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Wolfgang Bosbach: „Pro und Contra können in Bild nicht stattfinden“

VOCER-Autorin Maren Christoffer mit Wolfgang Bosbach.

VOCER-Autorin Maren Christoffer mit Wolfgang Bosbach.

VOCER: Herr Bosbach, als Vorsitzender des Innenausschusses des Bundestages stehen Sie regelmäßig im Fokus der Presse – also auch der Bild-Zeitung. Wie ist Ihre persönliche Meinung zu dem Blatt?

Wolfgang Bosbach: Oft glaubt man, dass die Bild für die Meinungsbildung nicht so relevant sei wie Spiegel, FAZ, Süddeutsche und andere Leitmedien, weil es „nur ein Boulevardblatt“ ist. Das ist meiner Überzeugung nach, nicht nur wegen der Reichweite der Zeitung, eine Fehleinschätzung. Die Bild-Zeitung hat doch für die Meinungsbildung, für die Entscheidungsfindung und das, was das Thema ist, eine größere Bedeutung als allgemein angenommen. Es ist so ähnlich wie mit Meinungsumfragen: Glauben Sie keinem Politiker, dass er nicht auf Meinungsumfragen schaut und keinen Wert darauf legt. Natürlich achten wir auf Meinungsumfragen. Es ist jetzt nicht so, dass wir den Ergebnissen hinterherhecheln. Aber natürlich interessiert es uns, was die Menschen zu Themen und Personen sagen. So ähnlich ist es bei der Bild-Zeitung.

Kann man Ihrer Meinung nach bei der Bild-Zeitung von Journalismus sprechen?

Ja, auch das würde ich nicht in Anführungszeichen setzen. Ich habe mit Journalisten der Bild-Zeitung vergleichbare Erfahrungen gemacht wie mit anderen Journalisten von anderen Medien auch. Da sehe ich keinen großen Unterschied in der Sache selbst. Mit zwei Einschränkungen. Erstens: Das Platzangebot. Wenn man sich mit zwei Sätzen äußern will, hat man in der Bild-Zeitung schon ein großes Problem. Ein Satz ja, der darf dann aber nicht so lang sein. Das heißt: Das Wichtigste, was man in der Politik machen sollte, nämlich einen Abwägungsprozess der verschiedenen Argumente, der Pros und Contras, kann der Natur der Sache nach in der Bild-Zeitung gar nicht stattfinden. Es sei denn, man ist Obama oder Helmut Kohl und bekommt dann genügend Zeit, Gedanken auszubreiten. Ansonsten nicht. Und zweitens – das ist für mich ein markanter Unterschied zu anderen Medien: Gelegentlich habe ich das Gefühl, dass die Geschichte eigentlich schon fertig ist und es bei der Anfrage nicht mehr darum geht, die Meinung des Politikers zu erfahren. Es geht dann viel mehr darum, ein Zitat zu bekommen, das nötig ist, damit die Geschichte rund wird.

Hatten Sie denn mal das Gefühl, dass Sie nur angerufen werden, um eine bereits fertige Geschichte abzurunden?

Klar, mehrfach. Da sage ich dann: Ja, das ist eine respektable Meinung, aber nicht meine. Zum Zitieren falle ich also aus. Ich halte das übrigens aber auch für legitim, dass man sich noch eine Stimme sucht, die dieses oder jenes abbildet und betont. Das ist in Ordnung. Aber man darf als Politiker keine Meinung einnehmen, die man nicht vertritt, nur um in der Zeitung zu stehen.

Wurde Ihnen schon mal eine Art Deal angeboten – in dem Sinne, dass Sie ein Zitat geben, dass Ihnen nicht ganz passt, Sie dafür aber an anderer Stelle mehr Raum in der Zeitung bekommen?

Nein, das ist nie vorgekommen. Weder ausgesprochen, noch unausgesprochen und auch nicht zwischen den Zeilen. Noch nie.

Haben Sie es schon mal erlebt, dass die Berichterstattung der Bild-Zeitung Auswirkungen auf die Karrieren von Politikern hatte?

In beide Richtungen. Also in positiven und negativen Fällen, ja.

Könnten Sie ein Beispiel nennen?

Ich glaube, dass das überragende Ansehen von Karl Theodor zu Guttenberg sicherlich auch darauf zurückzuführen ist, dass er häufige und in der Regel sehr positive Berichterstattung hatte. Natürlich auch in der Bild-Zeitung, die eben die größte Reichweite hat. Aber wenn die Bild-Zeitung einmal entschlossen ist, das Ihrige dazu beizutragen, einen Politiker zu kritisieren, dann hat es jeder schwer, dagegen anzutreten. Das ist so. Wulff ist dafür natürlich auch ein Beispiel.

Gehen Boulevardjournalisten generell anders mit Politikern um als andere Journalisten?

Aus meiner Warte heraus kann ich nur sagen: Der Umgang war immer korrekt. Wenn ich mit der Bild-Zeitung zusammenarbeite und sage, dass etwas nicht meine Meinung ist, dann wird das auch nicht gedruckt. Und wenn ich mich beschwere, dass ich ein Statement nicht in einem Satz, sondern unbedingt in zweien abgeben möchte, und die Redaktion hat den Platz nicht, dann wurden meine Aussagen auch nicht gekürzt. Ich kann mich also nicht beklagen.