Kristina gegen Kai: Petition gegen das Bild-Girl
VOCER: Kristina, was schockiert dich mehr: Dass die Bild-Zeitung ein fragwürdiges Frauenbild auffährt, um bessere Verkäufe zu erzielen, oder dass dagegen verhältnismäßig wenig protestiert wird?
Natürlich beides! Letzteres kann ich jedoch leider etwas verstehen. Herr Diekmann und Bild sind leider sehr mächtig, und es kann natürlich gefährlich werden, dagegen aufzubegehren. Hat man gestern ja beispielsweise wunderbar gesehen, als er anfing, mich auf Twitter zu verhöhnen. Auf ein inhaltliches Anliegen hin hat er mich aufgefordert, mehr Bild-Girls zu rekrutieren. Besser hätte ich seinen und Bild-Sexismus gar nicht darstellen können.
Eine präzise Darstellung des Problems in 140 Zeichen. Vielen Dank @KaiDiekmann <3 Viel Erfolg @Kristina_Lunz! pic.twitter.com/OIDpO12aNi
— Melanie Stein (@mellistein) 11. November 2014
Hast du dir vor dem Start deiner Petition „Zeigt allen Respekt – schafft das Bild-Girl ab!“ darüber Gedanken gemacht, dass du plötzlich im Fadenkreuz der mächtigen Bild stehen könntest – und wie du damit umgehen würdest?
Habe ich. Und die Sorge davor war vielleicht auch der Grund, weshalb die Petition jetzt erst veröffentlicht wurde und nicht bereits im Juni, als ich damit anfing, mir darüber Gedanken zu machen. Nur ist es leider nicht nur die Bild, die mich ins Fadenkreuz nimmt: Ich habe inzwischen viele sexistische Nachrichten erhalten. Da kamen Aussagen rein wie „Das war mir gleich klar, dass du blond sein musst“ oder ich wurde gefragt, ob ich unzufrieden bin mit meinem Sexleben oder einfach neidisch auf die Bild-Girls. Anstatt meine Taten und meine Argumente zu kritisieren, bekam ich leider bisher oft sexistische Attacken zu spüren – das scheint leider die Regel zu sein in unserer Gesellschaft, wenn Frauen öffentlich kritisch Stellung beziehen. Da bin ich leider nicht die Erste, der das widerfährt. Dennoch: Die positiven E-Mails, wundervollen Zusprüche und motivierenden Nachrichten von vielen Männern und Frauen überwiegen um ein Vielfaches. Und schließlich sind wir schon 25.000!
Ihr seid 25.000 – doch euer Hashtag #BILDsexism geht leider noch nicht viral, und die Bild hält mit einer Auflage von über zwei Millionen gedruckten Exemplaren und einer womöglich großen, vom Bild-Girl begeisterten Leserschaft dagegen. Bringt der Kampf David gegen Goliath überhaupt etwas?
Aber natürlich! Einen Kampf nicht aufzunehmen aus Angst vor einer Niederlage ist nicht meine Art und hat auch noch keine Gesellschaft vorangebracht. Die Kampagne ist so jung, und dennoch ist das Medienecho schon richtig klasse. Zum Vergleich: Die Schwesterkampagne „No More Page 3“ in Großbritannien hat in den vergangenen zwei Jahren 210.000 Unterstützer gewinnen und ein Netzwerk aus Stiftungen, Prominenten, Politikern, Verbänden und anderen aufbauen können, die sich gegen Sexismus in der Sun ausgesprochen hat. In Großbritannien hat das eine große Debatte über Sexismus in der Gesellschaft im Allgemeinen und Sexismus in den Medien im Speziellen ausgelöst. Das ist auch der Plan für unsere Kampagne und das schaffen wir auch: Eine Debatte anstoßen und ein Netzwerk aufbauen.
Egal wie deine Kampagne gegen die Bild ausgeht – das Thema Alltagssexismus reicht leider weit darüber hinaus. Hast du neben dem Angriff gegen Bild schon Ideen, das wichtige Thema weiter zu in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken?
Da hast du leider völlig Recht. Und ich erhalte viele Nachrichten, in denen mir Betroffene von deren Erfahrungen mit Alltagssexismus berichten. Es ist mir auch schleierhaft, wie es passieren konnte, dass Sexismus derart stark verbreitet ist und in den großen Medien alltäglich zu finden ist. Ich habe in der Tat Ideen im Kopf, aber für den Moment konzentriere ich mich zusammen mit meinem Team darauf, Sexismus in der auflagenstärksten Zeitung zu bekämpfen – das scheint der effektivste und nachhaltigste Weg zu sein. Es wird aber auf jeden Fall keine Eintagsfliege.
Wie groß ist dein Team und wie sieht eure Arbeit jetzt ganz konkret aus?
Das Kernteam besteht momentan aus fünf Leuten. Beispielsweise haben wir gerade damit angefangen, das Netzwerk aufzubauen. Das verlangt einige Zeit und viele E-Mails. Dann werden wir noch die Facebook- und Twitter-Präsenz verstärken, und natürlich versuchen wir alles, um unser Anliegen bekannter zu machen. Da das nun alles so schnell ging, gibt es sehr viel zu tun. Aber ich weiß tolle Frauen und Männer an meiner Seite.