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Der Verkauf wird sich rächen

Die Axel Springer AG hat kürzlich einen kleinen Video-Clip gedreht. In Retro-Optik erzählt er die Geschichte des famosen Unternehmens, beginnend irgendwann in den siebziger Jahren in einer Garage im Silicon Valley. „Es ist egal, wo du herkommst. Wenn du weißt, wo du hinwillst“, schließt der Einminüter. Es ist eine Adaption auf Apple, Springer-Chef Mathias Döpfner hat sich sogar in das berühmte Bild von Steve Jobs vor seinem ersten serienreifen Computer montieren lassen. Es ist eine Persiflage auf die vielen Giganten des Tech-Tals in Kalifornien. Doch die Sequenz zeigt bei aller Ironie auch den Größenwahn Döpfners. Der einjährige Exkurs seines „Bild“-Chefredakteurs Kai Diekmann ins Silicon Valley hat den ansonsten kühl rechnenden Managern offenbar komplett die Ratio vernebelt.

Mit dem Verkauf aller Print-Produkte jenseits der „Bild“- und der „Welt“-Gruppe zeigt Springer, wo es offenbar hinwill: Es will ein reines Digital-Unternehmen werden. Mit autohaus24, finanzen.net, immonet.de oder StepStone betreibt die Firma, die sich bis 2003 noch Verlag nannte, bereits einige Internet-Portale. Seiten wie idealo, kaufDA, Ladenzeile.de oder Zanox gehören ebenso zum Portfolio wie Beteiligungen an AirBnB. Das alles mag kurzfristig mehr Rendite bringen, als das klassische Zeitungsgeschäft. Langfristig kann sich der Verkauf von Traditionsmarken wie dem „Hamburger Abendblatt“, der „Berliner Morgenpost“ oder „Hörzu“ dennoch rächen. Denn er ist eine Zäsur, weil sich Springer damit vom Journalismus und damit von seinen Wurzeln verabschiedet. Es hat noch keinem Baum gutgetan, wenn seine Wurzeln gekappt sind.

Ein Irrglaube

Es ist ein Irrglaube, das Print-Geschäft sei tot. Jetzt ist auch Döpfner diesem Glauben erlegen. Auch in zwanzig Jahren werden die Menschen noch Zeitung lesen, werden sich in ihren Regionalausgaben informieren, welcher Eckladen schließt, wie die Öffnungszeiten des Freibades sind, welcher Künstler in der Stadt auftritt. Die Herausforderung, das Modell der Regional- und Fachpresse renditefähig zu halten, indem mit den Print-Marken auch online Geld verdient wird, scheut Springer und macht das Naheliegendste, wenn einem nichts einfällt: verkaufen. Das ewige Mantra, die Welt verlagert sich ins Internet, hat der Springer-Manager gehörig missverstanden. Für ihn ist die Welt das Internet. Doch wie lebensfern das ist, zeigt das Beispiel Facebook. Vor einigen Jahren noch die hippste Sache überhaupt, heute eher uncool. Und morgen? Vielleicht gar nicht mehr existent. Aber Döpfner hechelt lieber dem Zeitgeist hinterher, satt selbst Ideen zu entwickeln.

Dabei geht er noch nicht mal konsequent zur Sache. Das „Hamburger Abendblatt“ und die „Berliner Morgenpost“ verdienen immerhin noch Geld – im Gegensatz zur „Welt“-Gruppe, die seit eh und je Defizite anhäuft. Warum hat der die nicht gleich mit verramscht? Da fehlte ihm offensichtlich die Chuzpe, hätte er seine Firma dann doch gleich auflösen und umbenennen können. Mit dem 1946 gegründeten Unternehmen des Namensgebers Axel Springer hätte es jedenfalls kaum noch etwas zu tun gehabt. Aber auch schon jetzt ist Springer eher eine verwechselbare Beteiligungsfirma als ein Unternehmen mit klarem Profil.

Es gab schon einmal einen Konzernchef in Deutschland, dem die große weite Welt zu Kopf gestiegen ist. Sein Name ist Jürgen Schrempp. Unter ihm sollte Daimler auch nicht nur ein Autobauer sein, sondern eine Welt-AG – mindestens das. Dort eine Beteiligung, hier eine Übernahme, mal in Amerika, mal in Asien, gern auch mal was branchenfremdes. Die eigentliche Kernkompetenz aber, nämlich vernünftige Autos zu bauen, blieb auf der Strecke. Seit 2007 ist die Welt-AG Geschichte, das Unternehmen macht wieder, was es am besten kann: Forschen, alternative Antriebssysteme erkunden, moderne Autos bauen. Mit vier Rädern dran. Total old school.