Hello, is it Meme you’re looking for?
Sie kippen uns Eiswasser-Kübel über den Kopf, formen unsere Hände zur Merkel-Raute und starten einen #Aufschrei gegen Sexismus. Die Rede ist von Internet-Memes, dem Gipfel der digitalen Popkultur. Anfang August habe ich beim Urban Journalism Salon zum ersten Mal meine Idee vorgestellt, Internet-Memes im redaktionellen Kontext zu produzieren. Jetzt ist es offiziell: Ab dem 10. November ziehe ich gemeinsam mit den Internetkünstlern Kim Asendorf und Ole Fach für einen Monat in den Newsroom von Zeit Online.
Perfektes Timing, denn Memes sind derzeit auf allen Kanälen. Seit Oktober gibt es auf ZDFinfo ein eigenes Meme-Magazin, das unter dem Titel „15 Minutes of Fame“ über Memes als Internetphänomene berichtet, zum Beispiel über den Welterfolg des“Gangnam Style“. Das Phänomeme Blog der Süddeutschen Zeitung dokumentiert täglich Hintergründe der neuesten Memes. Das Meme Journal spült seit kurzem aktuelle Schlagzeilen in unsere Twitter-Feeds. Im September erschien das erste wissenschaftliche Buch über Internet-Memes der israelischen Wissenschaftlerin Limor Shifman auf deutsch. Die Macher von Fernsehsendungen wie „Neo Magazin“ oder „Circus HalliGalli“ haben längst erkannt, wie man mit Hilfe von Memes Publikum bindet. Kurzum: Memes sind „relefant!“ Es wird Zeit herauszufinden, wie Nachrichtenredaktionen nicht nur über Memes berichten, sondern sie auch selber produzieren können.
Einen Monat lang ziehen wir dazu in den Newsroom von Zeit Online, entdecken im Austausch mit der Redaktion Themen für Memes und setzen diese möglichst tagesaktuell um. Dabei werden wir konzeptionellen, juristischen und technischen Fragen begegnen. Eignen sich Memes zum Beispiel als Werkzeug für Crowdsourcing? Welche Meme-Formen bieten sich für den Einsatz in Redaktionen an? Welche Grenzen setzt uns das deutsche Urheberrecht? Unsere Erkenntnisse bereite ich in einem Manual auf, das auch anderen Redaktionen die Anwendung von Memes ermöglichen soll.
Jeder User ist ein Künstler!
Wir, das sind die Internetkünstler Kim Asendorf, Ole Fach und ich, Thilo Kasper. Kim und Ole kommentieren regelmäßig politisches Tagesgeschehen mit interaktiven Webtools. Zum Beispiel ironisieren sie mit „Gay Check Online“ eine Studie der Karls Universität Prag, die Homosexuelle anhand ihrer Gesichtszüge identifizieren will. Ihr Kommentar dazu ist ein bunter Gesichtsscanner, der zu klischee-schwulen Discobeats die Sexualität der User errät – mit überraschendem Ergebnis. Ich selbst beobachte Memes seit einigen Jahren im Rahmen meines Design-Studiums an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung im Karlsruher Zentrum für Kunst- und Medientechnologie, und habe dafür 2012 das Projekt PUTSCH gegründet. Es befasst sich in Workshops und auf einem Blog mit neuer politischer Bildkultur, unter anderem in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung. Im Rahmen von PUTSCH entstand zum Beispiel das Meme peer-notiert.de zur Bundestagswahl 2013. „Peer notiert“ persifliert Peer Steinbrücks handschriftliche Notizen, die er unter dem Motto „Klartext“ im Wahlkampf auf seinem Twitterkanal veröffentlichte. Mit unserem Tool kann jeder User eigene Notizen verfassen – mit Steinbrücks Handschrift und Signatur.
Aber was sind Memes überhaupt? Als Internet-Memes bezeichnet man Videos, Texte, Bilder, Gif-Animationen und Sounds, die von vielen Usern im Netz verbreitet und adaptiert werden. Der Begriff „Meme“ stammt ursprünglich aus der Evolutionsbiologie und beschreibt Informationseinheiten, die durch Kommunikation vervielfältigt werden. Im harten Kampf der Social-Media-Evolution können Internet-Memes glänzen. Sie sind schnell verständlich, unterhalten, gefallen und werden gerne geteilt. Immer wieder übernehmen sie als politische Kommentare auch eine Ventilfunktion, die der politischen Karikatur ähnelt. Im Gegensatz zur Karikatur sind Memes aber nicht das Werk nur eines Künstlers, sondern einer ganzen Community. Wie Gene können sie kopiert werden, ihre Funktion verändern, in der Form mutieren und je nach Umgebung eine andere Wirkung entfalten. Mit dieser Strategie machen sie Konsumenten zu Prosumenten und bieten Raum für Kreativität und Selbstdarstellung. Frei nach Joseph Beuys: Jeder User ist ein Künstler!
Das VOCER Innovation Medialab als Türöffner
Als ich vor einem Jahr nach Dozenten für einen PUTSCH-Workshop suchte, fragte ich über 100 Journalisten an – fünf zeigten Interesse. Mit dem VOCER Innovation Medialab im Rücken sitze ich ein Jahr später mit Chefredakteuren am Konferenztisch und kann mein Projekt gleich mehreren großen Redaktionen vorstellen. Mein Medialab-Mentor Frederik Fischer macht mich fit für Verhandlungen, und wann immer ich Fragen habe, kann ich auf ihn und das gesamte Medialab-Netzwerk zurückkommen. Als Quereinsteiger im Journalismus empfinde ich diesen Rückhalt als riesige Chance. Zudem übernimmt die Medialab-Stiftung einen Großteil der Projektfinanzierung.
Und jetzt wird es spannend. Erste Themen liegen auf dem Tisch, Ideen werden konkret, und am 10. November geht es los. Schon jetzt freue ich mich auf Anregungen und Austausch, auf Twitter gerne über das Hashtag #EditorialMeme.
Dieses Projekt ist Teil des VOCER Innovation Medialab, gefördert von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.