Die Welt geht unter – bevor es der Journalismus tut
Was ist das nur für ein hässlicher Herbst. Klar, es wird immer kälter, das ist normal; Laub wird braun, fällt und wird Matsch – das Grau der Großstadt wird grauer.
Doch dieser Herbst ist trister als der der vergangenen Jahre. Er ist hinterhältig, er knabbert an der Substanz, aus der sich Freude speist.
Einige sagen, der Weltuntergang stehe nun wirklich bevor. Großformatige Plakate der ARD verheißen: „Sie werden sterben“. So was. Schlechte Laune ließe sich effizienter nicht verbreiten. Gebührenfinanziert.
Jetzt rufen auch schon immer häufiger Familienmitglieder bei mir an und fragen, ob ich es mir nicht vielleicht doch anders überlegen wolle, die Sache mit dem Journalismus. Etablierte Blätter – „Frankfurter Rundschau“ und „Financial Times Deutschland“ – im freien Fall. Kalter Herbststurm auch bei DAPD, das „Hamburger Abendblatt“ kämpft noch.
„Die ‚Financial Times‘ ist non-profit, denn sie verdient kein Geld“, sagte Steffen Klusmann vor Kurzem scherzhaft auf einer von VOCER veranstalteten Podiumsdiskussion. Ob er damals schon ahnte, dass seine Zeitung nur einen Monat später eingestellt werden würde?
Ich kann mich noch gut erinnern, wie vor zwei Jahren ein Professor in einer Vorlesung die „FTD“ als gelungenes Beispiel dafür präsentierte, wie sich auch heute noch gut gemachter Zeitungsjournalismus langfristig etablieren lasse. Er lag falsch.
Nun kam uns letzte Woche ein Kamerateam an der Hochschule besuchen. Ich glaube, sie wollten resignierte Journalistik-Studenten filmen. Doch, Herbst hin oder her: Wir sind jung, und ich finde, dass es noch viel zu früh ist, um den Journalismus zu begraben. Also habe ich irgendwas von Innovation und Journalismus-neu-denken in das Mikrophon gesagt.
„Und wie sähen Innovationen im Journalismus ungefähr aus?“, fragte mich ein Freund kurz nach Ausstrahlung des Beitrages, „Lässt man sich zusammen mit Selbstmord-Attentätern in die Luft jagen, möglichst per Livestream oder tarnt man sich dann schon mal öfter als „Bild“-Journalist, um auf jeden Fall ein Interview von angesagten Politikern zu erhalten? Man könnte sich auch im Auge des Taifuns anketten, um ganz nah dran vom Tsunami berichten zu können…“
Was bekloppt klingt, ist es vielleicht gar nicht, wenn man das Prinzip dahinter versteht: Ganz nah dran sein am Ereignis – vielleicht nicht mit den eigenen Augen, sondern durch die Handykamera eines Lesers. Den wiederum könnte man weniger langweilen mit einer Zeitung, die genau für ihn gemacht ist: Wenn er sich für den nahen Osten interessiert, kriegt er tiefgehende Informationen von genau da. Allgemeines über politische Lage, historische Entwicklung oder ethnologische Kontexte kennt er schon. Warum sollte man jemandem einen Sportteil schicken, der sich dafür nicht interessiert? Warum nicht einen QR-Code neben eine gute Reportage setzen, mittels derer der Leser ein Making-Of-Video vom Gelesenen ansehen kann? Warum Print und Online nicht zu einer coolen Sache verschmelzen?
Ideen gibt es genug. Nachdem nächsten Monat die Welt untergegangen sein wird, legen wir mit dem Journalismus so richtig los. Versprochen.