,

Guter Journalismus braucht faire Arbeitsbedingungen

Viel wird zurzeit diskutiert über Qualitätsjournalismus. Über guten Journalismus, über seine Überlebenschancen, seine Weiterentwicklung, seinen Niedergang oder seine Zukunft. Weniger wird geschrieben über seinen Wert für die Demokratie und darüber, welche Rahmenbedingungen unabdingbar sind für gute, in der Regel hoch motivierte Journalisten und Journalistinnen, um den Ansprüchen der Gesellschaft, der Leser und Leserinnen und auch den eigenen ein Berufsleben lang gerecht zu werden.

Der Wert des Qualitätsjournalismus für die Demokratie ist weitgehend unbestritten. Eine freie demokratische Gesellschaft ist ohne eine freie Presse schlicht nicht denkbar. Ohne sie, so hat es jüngst Bundespräsident Joachim Gauck anlässlich der Verleihung des 50. Theodor-Wolff-Preises betont, ist „kein wahrhaftiges Bild zu gewinnen von der Wirklichkeit, die uns umgibt. Wir brauchen als Demokraten eine vielfältige, freie Presse. Wir wollen die Vielfalt der Meinungen, um selber eine eindeutige Meinung zu entwickeln.“

Was nun macht die Journalisten aus, die diesen hohen Anforderungen an ihre oder seine Arbeit gerecht werden wollen? Zuallererst natürlich die Leidenschaft, mit der sie ihren Beruf in aller Regel und allen Widerständen zum Trotz wählen und ausüben; gesunder Menschenverstand, Neugier und Talent, Wissbegier und Demokratieverständnis, Gewissenhaftigkeit, Urteilsvermögen und Unabhängigkeit.

Guter Journalismus braucht Aus- und Weiterbildung

Eine fundierte, umfassende, den Anforderungen an den heutigen Journalismus gerecht werdende Aus- und Weiterbildung ist das Fundament des Qualitätsjournalismus. Aufsetzend auf ein gutes Allgemeinwissen darf nicht nur das schreiberische Handwerkszeug vermittelt werden. Es geht um Recherche und Gegenrecherche aus vielen und vielfältigen Quellen, Reflexion im Team, Kontakt zu den Rezipienten, es geht um Fairness, um Fach-, Sach- und Vermittlungskompetenzen, es geht um journalistische Ethik und das Wissen um die Verantwortung und die Rahmenbedingungen dieses Berufes.

Hauptzugang zum Journalistenberuf bleibt trotz aller Studiengänge und Journalistenschulen das Volontariat – meist im Lokalen. Das hier verortete Praxistraining umfasst dabei wesentlich mehr als das heute leider wieder weit verbreitende „learning by doing“. Es braucht dabei zwingend neben einem gesunden Zahlenverhältnis gut ausgebildeter Redakteurinnen und Redakteure zu Volontären einen geschulten, erfahrenen Ausbildungsredakteur, der für die Ausbildungsarbeit u.U. zeitanteilig freigestellt und ein verlässlicher Ansprechpartner für die Volontärinnen und Volontäre ist. Dass Ausbildung in verschiedenen Redaktionen, in unterschiedlichen Genres und zum Teil überbetrieblich stattfinden muss, versteht sich dabei von selbst.

Politik und Arbeitgeber fordern immer wieder die Bereitschaft der erwerbstätigen Menschen zum lebenslangen Lernen ein. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Es muss das Recht auf lebenslanges Lernen und ständige Reflexion geben – für Journalisten allemal. Das Recht auf bezahlte Weiterbildung darf vor Redaktionen nicht halt machen und muss – die heutigen, zum Teil prekären Beschäftigungsstrukturen berücksichtigend – zwingend freie Journalisten und Pauschalisten einschließen.

Mehr als 20 Jahre nach Inkrafttreten des Ausbildungstarifvertrages an Zeitungen und Zeitschriften müssen jetzt seine Inhalte überprüft, ergänzt und der Geltungsbereich erweitert werden. Dabei darf sich die notwendige Reform der Ausbildung nicht auf Cross- und Multimedialität als alleiniges Lernziel beschränken. Vielmehr muss sie die eigentliche journalistische Kompetenz (recherchieren, bewerten, schreiben, gewichten) wieder stärker in den Vordergrund rücken und auf der Suche nach tragfähigen Konzepten den Erfahrungs- und Ideenaustausch für den bezahlten Journalismus von morgen organisieren.

Ja, es bedarf dringend einer neuen Aus- und Weiterbildungsoffensive. Sie voranzutreiben, wird unsere Aufgabe als Journalisten-Gewerkschaft sein. Wir wollen diese Offensive tragen und im Zweifel erkämpfen, gemeinsam mit unseren Mitgliedern. Sie anzunehmen und im Diskurs mit zu gestalten, ist Sache der Verleger.

Guter Journalismus funktioniert im Team

Guter Journalismus entsteht im Team. Zumal im Lokalen. Er braucht Menschen, regelmäßige Tages-, aber auch wöchentliche Themenkonferenzen. Er braucht die Auseinandersetzung mit Kolleginnen und Kollegen, mit anderen Journalistinnen, die kritische Reflexion, die guten Tipps, die Erfahrung vieler, das Gegenlesen von Texten. Er braucht auch den ersten Leser im vielfach schon lange abgeschafften Korrektorat.

Guter Journalismus lebt in der Gesellschaft. Er braucht den Kontakt mit ihr – und nicht nur den zur Politik oder mächtigen Wirtschaftsverbänden. Redaktionen gehören deshalb nicht auf die grüne Wiese, sondern in die Zentren der Städte und Gemeinden.

Demokratie und damit demokratischer Journalismus beginnt im Kleinen. Und hier sind Redaktionen auch den meisten, oft auch wirtschaftlichen Pressalien ausgesetzt. „Dem Volk auf’s Maul schauen“ meint ja das Gegenteil von der Übernahme oder gar Verbreitung von Stammtischmeinungen – auch wenn das Leserecho sehr viel direkter kommt. Deshalb:

Guter Journalismus braucht Schutz

Es macht keinen Sinn, Journalistinnen den Schutz der Betriebsverfassung zu verwehren. Gerade sie brauchen die Gewissheit, nicht wegen eines missliebigen Artikels abgemahnt, versetzt oder gar gekündigt zu werden. Zumindest muss ein Betriebsrat hier wie bei allen anderen Arbeitnehmern auch Vorwürfe prüfen und beurteilen, einer willkürlichen Maßnahmen wiedersprechen können.

Redaktionsstatute sind aus der Mode gekommen. Dabei brauchen wir sie heute notwendiger denn je. Auch sie bieten Schutz vor Willkür, sorgen für Transparenz, wirken gegen den Mainstream. Sie können eine Art Schiedsstelle zwischen Verleger- und Redaktionsinteresse sein, Diskussionen anregen, Demokratie befördern.

Guter Journalismus braucht Zeit

Weil Genauigkeit und gute Recherche/Gegenrecherche vor Schnelligkeit steht. Weil zum Teil aufwändige Recherche unerlässlich ist. Weil Themen wachsen, Texte gelesen, Gewichtungen hinterfragt werden müssen. Eben weil guter Journalismus Teamwork ist, brauchen Redaktionen mehr statt weniger Personal. Redaktionen brauchen Mindestbesetzungen – und nicht nur Urlaubsvertretungen. Und gut bezahlte, gut ausgebildete freie Mitarbeiter.

Die Stellenpläne reichen nach Jahren des Stellenabbaus, der Redaktionszusammenlegungen, des Outsourcings und der inzwischen unzumutbaren Arbeitsverdichtung bei weitem nicht mehr – zumindest nicht für den in Sonntagsreden geforderten Qualitätsjournalismus. Und die seit Jahren eher schrumpfenden als wachsenden Honoraretats verschärfen das Problem. „One Man – one Page“ – dieses Modell des Journalismus nach Vorbild der industriellen Produktion wird ebenso funktionieren wie die menschenleere Redaktion der Westfälischen Rundschau oder der Alleinredakteur mit Zeilenvorgabe. Letzterer stößt schnell an seine Grenzen, ist empfänglicher für vorgefertigte PR-Ware, schreibt Gemeinderatssitzung routiniert herunter – für’s Hinterfragen, Einordnen und Kommentieren fehlt die Zeit.

Guter Journalismus braucht Regeneration

Journalisten arbeiten (oft) tagesaktuell, je nach Thema und Anlass weit über die normale Arbeitszeit hinaus. Redakteur/-innen müssen mittlerweile für alle Verbreitungswege und nach Feierabend für das Gesamtprodukt Verantwortung übernehmen. Und nicht nur wegen der vernetzten Technik ist auch nach Feierabend noch nicht Schluss.

Den freien Kollegen und Kolleginnen geht es dabei nicht besser. Schlecht bezahlt müssen sie Lücken füllen und Zeilen schinden, um überhaupt von ihrer Arbeit leben zu können. Freie Zeit und damit notwendige Regeneration bleiben auf der Strecke.

Umso wichtiger ist, die Arbeitszeit zu begrenzen, die Honorare für Freie deutlich zu erhöhen, um Zeit für kreative Regeneration zu schaffen. Der journalistische Blick auf Lebenswirklichkeiten begrenzt sich ja nicht auf die Redaktionsräume, sondern findet notwendige Widerspiegelung auch bei Freizeitaktivitäten, beim Sport, im Theater, in der Nachbarschaft, bei und mit Freunden. Unabhängig von der für alle Menschen notwendigen Abgrenzung von der Arbeitswelt findet Journalismus so auch in der Freizeit Kreativität und Kraft.

Guter Journalismus braucht Geld

Und zwar in zweifacher Hinsicht: Guter und vielfältiger Journalismus ist für eine demokratische Gesellschaft unabdingbar. Er muss geschützt werden vor Lobbyismus und prekärer Beschäftigung, er braucht Zukunftssicherung und Wertschätzung. Umso wichtiger ist es, dass Verleger und Journalisten zusammen das Zukunftsmodell für bezahlbaren und bezahlten Journalismus entwickeln.

Gute Journalisten brauchen gutes Geld: Die (noch) relativ guten Gehälter der immer weniger werdenden fest angestellten Journalistinnen und Journalisten würdigen nicht nur die Arbeit an sich und die vorangegangene lange und teure Ausbildungszeit auch schon vor dem Volontariat.

Sie sind auch ein Korruptionsschutz. Ein gut bezahlter Journalist, der von seiner inhaltlichen Arbeit nicht nur sich, sondern auch seine Familie gut ernähren und ihnen die Teilhabe an allen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens ermöglich kann, ist weniger anfällig für Schmeicheleien, Lobbyismus oder gar knallharte Bestechung. Letztere dürfte zwar die Ausnahme sein. Wenn sie aber nachgewiesen wird, fällt sie – zumindest bei guter Bezahlung der journalistischen Arbeit – auf den Einzelnen und nicht auf den ganzen Berufsstand zurück. Sie dürfte eine Ausnahmeerscheinung bleiben.

Anders stellt sich die Situation vieler Freiberufler dar. Nicht dass sie knallharte Bestechung akzeptieren – davor schützt in den allermeisten Fällen auch der Berufsethos. Aber: Eher eine Minderheit der Print-Freien kann von den Erlösen journalistischer Arbeit leben – zumal im Lokalen. Die Bezahlung der Freien ist beschämend gering. Um nur annähernd den Lebensunterhalt bestreiten zu können, sind sie oftmals auch auf vergleichsweise gut bezahlte PR-Arbeit angewiesen, wenn sie nicht auf einen anderen „Brot-Job“ ausweichen wollen oder können. Recherche, zumal aufwändige, wird zumindest im Tageszeitungsjournalismus nicht bezahlt, die Existenzsicherung rangiert naturgemäß auf der Prioritätenliste weit vor der Weiterbildung.

Je weniger Stellen es für Festangestellte in Redaktionen gibt, desto notwendiger ist daher eine gute Aus- und Weiterbildung bei den Freien. Desto überfälliger ist auch eine gute, wegen der Verlagerung der sozialen Absicherung auf die Freien selbst sogar die überproportionale Bezahlung freiberuflicher journalistischer Arbeit.