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„Beruflich ein Lottogewinn“

Vor über acht Jahren kündigten Christina und Alexander Grawe ihre festen Jobs bei RTL, um in Bangkok zu leben und sich dort als freie Reporter für deutsche Fernsehsender selbständig zu machen. Sie hatten keine festen Aufträge im Gepäck, doch durch den Tsunami 2004 waren sie von Anfang an dauernd auf Sendung, vor allem für die RTL Mediengruppe. Mittlerweile haben sie in Bangkok die Produktionsfirma „Mediawok“ gegründet, die elf Mitarbeiter beschäftigt und für fast alle deutschsprachigen Fernsehsender produziert. Als freie Reporter, die in einer Region im Ausland leben und ausschliesslich von dort berichten haben sie jenseits des Korrespondententums und der reisenden Reporter eine für Deutschland neue Form journalistischer Arbeit  geschaffen. Wie wenige Journalisten haben sie dabei das deutsche Fernseh-Bild eines ganzen Kontinents mitgeprägt, zumal sie für die unterschiedlichsten Zielgruppen und Formate arbeiten. Vom „Arte Journal“ bis zum „Bachelor“, von „Galileo“ und Dokus bei VOX bis zu „Planet e“. Die beiden sind verheiratet und haben einen Sohn, der in Bangkok zur Welt gekommen ist. Johannes Kram hat sie dort besucht.


VOCER: Wie war eure Situation, bevor Ihr nach Asien gegangen seid?

Alexander Grawe: Wir waren beide festangestellte Reporter bei RTL, Christina in der Redaktion Exclusiv und ich bei allen Sendungen, die Birgit Schrowange moderiert. Wir sind relativ jung zu RTL gekommen, ich bin mit 23 schon Redakteur geworden und war fast zehn Jahre da. Wir hatten beide das Gefühl, wir würden ganz gerne noch etwas anderes machen.

Christina Grawe: Ich habe bei RTL volontiert, bin also sozusagen ein RTL-Kind und hatte durchaus einen super Vertrag. Ich war bei allen Formel-Eins-Rennen, bei Modenschauen weltweit, alles prima. Aber wie wäre es da weitergegangen. Karriere hätte mutmaßlich Schreibtisch bedeutet. Wir wollten aber Reporter bleiben und uns beide mehr sehen.

Das heißt ja nicht zwangsläufig Ausland.

Alexander Grawe: Nein. Aber damals war so die Situation so, dass nicht viele gute Jobs auf dem Markt waren. Wir haben in Deutschland keine richtige Perspektive gesehen. Klar, da spielte auch unsere Leidenschaft eine Rolle. Wir reisen einfach unheimlich gerne, wir haben Spaß an fremden Kulturen. Es war auch einfach ein Traum, eine Zeit im Ausland zu leben.

Christina Grawe: Und wir wollten eben Reporter bleiben.  

Ihr habt Euch aber damit nicht nur für das Leben und Arbeiten im Ausland entschieden, sondern auch zur Selbständigkeit mit all den damit verbundenen Risiken.

Alexander Grawe: Ja, aber das war eher zwangsläufig. Wenn RTL zu uns gesagt hätte, super Idee, dann macht doch mal in Bangkok das RTL-Korrespondentenbüro auf und ihr bleibt fest angestellt und kriegt eurer Gehalt weiter, hätten wir uns gefreut und gesagt, ja super. Aber RTL hat zwar gesagt, super Idee, aber das geht natürlich nicht im Rahmen einer Festanstellung, macht euch doch selbstständig und ihr kriegt von uns einen Rahmenvertrag. Der existiert heute auch noch.

Christina Grawe: Der aber nur die Bezahlung regelt, also keine Mindestabnahme oder Ähnliches.

Wie war eure finanzielle Sicherheit?

Alexander Grave:Wir hatten ein finanzielles Polster und hätten hier ein Jahr gut leben können, selbst wenn wir nicht einen einzigen Job gemacht hätten. Wir haben gesagt, wir probieren das und wenn es total schiefgeht dann gehen wir nach einem Jahr wieder zurück.

Was gab Euch die Hoffnung, dass es da genügend Geschichten gibt, um davon leben zu können?

Christina Grave: Wir waren ja nicht total naiv, wie so manche Auswanderer, die wir jetzt fürs Fernsehen manchmal drehen. An welchen Geschichten in Deutschland Interesse besteht, das wussten wir. Außerdem waren wir vorher hier und haben auch geguckt, was kostet die Milch im Supermarkt, wie findet man eine Wohnung, können wir unsere Katze mitnehmen, wie kriegen wir eine Arbeitsgenehmigung, eine Presseakkreditierung, usw.

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Die erste grosse Geschichte kam dann aber schneller als gedacht.

Christina Grawe: Ja, und sie dauerte länger als ein ganzes Jahr: der Tsunami. Unser geplanter Umzugstermin war zwar erst der 18. Januar 2005. Aber als der Tsunami kurz vorher an Weihnachten kam, waren wir am Packen zu Hause in Köln. Alex rief RTL an, weil zufällig ein sehr guter Freund von uns, ein Kameramann, in Thailand war und das selbst miterlebt hat. Schon zwei Stunden später war Alex in Absprache mit RTL auf dem Weg nach Thailand. Die sagten: Die Grawes wollen nach Thailand, na dann bitte. Ich musste in Köln bleiben, um mich um den Umzug zu kümmern.

Bei aller Tragik, habt Ihr damals schon gespürt, dass das die grosse berufliche Chance ist?

Alexander Grave: Das hat den Start in die Selbstständigkeit schon sehr einfach gemacht. So dramatisch das auch war, beruflich war es für uns ein Lottogewinn, weil wir das erste Jahr Geschichten produziert haben ohne Ende.

Aber Katastrophen hattet Ihr vorher ja nicht gemacht.

Christina Grawe:Nein, ich war Star-Reporterin. Wir merkten dann, dass sich beruflich unser Start inhaltlich ändert. Alex war komplett für die Tsunami-Berichterstattung für die RTL beschäftigt. Zeitgleich bekamen wir eine Anfrage von der Pressestelle von Caritas International, die einen Reporter für die Tsunami-Berichterstattung aus Banda Aceh in Indonesien suchten. Es war immer mein Traum für eine Entwicklungshilfeorganisation zu arbeiten. Ich habe dann das erste Jahr mit einem festfreien Vertrag für die Caritas gearbeitet und ganz andere Sachen gemacht, Pressearbeit kein Fernsehen. Statt im Fünf-Sterne-Hotel bei der Fashion Show in Mailand habe ich dann im Zelt geschlafen. Da lag ich nachts und da hörte den Imam singen und es roch nach Leiche.

Wie war das rein professionell? Hattet ihr eine Chance, Euch darauf richtig einzustellen? 

Christina Grawe: Darauf kann man sich kaum vorbereiten. Das ist schon ein Sprung ins kalte Wasser. Man findet schnell raus, dass es bei einer Katastrophe zum Beispiel immer ein Pressezentrum der UN mit Internetverbindung für die Überspielung zum Sender gibt. Wenn man das nüchtern betrachtet, ist es letztlich auch nicht anders als bei einer Modenschau. Nicht inhaltlich natürlich, rein arbeitstechnisch.

Alexander Grawe: Die Herausforderung ist immer, sich selber zu organisieren. Ankommen, für Transport und eine Übernachtungsmöglichkeit sorgen, sich im Zweifelsfall jemanden mit Ortskenntnissen besorgen und feststellen, wo man seine Informationen her bekommt und sicherstellen, dass alles auch überspielt werden kann.

Habt ihr beim Tsunami nicht gedacht: oh Gott, das ist jetzt eine Nummer zu groß?

Christina Grawe: Ja, auf meinem ersten Flug nach Banda Aceh habe ich mich umgeguckt, ich war die einzige Nicht-Indonesierin und es war totales Chaos, viele weinten. Ich war plötzlich in einer ganz anderen Welt. Ich saß da und wusste, ich komme jetzt dahin und da liegen noch Leichen auf der Straße. Da hatte ich richtig Bauchschmerzen.

Fragt man sich dann, ob man der Situation auch gerecht werden kann?

Christina Grawe: Ja, aber da hast du gar keine andere Wahl.

Alexander Grawe: Und es war ja das, was wir als Journalisten machen wollten.

Was habt ihr damals als freie Reporter für RTL anders gemacht als andere Journalisten?

Alexander Grawe: RTL wird dafür kritisiert, aber oft auch gelobt, dass RTL immer Geschichten will, die mit einem menschlichen Schicksal zu tun haben. Die Geschichte hinter der Geschichte. Für RTL ist im Zweifelsfall das exemplarische Einzelschicksal die bessere Geschichte als die Pressekonferenz des Gouverneurs. Die wollen lieber den Helfer sehen, der wirklich anpackt und erzählt, was in ihm vorgeht.

Also lieber die emotionalere Story, auch wenn sie nicht widerspiegelt, was die Nachrichtenlage hergibt?

Christina Grawe: Was heißt nicht widerspiegelt? Das widerspricht sich ja nicht zwangsläufig.

Alexander Grawe: Die Frage ist, was vermittelt dem Zuschauer die Katastrophe besser? Zahlen,  Pressekonferenzen? Oder im Zweifelsfall die thailändische Familie, die alles verloren hat, oder der deutsche Familienvater, der nach seiner Familie sucht? Beim Tsunami habe ich das mit relativ reinem Gewissen machen können, weil letztlich die Berichterstattung zu einer unglaublichen Spendenflut geführt hat. Flut ist vielleicht in dem Zusammenhang das falsche Wort.

Wie hat sich eure Situation von der anderer Kollegen, die vor Ort waren, unterschieden?

Christina Grawe: Wir arbeiten meist in kleinem Team – sind dann nur Reporter und Kameramann. Ausser, wenn wir irgendwo sind, wo wir die Sprache nicht sprechen – damals sprachen wir ja noch wenig Thai – kein Bahasa, dann hatten wir dann oft noch einen Dolmetscher oder irgendjemanden dabei, der hilft. Aber du siehst dann schon oft die festangestellten Reporter die um die ganze Welt geschickt werden, die machen ihre Aufsager vor der Kamera, und fertig. Die Bilder drehen irgendwelche lokalen Producer. Das unterscheidet uns natürlich. Wir sind den ganzen Tag selber unterwegs und machen die Aufsager vor Ort, wir stehen eigentlich so gut wie nie vor dem ausgeleuchteten Set.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist sehr stolz auf seine Korrespondentenstruktur.

Christina Grawe: Hier, in Bangkok zum Beispiel sind ja keine deutschen TV-Korrespondenten.

Aber der deutsche Korrespondent kommt doch dann hergeflogen.

Alexander Grawe: Aus Singapur, ja. Die öffentlich-rechtlichen Kollegen arbeiten natürlich anders als wir, vielleicht auch aufgrund der Menge an News-Geschichten, die die machen müssen und aufgrund des Gebietes, das sie abdecken müssen. Ausserdem haben sie natürlich auch eine ganz andere Logistik als wir. Die haben einen Producer in jedem Land, der für sie losfährt und Material drehen kann usw. Das haben wir nicht. Das heißt letztlich, wir müssen überall selber hingehen.

Hat das einen Vorteil für die Zuschauer?

Christina Grawe:Der Vorteil liegt darin, dass wir alles selbst erleben. Du stehst am Ende vor der Kamera und sagst, das erlebe ich hier, hier riecht es so, das sehe ich. Und manchmal siehst du echt Korrespondenten aus aller Welt, die kommen geföhnt aus dem Hotel und stellen sich vor die Kamera, schön ausgeleuchtet. Die haben nichts gerochen und gesehen an dem Tag.

Wie schafft man es im Umgang mit den Menschen hier,  zum Beispiel mit Katastrophenopfern, Grenzen klar zu sehen, die man als Journalist nicht überschreiten darf?

Alexander Grawe: Man braucht natürlich Empathie in unserem Job. Du musst eine Geschichte erkennen aber auch versuchen zu verstehen, was diese Menschen gerade durchmachen. Du hast eine journalistische Sorgfaltspflicht. Du musst das Schicksal dieser Menschen zeigen, um die Welt – das hört sich jetzt so großartig an – darüber zu informieren, was da passiert. Aber du darfst natürlich nicht…

Christina Grawe: …du darfst nicht weinend mit den Leuten vor der Kamera sitzen. Unsere eigentliche  Aufgabe und Kompetenz ist es, zu wissen, wo verläuft denn hier die Grenze, was ist noch eine gute Geschichte und was ist Leute-Vorzeigen. Das habe ich bei RTL gelernt.

Wie ist das mit den Erwartungshaltungen der Auftraggeber? Gibt es da keine Konflikte, die dazu verleiten, die Grenzen zu überschreiten?

>Christina Grawe: Nein. Ich nenne mal ein Beispiel: die Zeitungen schreiben in Deutschland: „Bangkoks Innenstadt unter Wasser!“. Dann rufen Auftraggeber aus Deutschland an sagen: „Bangkok steht ja unter Wasser, könnt Ihr da mal eben auch zum Wasser gehen.“ Und wir sagen, stimmt ja nicht, die Innenstadt ist nicht unter Wasser. Und die sagen: ja, aber steht doch hier. Die Zeitungen schreiben das und alle anderen schreiben davon ab. Wir sagen dann, na ja, wir sind vor Ort, ihr müsst uns schon glauben. Und das tun sie dann auch.

Das heißt, in solchen Fällen habt ihr dann seriösere News als die Nachrichtenagenturen und die öffentlich-rechtlichen Medien?

Christina Grawe: Na ja, zumindest so lange die hier keinen Journalisten vor Ort haben. Wir sind sofort vor Ort und sehen, hier ist kein Wasser in der Innenstadt.

Alexander Grawe: Dass wir hier leben hat zum Beispiel auch unsere Berichterstattung über die blutigen Auseinandersetzungen hier in Bangkok geprägt. Ich denke, dass wir die komplexen Hintergründe der Konflikte zwischen den Gelb- und Rothemden viel besser erfassen und auch darstellen konnten als manch andere angereiste Berichterstatter.

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Seht ihr in Eurer Form zu arbeiten auch ein journalistisches Zukunftsmodell? Also Auslandberichterstattung, die sich sowohl vom der Korrespondentenstruktur als auch vom sogenannten „Citizin Journalism“ abgrenzt, der sich auf  selbstgedrehte Bilder von Menschen vor Ort stützt?

Alexander Grawe: Das mit diesen Jungs, die mit einer Videokamera rum rennen und einfach versuchen, die krassesten Bilder zu bekommen, das macht mir echt Sorgen. Das ist kein Journalismus mehr, auch weil du gar nicht mehr weißt, was aus welcher Quelle kommt und das aus dem Gesamtzusammenhang gerissen ist. Ich glaube schon, dass unser Modell Zukunft hat. Die Berichterstattung während der Arabischen Revolutionen hat doch gezeigt, dass man sich weder auf die Einschätzung der meist weit entfernten Korrespondenten verlassen konnte noch auf die Aussagekraft von Bildern die von Leuten im Land gemacht wurden, die niemand kennt. Es kann doch nicht sein, dass wir Journalismus durch Facebook ersetzen. Statt für ein Medium aus vielen Regionen zu berichten, berichten wir eben für viele Medien aus einer Region, die wir deshalb eben sehr gut kennen. Für uns das bessere Modell.

Zurück zu Euch: Ihr wolltet einfache Reporter sein und bleiben, warum habt ihr dann eine Produktionsfirma gegründet?

Alexander Grawe: Das hing einfach damit zusammen, dass wir und unsere Kunden mit der Qualität der Kameraleute und Cutter hier nicht zufrieden waren. Was letztlich zu der absurden Situation geführt hat, dass wir mit unserer kleinen Notfallkamera lieber selbst gedreht haben.

Christina Grawe: Das deutsche, oder sagen wir das europäische Fernsehen hat offenbar andere Ansprüche als Fernsehen in anderen Ländern.

Inwiefern?

Alexander Grawe: Die Jungs, mit denen wir hier gearbeitet haben, kamen eher aus dem angloamerikanischen Bereich, die haben eine ganz andere Bildsprache. Ein Beispiel: Jeder deutsche Kameramann weiß, wenn du einen Antexter drehst, musst du neutral enden, weil du sonst Kopf auf Kopf schneidest. Das ist für andere vollkommen okay. Die sagen, ja, da ist ja ein Schnitt.

Kann man auch sagen, die Kollegen aus Europa sind tendenziell besser ausgebildet?

Christina Grawe:Bei so manchen ausländischen Kameraleuten in Bangkok würde ich das schon sagen. Das ist jetzt ein bisschen ein Klischee aber wenn Du fragst, was hast du denn vorher so gemacht, hörst du dann so was: Bin hier in Thailand gelandet, vielleicht wegen einer Frau, irgendwie hier hängengeblieben, ach, ich konnte immer gut fotografieren und jetzt mache ich halt Kamera.

Alexander, bist du jetzt mehr Produzent oder mehr Journalist?

Alexander Grawe: Mehr Produzent.

Das heißt, weil du die Firma hast, kannst du nicht das tun, warum du sie eigentlich gegründet hast, nämlich unabhängiger drehen?

Alexander Grawe: Überspitzt gesagt, ein bisschen schon.

Christina Grawe: Aber man muss das natürlich relativieren. Unsere Familiensituation hat sich geändert, wir haben ein Kind. Und wir haben jetzt den Luxus, dass ich nicht zu jedem Dreh raus muss, ich kann auch einen unserer Reporter schicken.

Alexander Grawe: Einerseits habe ich die Freiheit, nicht mehr jede Geschichte selber machen zu müssen, sondern mir – jetzt mal arrogant gesagt – die raus picken kann, auf die ich wirklich Lust habe. Das heißt aber eben auch, dass ich diesen ganzen administrativen Quatsch machen muss der eben zu tun ist, wenn man eine Firma mit elf Mitarbeitern und vielen Freien hat, Buchhaltung, Akquise, Rechnungswesen, Steuern.

Woher kommen eure Mitarbeiter?

Alexander Grawe:Bei uns gibt es drei deutsche Reporter und dann gibt es die Producer. Die sind halb Thai, halb Deutsch, teilweise ganz Thai, haben aber Deutsch studiert. Alle sprechen Deutsch. Auch unser spanischer Kameramann.

Viele Firmengründungen im Ausland scheitern nach kurzer Zeit. 

Alexander Grawe: Wir müssen letztlich Puffer zwischen zwei Kulturen sein. Wir haben auf der einen Seite die deutschen Medienkunden, die mit einer unheimlich hohen Frequenz Updates wollen und Schnelligkeit. Auf der anderen Seite – das ist überhaupt nicht abwertend gemeint – laufen hier die Uhren oft ein bisschen langsamer. Was ja auch schön ist.

Aber genau an dieser Puffersituation zwischen den Kulturen scheitern viele Deutsche im Ausland. Warum funktioniert es bei Euch?

Alexander Grawe: Ganz wichtig war, dass wir unseren Mitarbeitern von Anfang an ein Verständnis für beide Kulturen ermöglicht haben und vermitteln konnten, welche Form von Kommunikation man in Deutschland erwartet. Vielen Thailändern fällt es zum Beispiel unheimlich schwer zu sagen, nein, das klappt nicht. Die sagen kann oft lieber, wir kriegen das schon irgendwie hin. Ein anderer wichtiger Faktor: wir sind zu zweit. Ich glaube, wenn man alleine hier ist, ist es leichter sich einem verzerrten Selbstbild hinzugeben.

Christina Grawe: Wir drehen wir ja immer die Leute, die dann scheitern.

Was hat sich das deutschen Fernsehen verändert, seitdem ihr aus Deutschland weg seid?

Christina Grawe: Als wir kamen, begann gerade die Dokuwelle, Dokutainment bei allen privaten, aber teilweise auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern. Wir hatten plötzlich weniger Magazinbeiträge sondern große Produktionen, Auswanderer, gescheiterte Erfolgreiche, „Wir bauen ein Haus“ und so was.

Bekommt ihr die die Medienkrise in Deutschland mit?

Christina Grawe: Ja und nein. Wir selbst hatten nie darunter zu leiden, auch weil es keine andere deutsche Produktionsfirma in Thailand gibt. Früher sind vielleicht mehr Leute und komplette Teams nach Asien geflogen um zu produzieren. Jetzt rufen sie uns an, weil es preisgünstiger ist, weil sie Flüge sparen. Und mit den billigen Formaten, die jetzt wie am Fließband produziert werden, Scripted-Reality-zum Beispiel, haben wir in hier nichts zu tun. So was wollen wir auch nicht machen.

Hat sich der Blick auf Asien von Deutschland aus verändert?

Alexander Grawe: Asien ist, glaube ich, näher gerückt.

Christina Grawe: Was nicht zuletzt daran liegt, dass plötzlich jeder mal in Thailand war oder jemanden kennt, der hier war. Um mal wieder bei RTL zu bleiben: es findet jetzt einfach mehr Asien dort statt.

Wegen euch?

Christina Grawe:Ja klar. Wir drehen ja von Indien bis zu den Philippinen.

Hat man da ein Verantwortungsgefühl, wenn man merkt, wir prägen eigentlich das Bild eines ganzen Kontinents mit?

Christina Grawe: Klar, absolut.

Alexander Grawe: Wir regen uns total auf, wenn wir Beitrage aus Thailand oder Indonesien sehen, die einfach sachlich falsch sind.

Und die Klischees? Was sind denn da die „falschesten“ Eurer Meinung nach?

Christina Grawe: Auf Thailand bezogen natürlich das Thema Sextourismus. Natürlich ist das ein grosses Problem, aber manche Berichte sind so, als gäbe es nichts anderes.

Alexander Grawe: Was mich persönlich nervt, weil wir hier arbeiten, ist so das Klischee, alle Deutsche, die in Thailand abhängen, sind Sextouristen oder Lebenskünstler und machen sich einen faulen Lenz.

Aber genau das Klischee bedient ihr mit Formaten wie „Goodbye Deutschland“ doch auch.

Alexander Grawe:Nein, eben genau nicht. So easy, wie sich so manch ein Auswanderer das Leben in Thailand vorstellt, ist es halt nicht. Wir zeigen, dass man auch als Auswanderer hart arbeiten muss, um hier zu überleben.