Zusammen statt gegeneinander
Regelmäßige Stammtische, Erfahrungs- und Ideen-Austausch, ein gemeinsamer News-Feed, womöglich gemeinsame Vermarktung und Ressourcen-Nutzung: In Hamburg entsteht zwischen den (hyper)lokalen Online-Medien gerade eine lose Zusammenarbeit, die bereits Interesse in anderen Städten weckt. Während in der Branche sonst viel zu häufig gegeneinander gearbeitet wird, könnten sich durch das Miteinander hier ganz neue Möglichkeiten eröffnen.
Aber der Reihe nach: Es ist noch nicht ganz ein Jahr her, da startete ich mit zwei Mitstreiterinnen das Hamburger Lokal-Projekt Elbmelancholie.de. Wir – zwei Nachwuchsjournalisten und eine Sozialwissenschaftlerin – hatten zwar ein Konzept und die Technik war in den Wochen zuvor ebenfalls bereits fertig gestellt, ob beides taugte und ankommen würde, wussten wir jedoch noch nicht. Mittlerweile sind wir ein rund zehnköpfiges Team, zum Teil ausgebildete Journalisten, zum Teil Blogger, Fotografen oder einfache Hobby-Schreiber. Wir werden zu Presseterminen eingeladen und freuen uns über eine stetig wachsende Leserschaft. Und: Wir sind nicht allein.
Etwa zeitgleich zu uns startete Mittendrin, ein Online-Nachrichtenmagazin für den Hamburger Bezirk Mitte. Lag unser Gründungsherz ehrlicher Weise in Darmstadt, im dortigen Studiengang Online-Journalismus und bei YOUdaz.com, so führen bei Mittendrin die ersten Spuren an die Uni Hamburg, insbesondere in den Studiengang Politikwissenschaft. Über den Weg lief man sich daher erst, nachdem beide Angebote begonnen hatten – zunächst publizistisch, dann das erste Mal persönlich, bei der Social Media Week in Hamburg, als Mittendrin ein Pannel hielt. Ich tauschte im Anschluss mit den Verantwortlichen Erfahrungen und Adressen aus, wir planten sogar einen gemeinsamen Vortrag für die re:publica, der es jedoch leider nicht ins Programm schaffte.
In Hamburg entsteht ein neues Ökosystem
In den letzten Monaten kam noch einmal richtig Bewegung in die Hamburger lokale Szene. Mit Wilhelmsburg Online und den Eimsbütteler Nachrichten starteten zwei weitere hyperlokale Newsangebote. Das erste Mal trafen wir uns beim Netzwerk Recherche Kongress. Unser großer Vorteil: Obwohl wir etwas sehr ähnliches machen, sind wir keine direkten Konkurrenten. Mittendrin berichtet über den Bezirk Mitte, die Eimsbütteler Nachrichten über Eimsbüttel. Wilhelmsburg Online konzentriert sich auf seinen Stadtteil, der zwar im Bezirk Mitte liegt, aufgrund der stärkeren räumlichen Fokussierung aber noch einmal anders betrachtet wird. Wir mit Elbmelancholie wiederum greifen Themen aus der ganzen Stadt auf.
Dennoch ergänzen wir uns, denn unsere Themen und unser Zugang sind für gewöhnlich anders. Wir sind weniger nachrichtlich, sehen uns in der Schnittstelle zwischen Blog und Newsportal, sind narrativ und pflegen eine enge Beziehung zwischen Autor und Lesern. Daher haben wir die Möglichkeit, Themen liegen zu lassen, weil sie in den klassischen Medien oder bei den Kollegen behandelt werden. Diese greifen wir in unserem Wochenrückblick auf und verlinken, es sei denn wir können etwas Eigenes in die Debatte einbringen. Unsere Rolle in der Schnittstelle scheint aufzugehen: Wir haben einerseits gute Beziehungen zu lokalen Bloggern, sind mit einigen Autoren selbst Teil der „Iron Blogger Hamburg„, werden andererseits aber auch zum Beispiel von der Pressestelle der Hochbahn wahr- und ernstgenommen.
Vor kurzem gab es den ersten Stammtisch mit Vertretern unserer vier Angebote, auf den Erfahrungen ausgetauscht und gemeinsame Projektideen besprochen wurden. Auch Autoren (hyper)lokaler Onlinemedien aus anderen Städten haben bereits Interesse bekundet vorbeizukommen und sich herzlich eingeladen. Sie sagen: Ein solcher Austausch ist bei ihnen eher nicht gegeben. Dass viele lokale Online-Medien nebeneinander auf engen Raum existieren, ist sowieso eher eine Ausnahme. Vielleicht bietet sie aber genau das Ökosystem, das nötig ist, um neben den Leuchtturmprojekten der ersten Generation weitere Erfolgsgeschichten zu schreiben.
Gemeinsame Reichweite
Vor kurzem haben wir einen gemeinsamen Newsfeed gestartet, der bei uns bereits auf der Seite integriert ist und auch auf den anderen Angeboten und bei Bloggern zum Einsatz kommen könnte. Doch auch hinter den Kulissen können wir nicht nur mit Tipps voneinander profitieren. So gab es bereits die Überlegung, gemeinsam Veranstaltungen zu organisieren und in Fragen wie Steuerberater gemeinsam zu arbeiten. Doch das Potential ist noch größer. Aktuell decken die am Stammtisch und Newsfeed beteiligten Medien zwei der fünf zentralen Bezirke Hamburgs mit einem hyperlokalen Angebot ab, Wilhelmsburg, wo gerade die Internationale Gartenschau (IGS) und die Internationale Bauausstellung (IBA) stattfinden, dabei besonders intensiv. Hinzu kommen via Elbmelancholie unter anderen Kultur- und Verkehrs-Themen aus ganz Hamburg. Das ergibt schon eine für Hamburger Veranstaltungen oder Marken interessante Reichweite. Und sie könnte sogar wachsen.
Mit Altona.info besteht ein weiteres hyperlokales Angebot in Hamburg, das schon seit mehreren Jahren verfügbar ist, bislang jedoch weitestgehend alleine arbeitet. Insgesamt haben also bereits drei Bezirke ein an sie gerichtetes Angebot. Nicht ausgeschlossen, dass mit Unterstützung der bestehenden Angebote auch in den anderen Bezirken Menschen sich zusammen tun, um Online-Magazine zu gründen. Gegebenen Falls sogar ergänzt durch einige thematische Blogs aus der Stadt, böte sich so bei gemeinsamer Vermarktung eine Abdeckung, die es mit traditionellen Lokalmedien aufnehmen kann.
Potentiellen Anzeigekunden könnte in so einem Fall eine Option geboten werden, stadtweit auf allen sich beteiligenden Hyperlokalen Newsseiten für Veranstaltungen oder Aktionen zu werben. Eine solche Zielgruppe erreichen sie bislang nur in den für sie meist teureren, traditionellen Medienmarken der Stadt oder zielgerichtet über Google oder Facebook. Durch eine solche Vermarktungs-Kooperation könnten die einzelnen Newsangebote Anzeigenkunden gewinnen, für die ihre Zielgruppe und Reichweite einzeln zu klein wäre. Gleichzeitig bliebe ihnen aber die Gelegenheit erhalten, einzeln auch ganz kleinteilig für Werbende interessant zu sein: Für den Bäcker oder den Optiker um die Ecke – ein Vorteil der hyperlokalen Medien.
Das alles ist freilich noch Zukunftsmusik. Derzeit arbeiten wir sowohl bei Elbmelancholie, als auch bei Mittendrin, Wilhelmsburg Online und den Eimsbütteler Nachrichten eher ehrenamtlich. Aber die Chance, dass sich dies ändert, sinkt nicht, sondern sie steigt durch weitere Mitstreiter. Hamburg war schon immer eine Medienstadt. Es wäre schön, wenn auch mal wieder eine Erfolgsmeldung aus der Elbstadt kommt, in der zuletzt Zeitungen und Magazine ihre Produktion einstellten. Der Nährboden ist gelegt. Jetzt gilt es Ausdauer, Ideen und vielleicht auch ein wenig Glück haben.