Noch drei Ausgaben, dann ist Schluss: Nach 33 Jahren will das ZDF sein eingestaubtes Show-Flaggschiff „Wetten, dass..?“ zum Ende des Jahres versenken. Die Markenrechte werde man zwar behalten. „Wir suchen aber weder einen neuen Moderator, noch planen wir eine Fortsetzung in absehbarer Zukunft“, ließ der Sender verlautbaren. Stattdessen sammele man nun Ideen für eine neue Sendung. Einige VOCER-Autoren und -Freunde haben sich ebenfalls ihre Gedanken gemacht, was sich auf dem frei werdenden Sendeplatz alles anstellen ließe.


Oskar Piegsa (Foto: Evgeny Makarov)Zwei Stühle, zwei Menschen, kein Vollplayback

Große Konflikte! Schillernde Persönlichkeiten! Erbarmungslos gleißendes Scheinwerferlicht! Das sind die Zutaten, die ich mir von einem neuen Samstagabendformat des ZDF wünsche. Früher war so was im Fernsehen möglich. Heißt es jedenfalls, ganz sicher bin ich mir nicht, denn ich kenne das nur noch schnipselweise von YouTube: Das tolle Knistern, wenn Günter Gaus mit Hannah Arendt über die großen Fragen der Zeit diskutiert. Die irre Spannung, ob es David Frost gelingt, Richard Nixon aufs Glatteis zu locken. Oder wie William F. Buckley sagt, dass er Noam Chomsky wegen dessen Haltung zum Vietnamkrieg eventuell noch in die Fresse hauen werde – gibt es besseres Edutainment? Der andere Schrott kann raus: Keine Spiele, keine Saalwette, kein Vollplayback. Stattdessen: Zwei Stühle, zwei Menschen und nicht viel mehr Kameras. Einige gut vorbereitete Fragen, zirka eine Stunde ungebrochene Aufmerksamkeit des Moderators für seinen Gast und die Chance, dass ein echtes Gespräch entsteht. Eines, bei dem Gedanken formuliert werden, Argumente aufeinander prallen und Positionen sichtbar werden, auch unversöhnliche Positionen. Das würde die Stärken des Mediums ausspielen. Das wäre ambitionierte Unterhaltung. Das fände ich so geil, dass ich dafür samstagabends zu Hause bleiben und vor der Glotze hängen würde. Oder, seien wir ehrlich: wenigstens am Sonntagvormittag verkatert vor der Mediathek.

Oskar Piegsa arbeitet als Redakteur bei „Zeit Campus“ und schreibt frei für „Die Zeit“, „Spiegel Online“, „Spex“, „Kulturaustausch“ und „Missy“. Außerdem bloggt er auf achtmilliarden.com.

autor_ninia-biniasRiot Grrrls zur besten Sendezeit

Ich gucke unglaublich gern Fernsehen. Tatsächlich ist es aber so, dass ich Samstagabend fast nie vor dem Fernseher sitze. Der Sendeplatz, der jetzt also frei wird, müsste schon etwas ganz Besonderes bieten, damit ich auf dem Sofa bleibe. Zum Beispiel diese ganzen tollen Art-House-Filme, die sonst immer auf die Sendeplätze ab 23:30 Uhr geschoben werde. Weil: Guckt ja eh niemand. Wirklich? Warum nicht mal ausprobieren?! Eine gute Serie traue ich mich gar nicht zu fordern, da habe ich große Angst, dass so ein Vorhaben nur daneben gehen kann. Einen ganz utopischen Wunsch habe ich noch: Eine feministische Riot-Grrrl-Talkshow zur besten Sendezeit. Mit grandiosen Menschen auf dem Sofa, radikalen Themen und guter Musik. Aber bis dahin müssen wahrscheinlich leider noch viele „Wetten, dass..?“-Formate kaputt moderiert werden.

Ninia LaGrande lebt und arbeitet als Social Media Managerin in Hannover. Auf ihrem Blog schreibt sie über das Leben, Großstadtgeschichten, Feminismus, Kunst, Musik, Fotografie, Mode und Politik. Außerdem gehört sie zum AutorInnen-Team von LesFlâneurs, ist Poetry Slammerin und Teil des festen Ensembles der hannoverschen Lesebühne „Nachtbarden„.

autor_christian-fahrenbachEin „Wetten, dass..?“ für Europa

Mein Traum: Stellt die Sendung nicht ein, sondern macht das Format zum europaweiten Fernsehereignis. Gebt der Sendung gemeinsame junge Moderatoren für eine englische, eine französische und eine deutsche Version. Lasst die Show vier Mal pro Jahr laufen. Die großen US-Stars dürfen weiterhin kommen und werden weiter simultan übersetzt, ein Sprachproblem weniger. Frau Ferres sollte aufgrund der internationalen Neuausrichtung eher daheim bleiben. Lasst Kandidaten aus allen Ecken des Kontinents antreten. Lasst sie aus ihren Ländern ihre Geschichten erzählen. Lasst sie spektakuläre Wetten anbieten, die sich über alle Sprachgrenzen hinweg universell erklären. Macht Europa endlich mehr im Fernsehen sichtbar, über den Fußball und den Song Contest hinaus.

Christian Fahrenbach lebt als Journalist und Tow-Knight-Fellow in New York. Dort gründet er im „Entrepreneurial Journalism“-Programm der City University das News-Video-Startup achdarumgehts.de.

autor_michael-schockSchlagfertigkeit mit Charme

Der Untergang von „Wetten, dass..?“ ist eher eine Personalie als der natürliche Tod eines TV-Fossils. Das Konzept war angestaubt, viele Wetten fremdschämwürdig und die „Star“-Auswahl in ihrer Piefigkeit oft grenzwertig. Aber: Wer die Leiche noch über den Bildschirm zog, war Gottschalk. Verehrt von denen, die mit seinem Entertainment noch etwas anfangen konnten, und mit Liebe gehasst von jenen, die sich auf den nachträglichen Verriss seiner Zoten freuten. Das alte Spiel eben; er war kaum einem egal. Klar ist Lanz in seiner seit jeher bekannten, überforderten Moderationsinkompetenz ein großer Faktor dieses Showtodes, aber nicht der ausschlaggebende. Was der Samstagabendslot im ZDF braucht, ist Charakter. Keine eingekaufte Rebellion von Berufsjugendlichen wie Joko und Klaas, das nicht. Die beweisen schon an anderer Stelle, dass die langweiligste Form des Konformismus die des aufgesetzten Nonkonformismus ist. Gebraucht wird ein neues Gesicht, das die Schlagfertigkeit ins Feld führt, die dem gesamten Sender zumeist abgeht, jemand nicht Perfektes, aber Wiedererkennbares. Mit radikalem Charme, der nicht auf einzelne Zielgruppen angesetzt ist, sondern alle mit treffsicherem Wahrheitshumor abholt. Und dazu natürlich Toppgäste und Musikstars, die nicht die Film- bzw. Musikcharts anführen, sondern es verdienen würden, mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Dann würde der Programmplatz sinnvoll gefüllt. In und mit: Würde.

Michael Schock ist freier Journalist mit dem Schwerpunkt Kultur und lebt und arbeitet in Hamburg.

autor_linus-volkmannUnterhaltung 2020

Was soll nach „Wetten, dass…?“ noch kommen? Keine lustvolle Frage, denn man war ja Zeuge, wie sich ZDF und Publikum zuletzt über die lebensverlängernden Maßnahmen von Patient Alpha gequält haben. Und wenn dann von der „Redaktion Show“ in der Mainzer Anstalt gesprochen wird, wie diese jetzt an neuen Konzepten sitzt, stellt man sich auch nicht gerade den geilen Think Tank vor, sondern bürokratisch verstrickte, komplett abgehängte Medienmacher. Die eher früher als später – durch ihre Enkel – auf den Trichter gebracht werden, bei Joko und Klaas anzurufen. Sorry für den Wutbürger-Sprech, aber dieses Verhalten prangern wir Gebührenzahler an! Baut gefälligst zur Abwechslungen mit euren immensen finanziellen und Abspielmöglichkeiten eigene Showtalente auf. Und wegen des Generation Gap hier gratis auch noch eine Idee: Eine Woche kommt sowas Betuliches wie „Nase vorn“ mit Frank Elstner, schön mit Retro- und Schnarchfaktor – und die Woche drauf kriegen Jan Böhmermann und Sarah Kuttner ihre Chance – für Unterhaltung 2020. Teile und herrsche, ZDF!

Linus Volkmann ist stellvertretender Chefredakteur beim Popkulturmagazin „Intro“ und Buchautor. Aktuell erschienen: „Lies die Biber“ (Ventil Verlag). Volkmann lebt und arbeitet in Köln.

autor_tim-klimesMutigerer Umgang mit Vorhandenem

Nun ist „Wetten, dass..?“ also rum. Endlich ist am Samstagabend im ZDF wieder Platz. Platz für gigantische Quiz-Shows zum Beispiel: West gegen Ost. Unbekannte Schauspieler gegen noch unbekanntere Schauspieler. Unbekannte Schauspieler gegen Hunde. Sowas. Das könnte sogar wieder Markus Lanz moderieren. Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit. Es genügt ein Blick ins ZDF-Programm. Allein in den kommenden zwei Wochen werden da unter dem Aufmerksamkeitsradar die Dokus „Die Könige Amerikas: J. P. Morgan und das Geld“ (13. April, 23:50 Uhr) und Wim Wenders „Pina“ (20. April, 23:15 Uhr) versendet. Wer soll das gucken? Das ZDF-Stammpublikum? Die Generation 60+? Das ZDF sollte den nun freiwerdenden Prime-Time-Platz nutzen, um etwas mutiger mit der Qualität umzugehen, die es bereits im Programm hat. Und all die marktkundigen Marktforscher, die nun alarmieren werden: „Samstagabend ist doch gar kein Doku-Platz“? Die könnten sich mit der Analyse beschäftigen, warum „Wetten, dass..?“ in den letzten Jahren 50 Prozent seiner Zuschauer verloren hat. Damit haben sie was zu tun.

Tim Klimes arbeitet als Producer für die AVE Gesellschaft für Fernsehproduktion mbH in München. 

autor_christoph-brueggemeierZum Himmel stinkende Gebührenverschwendung

Ach guck’ mal: Die Traumfabrik vom Lerchenberg plant das große neue Ding: „Die Hauptredaktion Show arbeitet jetzt an neuen Ideen für den Samstagabend.“, sagt Programmdirekter Norbert Himmler. Die „Hauptredaktion Show“ also. Das ist doch die verrückte Truppe, die kürzlich mit „Die große Überraschungsshow“ eine besonders erfolglose Rentner-Sendung abgeliefert hat. Kurz davor hatten die doch schon die coole Idee, eine Quizshow zu machen – mit Jörg Pilawa. Mal ehrlich: Die „Hauptredaktion Show“ dürfte wohl für „neue Ideen“ am wenigsten geeignet sein. Neues entsteht nicht, wenn alle alles richtig machen wollen. Genau so wenig kann Unterhaltungsfernsehen unterhaltsam sein, wenn es stets versucht, den vermeintlichen „Sehgewohnheiten“ seines Publikums zu entsprechen. Deshalb: Überraschend, frech und anarchistisch sollen Samstagabende ab 2015 sein! Zum Himmel stinkende Gebührenverschendung will ich sehen, ich will vor Ratlosigkeit gebannt nicht umschalten können, ich will dass das ZDF endlich alle Zuschauer über 63 nachhaltig diskriminiert! Ich wünsche mir, dass das ZDF seine frisch gezüchteten Talente nicht auf den Spartenkanälen verdorren lässt. Ab damit ins Hauptprogramm! Das nächste große Ding kommt dann ganz von alleine.

Christoph Brüggemeier ist Alumnus des VOCER Innovation Medialab und Absolvent der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation in Hamburg. 

autor_julian-heck„heute Show“ ausbauen

Wetten, dass auf diesem Sendeplatz auch weiterhin auf Quantität (Quote) statt Qualität gesetzt wird? Mit dem Ende der „Zwischen ein paar Wetten stellen Promis ihr neuestes Produkt vor“-Show macht das ZDF Platz für … tja, wahrscheinlich für eine neue Promi-Show mit Millionen-Publikum. Dabei könnten Bellut und Co. ihr „heute Show“-Potential ausbauen, zum Beispiel als „heute Show live on Stage“ – Polit-Kabarett auf großer Bühne. Doch damit wird man wohl keine zehn Millionen Menschen erreichen. Also doch Quote statt Qualität. Wette gewonnen. Leider.

Julian Heck ist Politikwissenschaft-Student und Journalist. Er bloggt auf ausgeheckt und lokalblogger.

autor_falk-schreiberSerien statt Show

Ich würde was drum geben, würde das ZDF Filme und Serien im Original mit Untertiteln ausstrahlen. Ja, ich weiß, das ist ein Rechteproblem. Aber, Mensch!, man spart doch demnächst die ganzen Produktionskosten für „Wetten, dass..?“, dann ließen sich doch auch solch ein paar Originalversionsrechte finanzieren! Die könnte man dann Samstagabends zeigen. Und ich würde sie mir anschauen. Beziehungsweise, ich würde sie mir nicht anschauen, weil ich nicht zu Hause bin. Aber ich würde mich ärgern, dass ich keine Zeit habe. Doch, das würde ich.

Falk Schreiber arbeitet und lebt als Kulturjournalist und Blogger in Hamburg. Er ist Redakteur bei „kulturnews“ und „uMag“ und schreibt frei unter anderem für „Nachtkritik“, „Theater heute“ und „Junge Welt“.

autor-mark-heywinkel„Aspekte“ stärken

Liebe Redakteure des ZDF, investiert kein Geld, investiert keinen Fleiß, denkt euch bitte kein neues Bombast-Spektakel von TV-Sendung als „Wetten, dass..?“-Nachfolger aus. Vor allem: Denkt gar nicht erst daran, euch an einem Pendant zu Joko und Klaas zu versuchen, das würdet ihr eh nicht packen. Außerdem habt ihr längst ein viel besseres Format im Programm, das auf dem frei werdenden „Wetten, dass..?“-Slot laufen sollte. Nachdem ihr euch im Kulturmagazin „aspekte“ viele Jahre lang mit elitärem Anspruch an Hochkulturthemen abgearbeitet habt, glänzt die überarbeitete Sendung seit Anfang Februar mit dem Moderatoren-Trio Katty Salié, Tobias Schlegl und Jo Schück als lebendiges Live-Format. Die wohl dosierte Mischung aus Pop, Politik und Kunst funktioniert zielgruppenübergreifend. Die eher beschauliche Studio-Situation wirkt höchst charmant. Kurz: „aspekte“ ist euch richtig gut gelungen. Allein ein besserer Sendeplatz als der Freitagabend ab 23 Uhr wäre fein. Aber ihr habt da ja jetzt was.

Mark Heywinkel ist Redaktionsleiter von VOCER und arbeitet als freier Journalist in Berlin.