Kaum eine andere psychische Erkrankung wird in unserer Gesellschaft so missverstanden wie die Magersucht, die Anorexia nervosa. Schönheitswahn, Modekrankheit, krankhaftes Schlankeitsideal – das sind die Schlagworte, die viele mit dieser psychischen Krankheit in Verbindung bringen. Doch dabei werden die individuellen Geschichten vergessen, die hinter jeder Essstörung stehen. Tatsächlich sind die Verletzungen und Traumata genauso vielseitig wie die Ausprägungen und Formen.
Mit meinem Projekt „Heute sind doch alle magersüchtig“, das im Rahmen des VOCER Innovation Medialab entsteht, will ich genau diese kaum zu greifende Komplexität verdeutlichen, die Geschichten der Betroffenen erzählen sowie den wissenschaftlichen Forschungsstand beleuchten und analysieren.
Um die Individualität hinter den einzelnen Menschen zu verdeutlichen, habe ich bereits zum zweiten Mal gemeinsam mit den beiden Fotografinnen Nina Gschlößl und Lucia Tollens die Fotoreihe „Anorexie – Daily Essentials“ produziert. Auf den Fotos sind die wichtigsten alltäglichen Gebrauchsgegenstände von neun an Magersucht erkrankten Personen zu sehen:
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Franziska, 21, leidet seit 8 Jahren an Magersucht und Depressionen.
Zeichenpapier + Farbe/Pinsel, Knäckebrot mit Tomaten, Rasierklinge zur Selbstverletzung, Taschentücher, Teekanne, wärmende Socken
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Lisa, 18 seit drei Jahren leidet sie an Bulimie und Magersucht.
Melone, Haferflocken, Tee, App zum Kalorienzählen, Zigaretten, Magerquark, Notizen um eigenen Essverhalten, Zitronen, Cola
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Lena, 30, leidet seit 15 Jahren an Magersucht Purging Typ.
Feuchttücher zur Reinigung der Hände nach dem Erbrechen, Gummibärchen als einzige erlaubte „Sünde“
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Maja, 24, leidet seit 11 Jahren an Magersucht.
Cola light, Springseil zum Verbrennen von Kalorien, Zigaretten
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Petra, 21, litt 3,5 Jahre an einer Mischform aus Bulimie und Magersucht.
Naturjoghurt, Zigaretten, Äpfel, Kaugummis, Essprotokoll, Wasser
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Sarah, 25, leidet seit ihrem 3. Lebensjahr an einer Magersucht Purging Typ.
Gürtel zum Festhalten der Hose, veganer Schokokuchen, Handy zur Ablenkung, Asthmaspray
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Christina, 25, leidet seit 10 Jahren an Magersucht.
Große Wasserflasche, hartgekochte Eier mit Salz, Kaugummi, Tagebuch, Tee
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Lily, 28, leidet seit 16 Jahren an der Anorexie Purging Typ.
Sportschuhe, Gewichtsprotokoll, Löffel als Hilfsmittel zum Erbrechen, Abführmittel, Zettel mit den omnipräsenten Gefühlen, Rasierklinge + Deo zur Selbstverletzung
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Klara, 15, leidet seit 1,5 Jahren an Magersucht.
Cola Zero, Tee, Google zum Suchen von Kalorienwerten, Creme, die auf das Essen geschmiert wird, um es ungenießbar zu machen, Kaugummi, lose Zahnspange als Vorwand zum Nicht-Essen, „Pro-Ana“- (Pro Anorexia)Sprüche zur Motivation, Traubenzucker, Gummiband zur Ablenkung vom Hunger, Wasser
Das Projekt „Anorexie – Heute sind doch alle magersüchtig“ wird vom VOCER Innovation Medialab gefördert. Hier geht es zur Facebook-Seite. Hier geht es zur Website des Projekts. Die erste Fotostrecke gibt es hier.