns ja im Leben kaum kommen, Bro.

PLATZ 8: DER DU-KLICKST-MICH-NICHT-DU-ARSCH-ABER-ICH-KLICK-DICH-SO-LANGE-BIS-DU-MICH-KLICKST-DU-ARSCH

Dieser Fav wird auch der No-Bro-Fav genannt. Er wird gesetzt von Leuten, die sich gerne in ein Bro-Fav-Kartell hineinklicken möchten, aber nicht hineinkommen. Der No-Bro-Fav hat deshalb etwas Bettelndes. Zugleich jammert er. Er ist auch ein bisschen aggressiv. Er erinnert den Empfänger, dass er jemandem etwas schuldig ist und dass er lange brauchen wird, um diese Schuld in Sternen zurückzuzahlen. Vielleicht wird diese Schuld ewig dauern. Wenn man zu lange mit dem Zurück.-Faven wartet, kann das Twitterleben irgendwann zur Schulden-Falle werden, aus der man nur noch herauskommt, wenn einem von RTL geholfen wird.

PLATZ 7: DER ICH-FAVE-ALLES-VON-DIR-FAV

Den Ich-Fave-Alles-Von-Dir-Fav bekommt man, wenn man einen tollen Witz twittert. Man bekommt ihn, wenn man einen Link sendet. Man bekommt ihn für ein Foto vom indischen Chickencurry, das man vom Billig-Imbiss um die Ecke hat kommen lassen. Man bekommt diesen Fav sogar dann, wenn man das Handy nicht ausgestellt hat und mit seinem Hintern aus der Hosentasche unabsichtlich „Gdgfjfz schrzzm“ twittert. Wer den Fan-Fav klickt und immer wieder klickt, der gibt dem andern das Gefühl: „Du bist toll, ganz egal was Du schreibst.“ Allerdings muss man aufpassen. Irgendwann bleibt von der Botschaft nur noch das „ganz egal“ übrig. Der Ich-Fave-Alles-Von-Dir-Fav verwandelt sich dann unversehens in den Scheiß-Egal-Stern.

PLATZ 6: DER KELLER-FAV

Der Keller-Fav ist der unheimlichste aller Favs. Um ihn zu setzen, steigt man bei jemandem ganz tief in der Timeline hinab. Möglichst ein, zwei, drei Jahre zurück, um an einem beliebigen Tag anzukommen und einem ganz beliebigen, vielleicht sogar peinlichen Tweet, der bislang überhaupt noch keinen Stern bekommen hat, einen Fav zu geben. Der signalisiert dem Empfänger: „Ich weiß, was Du damals gemacht hast.“ Es fühlt sich an wie: „Ich habe in Deinem Wäschekorb gewühlt und ganz, ganz unten, etwas ganz, ganz Interessantes gefunden. Es bleibt aber unter uns.“ Der Keller-Fav wirkt dadurch immer schmierig und bedrohlich. Keiner empfängt ihn wirklich gern. Der Keller-Fav ist damit das einzige „Gefällt mir“-Zeichen, das niemandem so richtig gefallen kann.

PLATZ 5: DER MORSE-FAV

Manchmal sitzt man zuhause vor dem Rechner, schaut auf seine Twitter-Seite und sieht plötzlich, dass jemand einen Tweet gefavt hat. Wunderbar. Zehn Sekunden später ist der Stern aber schon wieder weg. Dann noch mal zehn Sekunden später ist er wieder da. Dann ist er wieder weg. Und wieder da. Und so weiter, hin und her. Das ist der Morse-Fav. Mit ihm macht man andere durch ein wiederholtes An und Aus auf sich aufmerksam. Wer den Morse-Fav perfekt beherrscht, kann damit aber nicht nur schlicht blinken, sondern ganze Botschaften senden: „I love you“ oder „Hey, deinen Tweet finde ich gut, ich könnte dafür einmal den Fav-Button klicken, aber das hier macht viel mehr Spaß, ich kann gar nicht mehr aufhören, so lustig ist das“. Es wird berichtet, dass ein Höhlenforscher, der in den Schweizer Alpen mit dem Kopf zwischen zwei Felsblöcken eingeklemmt war, mit dem Morse-Fav einen befreundeten Taxifahrer aus Zürich dazu gebracht hat, ihn abzuholen und nach Hause zu fahren.

PLATZ 4: DER BALLETT-FAV

Der Ballett-Fav, auch Pas-de-Deux-Fav, ist schwer zu erkennen. Wenn man ihn aber erkannt hat, erscheint er in seiner ganzen Schönheit. Man braucht dazu die Geduld und die Erfahrung eines Tierfilmers, der Tage und Wochen auf der Lauer liegt, bis er etwa den Hochzeitsflug zweier Zitronenfalter aus der Nähe aufnehmen kann. Der Ballet-Fav besteht aus einer zuerst unkoordinierten, immer rhythmischer werdenden, schließlich höchst erregten Abfolge von Favs, die zwei Menschen klicken, die sich gegenseitig bei Twitter folgen. Zuerst ist das Faven wie eine zufällige Berührung an der Hand, wenn man nach seinem Drink greift. Dann, kurze Zeit später, greift das Gegenüber auch nach dem Drink und — zack: Schon sitzt der nächste Stern. Dann beginnt für den, der es erkennen kann, das Flattern der Favs. Die sagen dann schnell nicht nur „Gefällt mir“. Die zwitschern von Sehnsucht, sie singen und werben, sie streichen sich zart mit der Zunge über die Lippen, bis sie sich plötzlich ganz nah sind und zum Kuss treffen. Zusammen faven, in derselben Sekunde, das ist so schön, das ist das Paradies auf Erden, dann sieht man nur noch tausend Sterne tanzen und möchte im Hier und Jetzt vergehen.

PLATZ 3: DER SELF-FAV

„Die paar Sterne, die ich brauche, gebe ich mir selbst“ lautet das Motto der Self-Faver. Die bittere Wahrheit aber ist: Sie kriegen sowieso nur den einen. Sie haben keine Friends und Follower. Und wenn sie welche haben, dann sind es Bots oder Fake-Accounts von „Heißen Girls und Boys aus deiner Nähe“. Und die faven nicht. Die sind ja heiß und haben Sex. Der Self-Faver muss es sich dagegen noch selber machen. Was allerdings auch nicht unbefriedigend sein muss. Therapeuten, die Twitterfrustrierte behandeln, empfehlen: „Schau nur auf Dich.“ „Tu Dir selbst etwas Gutes.“ „Klick dich selbst.“ Das soll tatsächlich helfen. Allerdings setzen auch professionelle Twitterer den Self-Fav. Nämlich immer dann, wenn sie bei 49 Sternen für einen Tweet stehen bleiben, aber erst ab 50 Tweets der Favstar-Bot ihren Beitrag mit einem Retweet prämiert und an hunderttausend neue Leser versendet. Dann klickt man schon mal gern sich selbst. Das ist ein Stern für einen wirklich guten Zweck. @adenauer ist damals angeblich auch nur deshalb Bundeskanzler geworden, weil er sich bei der Abstimmung im Bundestag selbst gefavt hat.

PLATZ 2: DER ELVIS-FAV

Als der ganz späte Elvis noch dick und rund und gesund war und in Las Vegas aufgetreten ist, da ist er manchmal von der Bühne runter ins Publikum gestiegen, durch die Reihen gegangen und hat lauter Frauen auf den Mund geküsst. Davon hat der Elvis-Fav seinen Namen. Wenn ein Twitter-Star, der vielleicht Millionen Follower hat, von seiner Bühne herabsteigt und einem völlig unbedeutenden, nichtigen Tweet favt, dann ist das manchmal so, als sei man von Elvis geküsst worden. Oder, sagen wir: von Paris Hilton (damals, als sie noch dick und rund und gesund war und bei Youporn aufgetreten ist). Die Empfänger eines solchen Kusses zittern manchmal tagelang. Manche schließen ihren Account und gehen ins Kloster, denn mehr können sie im Leben nicht erreichen. Manche beschließen in ihrer Verzückung so zu werden wie Elvis oder Paris. Nur wenigen gelingt das. Aber wenn es gelingt und wenn man selbst mal ein dicker, runder und gesunder Twitterer geworden ist, dann sollte man nie vergessen, wo man hergekommen ist und dass man selbst einmal ein vollkommen unbedeutender und nichtiger Twitterer war, den niemand küssen wollte.

PLATZ 1: DER AUSBLEIBENDE FAV

Der ausbleibende Fav ist der traurigste Fav. Er ist der leere Stuhl am Twitter-Tisch. Das leere Bett. Er ist dort, wo etwas sein sollte, aber nichts ist. Der ausbleibende Fav markiert die Sehnsucht. Wo er erscheint und nichts zum Klingen bringt, da spürt man erst die Selbstverständlichkeit, mit der man früher den Stern von einem Follower entgegengenommen hat, ohne ihm Beachtung zu schenken. Wo wird er jetzt wohl sein? Wen wird er faven? Von wem wird er gefavt? Vielleicht wird er von deinem besten Freund gerade mal so richtig durchgeklickt! Man mag gar nicht dran denken. Lieber twittert man. Twittern lenkt ab. Mal sehen. Vielleicht hatte sich der ausbleibende Stern ja nur verirrt und hat nun doch seinen Weg gefunden und — Ach!