Recherchen in der Rüstungsindustrie
Christian Schweppe, 22, schaffte, wovon viele Nachwuchsreporter träumen: Dank eines Stipendiums von Netzwerk Recherche und der fachlichen Begleitung von ProRecherche-Gründer Meinrad Heck recherchierte er mehrere Monate lang über die gemeinnützige Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik, die ihre zahlenden Mitglieder aus der Rüstungsbranche mit einflussreichen Militärattaches zur Geschäftsanbahnung zusammenbringt. Der Spiegel veröffentlichte „Speeddating mit Diplomaten“ diese Woche auf einer Doppelseite. Hier beschreibt Schweppe wie ihm die Recherche gelang.
Meine Nachforschungen über Waffengeschäfte in diesem Land haben im Sommer 2014 begonnen. Damals habe ich Meinrad Heck während eines Rechercheseminars an der Universität Eichstätt kennengelernt. Gemeinsam wollten wir Netzwerke der nationalen Rüstungsindustrie enttarnen: Ich als Rechercheur sowie Autor, Meinrad Heck als Betreuer und Mentor.
Insbesondere die Struktur der Recherche haben wir bereits damals zusammen geplant und abgesprochen, bei Bedarf auch angepasst. Am Ende stand eine erste Artikelreihe in der Neuen Westfälischen: Gleich mehrere Bundes- und Landtagsabgeordnete hatten ihre Nebentätigkeit in einem Lobbyverein der Rüstungsindustrie nicht ordentlich für die Öffentlichkeit ausgewiesen.
Meine Recherchen waren weder für die Abgeordneten noch die Bundestagsverwaltung angenehm. Besonders aber rückten sie den Lobbyverein selbst in den Blickpunkt. Was genau treibt aber die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik e.V. (DWT)? Das herauszufinden, war eine weitere Recherche wert – und erforderte gleichzeitig mehr Zeit und Geld. Mit Netzwerk Recherche und ProRecherche hatten sich im Frühjahr allerdings zwei Partner gefunden, die mir die Mittel für eine solche Recherche zur Verfügung gestellt haben. Ohne sie wäre diese Geschichte nicht möglich gewesen.
Im April 2015 habe ich mich erneut mit Meinrad Heck getroffen, um den Rechercheweg abzusprechen. Wo nur anfangen? Wie immer hilfreich: das „Prinzip Staubsauger“ – sämtliche Dokumente und verfügbare Informationen über die vermeintlich gemeinnützige DWT zusammentragen, sichern, auswerten. Über verschiedene Wege gelangte ich insbesondere an interne Vereinspapiere, die ein erstes Licht auf die Beziehung des Rüstungsvereins zu Waffenherstellern und deutschen Ministerien warfen. Der Blick in das altmodische Registergericht war sicherlich anstrengend – aber umso lohnenswerter.
In den folgenden Wochen recherchierte ich in Bonn, wo die DWT ihren Sitz hat, und Berlin. Dort findet eine Leuchtturm-Veranstaltung der DWT statt: Ein Treffen zwischen der Rüstungsindustrie und Militärattachés – mitgetragen vom deutschen Steuerzahler. Die Attachés sind Diplomaten – auch aus Deutschland – die dort als „Türöffner“ für mögliche Waffengeschäfte eingespannt werden. Bei diesem Treffen wollte man eigentlich unter sich bleiben, alles abgeschirmt vor den Toren Berlins. Und doch war es mir möglich, das Geschehen vor Ort zu verfolgen. Ein klassischer Reporterjob.
Die Zwischenergebnisse meiner Recherche habe ich regelmäßig mit Meinrad Heck besprochen. Zusammen haben wir auch über mögliche Gesprächspartner und Experten diskutiert – wen wann am besten kontaktieren? Wer könnte mehr wissen, Informationen bestätigen, Dinge einordnen? Die enorme Erfahrung von Meinrad Heck, insbesondere bei der strukturierten Dokumentation von Zwischenergebnissen und der Gesprächsführung mit potentiellen Quellen sowie Experten, hat mich während der gesamten Recherche enorm weitergebracht. Es sind oft die kleinen Tricks und Kniffe, die am meisten nützen – und die man nur von erfahrenen Journalisten lernen kann. Die feinen Nuancen in offiziellen Statements oder Verschleierungsversuchen von Betroffenen. All das kann man als Rechercheur mit einem Mentor an der Seite besser einordnen und diskutieren. Auch das Vier-Augen-Prinzip beim fact checking war wertvoll für mich.
Am Ende hat der Spiegel meine Recherchen in Heft 42/2015 auf zwei Seiten veröffentlicht – ein toller Erfolg. An dem Thema bleibe ich dran und werde bei meinen künftigen Recherchen sicher weiter einen Schwerpunkt auf Lobbyismus setzen. Ein sicherer Quellenschutz ist mir dabei besonders wichtig – wie bei jeder Recherche.
Mein Dank gilt allen, die mich während der Recherche – in verschiedener Weise – ermutigt und unterstützt haben.
Wer wie Schweppe von Profis lernen will, sollte sich bei ProRecherche bewerben. Die erste Werkstatt startet vom 23. bis 27. November in Berlin in der Geschäftsstelle von Netzwerk Recherche. ProRecherche möchte „den Schleier um die fragwürdigen und geheimen Geschäfte des Cross Border Leasing lüften“. Außerdem geht es um Antibiotika in der Tiermast; für ein weiteres noch offenes Thema sind Vorschläge willkommen. Kosten: 350 Euro/ermäßigt für Studenten und Nachwuchs-Journalisten 100 Euro. ProRecherche bittet Interessenten, sich mit Angaben zur Ausbildung und zu Recherche-Erfahrungen sowie Links zu publizierten Artikeln an diese Mail-Adresse zu bewerben. Mehr Infos gibt’s bei ProRecherche und auf Facebook.