Innovation Day: Sieben Fragen an Jannik Schäfer
Welche journalistische Innovation hat Sie jüngst überrascht?
Eindeutig das Krautreporter-Projekt. Sowohl in der Höhe der angestrebten Finanzierung (900.000 Euro), als auch in der Produktidee handelt es sich hier um einen Paradigmenwechsel. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sich so viele erprobte Journalisten derart zusammenfinden. Ob das Projekt mit seiner hohen Summe und der kurzen Fundingzeit nun funktioniert oder nicht: Von heute an ist es nicht mehr undenkbar, dass sich Medien ausschließlich über Beiträge der Leser-, Hörer- oder Seherschaft finanzieren können.
Was ist das Innovativste, das Sie selbst je gemacht haben?
Hauptberuflich arbeite ich bei Burda Creative und begleite strukturelle Entwicklungen im Corporate Publishing, es gibt also eine große Nähe zur Situation Print/Online. In diesem Bereich gibt es so viel Veränderung, dass wohl erst im Rückblick klar wird, welche Aspekte besonders innovativ waren und sich langfristig beweisen. Ich versuche zu erkennen, wo gute Inhalte Platz finden können und arbeite dann an der Produktidee. Um die Jahreswende herum habe ich nebenher angefangen, mit Theresia Enzensberger eine Strategie für das „Block“-Magazin zu entwickeln. Für mich war schnell klar, dass sich für ein derartiges Magazin ein Publikum finden würde, egal was große Verlage über den Printmarkt denken. Wir haben jetzt das erste, kleine Ziel erreicht – es gibt 1.000 Vorbestellungen und die erste Ausgabe wird gedruckt. Die eigentliche Herausforderung geht also jetzt erst richtig los.
Welche Themen haben Sie während Ihrer Ausbildung vermisst?
Ich habe BWL studiert, sprechen wir also lieber von den Dingen, die mir jetzt noch weiterhelfen. Die wichtigsten Schwerpunkte im Studium waren Organisationstheorie (Public Policy) beim Ökonomen Dr. Alexander Libman und Advertising Strategy bei Curtis Young, einem ehemaligen Mad Man. Diese Dramaturgie ergibt sich eher im Nachhinein, doch diese Mischung aus Systemnachdenken und Kommunikationsstrategie passt jetzt besser denn je.
Was muss im Journalismus zukünftig dringend passieren?
Mehr Experimente, mehr Elan, mehr Bandbreite.
Welche Vorhersage über die Zukunft des Journalismus können Sie nicht mehr hören?
Maschinen werden unsere Artikel schreiben und alle Journalisten verlieren ihre Jobs. Im Gegenteil. Es wird mehr gute Journalisten geben, und diese werden davon human leben können.
Wen können sich junge Journalisten zum Vorbild nehmen?
Jon Stewart, Glenn Greenwald, Amy Goodman, Günther Gaus, Jan Böhmermann, Chris Morris und Werner Herzog.
Nur noch Freiberufler, keine Festanstellungen mehr? Wie sehen die Beschäftigungsverhältnisse in Zukunft aus? Wie sollten sie aussehen?
Jeder kann sich langfristigen Projekten zuordnen oder Netzwerken mit hoher Flexibilität anschließen. Die Arbeitsform wird mehr denn je dem Endprodukt entsprechend sein. Krautreporter wären zum Beispiel für ein Jahr in der Grundsicherung frei, das ist, aus heutiger Sicht, schon eine Hybridform. Generell sollte es funktionale Einheiten im journalistischen Prozess geben. Ich habe oben die Organisationstheorie angesprochen. Ich finde den Grundsatz von funktional orientierten Gemeinschaften sehr schlüssig. Menschen verschiedener Begabung arbeiten gemeinsam an einem Endprodukt wie etwa bei der „Daily Show“ oder „Die Anstalt“.
Jannik Schäfer wird beim VOCER Innovation Day an der Session „Pionieren zuhören: ‚Ich hab’s gewagt'“ teilnehmen. Weitere Infos zu der Konferenz am 28. Juni 2014 in Hamburg gibt’s hier.