Arnd Riekmann: „Vielleicht ist es Unwissen“
Arnd Riekmann ist der Ansprechpartner des Bund Lesbischer und Schwuler JournalistInnen (BLSJ) Hamburg. Er ist Jury-Mitglied des Felix-Rexhausen-Preises, der ein besonderes Engagement bei der Berichterstattung über Homosexuelle würdigt.
VOCER: Herr Riekmann, wird die mediale Präsentation von Schwulen und Lesben den Protagonisten gerecht?
Arnd Riekmann: Im Journalismus ist es generell eine Herausforderung, den Protagonisten so darzustellen, wie er sich selbst sieht. Allgemein lässt sich sagen, dass die Berichterstattung teilweise immer noch klischeebehaftet ist. Da ist der Schwule als Paradiesvogel und da sind Lesben, die sehr viel seltener vorkommen in der Berichterstattung als schwule Männer, und oft als Mütter von Regenbogenfamilien dargestellt werden. Die Palette der möglichen Protagonisten sollte breiter werden.
Woher kommen diese Klischees?
Es ist natürlich immer erst mal einfacher, ein Klischee abzubilden, das man schon kennt. Da muss man nicht groß recherchieren. Der schillernde Schwule, bunt und total ausstaffiert gibt ein super Foto und es bringt optisch einfach mehr Spaß als der normale Schwule oder die normale Lesbe, die man gar nicht als solche erkennen würde. Vielleicht ist es auch Unwissen, was für eine Bandbreite es überhaupt gibt und wie normal schwules und lesbisches Leben eigentlich ist. Da solle der Redakteur sich aber besser informieren.
Journalisten verwenden auch immer wieder abwertende Formulierungen.
Ja, sehr weit verbreitet ist zum Beispiel immer noch das „Homosexuellen-Milieu“. Als gäbe es irgendwo einen bestimmten Ort, und wenn man da hingeht, ist man in diesem Milieu. Ich weiß ja nicht, wo dann das „Heterosexuellen-Milieu“ ist. Diese Formulierung ist einfach nicht schön. Dann wird immer wieder von „bekennenden“ Schwulen und Lesben berichtet, anstatt zu sagen, dass sie offen schwul und lesbisch leben. Bekennen kann man sich entweder zu einer Religion oder zu einer Straftat. Außerdem weit verbreitet ist die Betitelung „Homosexuelle und Lesben“, darauf ist im vergangenen Jahr sogar die „Süddeutsche Zeitung“ hereingefallen. Das impliziert, dass Homosexuelle männlich sind und der Gegenpol ist dann eben die Lesbe. Das ist Quatsch, Homosexuelle sind Lesben und Schwule, oder man sagt einfach nur Homosexuelle. Da frage ich mich immer, wie es kommt, dass Journalisten so etwas schreiben. Wenn man nur mal zwei Minuten darüber nachdenkt, fällt es einem selber auf. Wir vom BLSJ haben das aber im Blick und weisen wir die jeweilige Redaktion darauf hin. Die meisten reagieren auch dankbar.
Können homosexuelle Redakteure treffender über diese Themen schreiben als heterosexuelle?
Es bietet sich natürlich an. Andererseits sind Homosexuelle in diese Themen immer stark involviert und haben eine ganz bestimmte Sicht der Dinge. Da ist der Blick von außen vielleicht manchmal auch der interessantere. Es können alle Journalisten darüber schreiben, aber sie sollten ihre Arbeit ordentlich machen.
Berichten die Medien insgesamt ausreichend über Lesben und Schwule?
Es ist zu beobachten, dass zu der CSD-Saison im Sommer sehr viel berichtet wird und im Rest des Jahres eher wenig. Es wäre erfreulich, wenn das ein wenig besser verteilt wäre. Wir von der Felix-Rexhausen-Jury finden es immer besonders toll, wenn Homosexuelle in ganz normalen Geschichten portraitiert werden, weil sie einer Berufsgruppe angehören, oder weil es darum geht, ein bestimmte Thema mit persönlichen Schicksalen zu bebildern. Ich finde, dass dafür auch schwule oder lesbische Protagonisten gesucht werden sollten. Das kommt manchmal vor, aber noch relativ selten.
Foto: Jenner Egberts Fotografie
Wie könnte das konkret aussehen?
Vor ein paar Jahren erschien ein Bericht in der „Financial Times Deutschland“, in dem es um Schrotthandel ging. Die beiden Händlerinnen, deren Schrottplatz da vorgestellt wurde, waren zufälligerweise lesbisch. Das war nicht das eigentliche Thema, wurde aber auch in dem Bericht gesagt und thematisiert. Diese Darstellung fanden wir so toll, dass der Artikel den Felix-Rexhausen-Preis gewonnen hat.
Gibt es auch Fälle, in denen ganz bewusst diskriminiert wird?
Glücklicherweise sind das eher Fälle aus den späten 90er-Jahren, da hat es relativ gehäuft Schlagzeilen oder Artikel gegeben, die dann auch zu Beschwerden und teilweise zu Rügen des Presserates geführt haben. Als der Modedesigner Gianni Versace ermordet wurde, titelte die Bunte zum Beispiel: „Der Todesengel kam aus dem dunklen Teil seines Reiches“. In dem Bericht wurden dann die „merkwürdigen“ Schwulen beschrieben, mit denen sich Herr Versace umgeben hat. Auch beliebt ist das Bild der Lesbe als Männer-Mörderin. BILD und Bunte titelten über den Fall eines Mordes, den zwei lesbische Pensionsbesitzerinnen begangen hatten „Die Lesben-Pension – Wie viele tote Männer liegen noch im Garten?“. Das Feindbild schwul oder lesbisch scheint es heute aber in den Redaktionen oder vielleicht auch in der Gesellschaft nicht mehr zu geben. Gerade in den Boulevard-Medien wird ja auch darauf reagiert, wie die Leser, Hörer oder Zuschauer so drauf sind. Es ist einfach nicht mehr modern, solch einen Unterschied bei Lesben oder Schwulen zu machen.
Kann man sagen, wann eine abwertende Berichterstattung homophob wird?
Ich bin vorsichtig mit dem Wort Homophobie. Natürlich ist es wichtig, dass auch über Schwule und Lesben negativ berichtet wird, wenn sie schlimme Dinge tun. Im vergangenen Jahr betitelte Welt Online eine Geschichte mit „Staatsanwaltschaft knöpft sich schwulen Bürgermeister vor“. Das klang so, als müsste die Staatsanwaltschaft eingreifen, weil der schwul ist, was natürlich nicht der Fall war. Das war auch gar nicht der Punkt dieser Geschichte. Es ging einfach darum, dass dieser Mann mutmaßlich einen Anschlag auf sich selbst inszeniert hat, und zwar zusammen mit seinem Ehemann. Eigentlich war der Bericht sehr vorbildlich. Offenbar hatte ein Online-Redakteur aber aus der vorher neutralen Schlagzeile eine etwas reißerischere gemacht. Dafür hat sich hinterher der Chefredakteur beim BLSJ entschuldigt und es wurde sofort korrigiert. Inzwischen steht da „Staatsanwaltschaft knöpft sich Provinz-Bürgermeister vor“, was die Sache auch trifft. Nun weiß ich natürlich nicht, warum dieser Online-Redakteur die Überschrift so geändert hat. Wahrscheinlich auch nicht, weil er ein Schwulen- und Lesben-Hasser ist, sondern einfach um es reißerisch zu gestalten und ohne sich darüber Gedanken zu machen, was da alles mitschwingt. Im Prinzip ist es ganz einfach, man muss das Wort schwul in so einem Fall durch heterosexuell, ausländisch, jüdisch oder sonst irgendein derartiges Wort ersetzen. Dann würde man sofort sagen: Um Himmels Willen, wie kann man so etwas schreiben?