Wir berichten über Ausbeutung und Lohndumping, unfaire Arbeitsbedingungen und Burn-Out durch Stress am Arbeitsplatz: Über Probleme im eigenen Gewerbe, schweigen wir Journalisten uns aber gerne aus. Nur hinter vorgehaltener Hand hört man von Existenzängsten, psychischem Druck, Frustrationen, fehlender Motivation und Redaktionen, die monatelang nicht auf Themenvorschläge reagieren. Vor allem auf Freie aller Medienbereiche wächst seit Jahren der Druck: Printkollegen, die von 1000 Euro im Monat leben, Radio-Journalisten, deren Tagessätze bei steigenden Preisen kontinuierlich sinken, Freie beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen, deren Verträge nach zehn Jahren treuer Arbeit plötzlich nicht mehr verlängert werden.

Von alldem bekommt die Öffentlichkeit kaum etwas mit. Als Journalist über die eigene Branche zu mäkeln, gilt als unschicklich und unprofessionell. Der Druck wächst: Immer gibt es jemanden, der den Artikel für das magere Honorar schreibt oder einen VJ, der das kleingerechnete Angebot der Produktionsfirma noch unterbietet. Streiks, Proteste, oder Arbeitskampf? Bis auf ganz wenige Ausnahmen: Fehlanzeige! Journalisten haben für ihre Sache zu brennen, sie müssen Überzeugungstäter sein, gegen Ungerechtigkeit und Korruption kämpfen.

Keine Zeit für Recherche

Aber was, wenn sich die miserablen Bedingungen auf die Arbeit auswirken? Wenn die Wahl auf leichte Themen fällt, weil man keine Zeit hat oder kein Risiko mehr eingehen kann? Was ist mit Genauigkeit und Seriosität bei der Recherche? Kann ein Journalist, der nicht weiß, wie er die Miete im nächsten Monat bezahlen soll, noch mit der gleichen Verve ans Werk gehen?

Die Einladung zu einer Podiumsdiskussion, organisiert von CNN, der hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk, dem Presseclub Kassel e.V. , investigate! und VOCER war die Initialzündung zu dieser Initiative. Gemeinsam mit Hans Leyendecker („Süddeutsche Zeitung“) und Marcel Rosenbach („Spiegel“) habe ich als CNN Journalist 2013 und als Freie über das Thema „Journalisten unter Druck – wenn Recherche zum Luxus wird“ am 25.2. in Kassel diskutiert. Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Stephan Weichert von der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation.

Für mich war das der ideale Anlass eine Debatte anzustoßen und Fragen zu stellen: Wie steht es um den Journalismus im Jahr 2014? Wie viel Wert legen Redaktionen noch auf gute Recherche und sind sie auch bereit, dafür zu zahlen? Wo gehen Entwicklungen in die falsche Richtung? Welche Arbeitsbedingungen sind wir Journalisten bereit zu akzeptieren? Wirken sich Arbeitsbedingungen negativ auf das Programm aus? Brauchen wir mehr Solidarität? Und kann man als freier Journalist ruhigen Gewissens an Familienplanung denken?

Probleme beim Namen nennen

Um die Debatte in Gang zu bringen, habe ich mit meiner Produktionsfirma kontur medien – auf eigene Kosten – eine Interviewserie produziert, von der ein Beitrag auf der Debatte in Kassel bereits gezeigt wurde. Der Gastgeber der Podiumsdiskussion, die hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk sah sich leider nicht in der Lage, das Projekt auch nur mit einem symbolischen Betrag zu unterstützen. Angesichts des Themas, besonders verwunderlich.

Die kurzen Filme zeigen Kollegen, die sich nicht scheuen, Probleme beim Namen zu nennen und den Finger in die Wunde zu legen: Eine desillusionierte Berufseinsteigerin, ein engagierter freier Produzent, ein langjähriger Freier Mitarbeiter des NDR-Fernsehens und einer, der schon in Rente ist, aber vom Journalismus trotz aller Kritik nicht lassen kann.

Bislang sind es vor allem TV-Journalisten. Unsere Hoffnung ist, dass die hier versammelten Filme als Anstoß zu einer Diskussion beitragen, denn Qualitäts-Journalismus stellt in unseren Augen einen besonderen Wert dar, den es unbedingt zu erhalten gilt.

01 Matthias Zuber from kontur medien on Vimeo.

02 Ralf Dörwang from kontur medien on Vimeo.

03 Anneli Botz from kontur medien on Vimeo.

04 Hans Jürgen Börner from kontur medien on Vimeo.