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Ausbildung und Handwerkszeug

I.Präambel

Wer über Qualitätssicherung nachdenkt, muss überlegen, ob die Qualitätsstandards, die – vielleicht – existieren, noch zeitgemäß sind. In der Phase der Digitalisierung, einschneidend, intensiv und nachhaltig prägend, ist gut zu reflektieren, was Veränderungsprozessen unterworfen werden muss. Bei allem Ja zu positiver Veränderung – im Bereich der Ausbildung und des Handwerkszeugs ist vieles aus der vermeintlich guten alten Zeit weiterhin von Dauer.

II. (Mindestens) Vier Wege der Ausbildung

Journalistische Ausbildung geschieht auf vielerlei Wegen. Qualität kennt hier keine monolineare Struktur. Viele Wege führen nach Rom und so auch in den Journalismus. Viele Wege sind gut, eher erscheint mir wichtig, von den Wegen abzuraten, die (nur) vordergründig passen (könnten).

Nach einem ersten Hineinschnuppern in den journalistischen Alltag – durch ein Praktikum, eine freie Mitarbeit, eine Hospitanz – sollte gut überlegt werden, welcher Weg in die Ausbildung geeignet ist. Und das kann von Typ zu Typ unterschiedlich sein. Der früher häufiger zu findende – aber auch idealisiert dargestellte – Weg des Quereinstiegs ist heute schwieriger, fast unmöglich geworden. Ausnahmen gibt es immer wieder. Es funktioniert eben nicht, sich als Vorbild den universitären „Versager“ vor Augen zu führen, der zwar bei der akademischen Ausbildung gescheitert und ohne Abschluss ist, der es aber dennoch nach dem Motto des US-Klischees  „vom Tellerwäscher zum Millionär“ bis in die Topetagen der Medienhäuser gebracht haben soll. Das sind Träume.

Eine solide Ausbildung ebnet den Weg in den Journalismus. Heute mehr denn je, doch auch vor der Zeit der Digitalisierung war dies – kaum – anders. Doch – was ist eine solide Ausbildung? Im Wesentlichen sind drei Wege gut, solide und akzeptiert.

1. Ein Volontariat, von manchen gleichgesetzt einer „Lehre“, wenngleich ohne Berufsschulpflicht oder ähnlichem, ist praktische Ausbildung pur. Hier erfährt der Volontär oder die Volontärin in einem Medienhaus den journalistischen Alltag. Vieles darf man auch selbst schon machen, viele Ressorts kann man in der meist auf zwei Jahre angelegten Volontärszeit durchlaufen, crossmediales Arbeiten ist immer wichtiger. Theoretische „Unterfütterung“ erfährt der hier Lernende durch Seminare und Kurse, teils bei „in-house-Schulungen“, teil durch die Teilnahme an Veranstaltungen einschlägiger Akademien, mit denen das Medienhaus zusammen arbeitet.

Genannt seien hier – pars pro toto – die ABP Akademie der Bayerischen Presse und das Journalisten-Zentrum Haus Busch. Die Akademie Berufliche Bildung der deutschen Zeitungsverlage bietet Kurse und Schulungen an – dies sind dies nicht nur Ausbildungs-, sondern auch überbetriebliche Weiterbildungsangebote, ebenso ist hier die Hamburger Akademie für Publizistik zu nennen. Ihre eigenen Volontäre und Volontärinnen bildet u.a. die Günter-Holland-Journalistenschule der „Augsburger Allgemeinen“ oder die Axel-Springer-Akademie aus; letztere kann aber auch eingereiht werden unter dem hier genannten dritten Weg, sie nannte sich auch bis 2007 noch Journalistenschule.

Der Vorteil: passgenaue Ausbildung auf das, was ein Medienhaus braucht. Die Gefahr: Es handelt sich eben meist nur um EIN Medienhaus; bei in-house-Kursen kein Kontakt zu anderen Auszubildenden, kein medienhausübergreifender Austausch. Das Problem: häufig untertarifliche Bezahlung der Volontäre und Volontärinnen bei hauseigenen Akademien. Und bei überbetrieblichen Seminaren oft die Frage, ob der Arbeitgeber diese Weiterbildung bezahlt.

2. Der akademische Weg über Universitäten oder (Fach-)Hochschulen. Diese Ausbildung, wissenschaftlich angelegt und oft mit Praxis angereichert, kann gut sein, sie kann aber auch sprichwörtlich „in die Hosen gehen“. Die Geister scheiden sich in der Bewertung. Es gibt journalistische Studiengänge, Studiengänge der Kommunikations- und Medienwissenschaften, interdisziplinär angelegte Studiengänge und solche mit speziell auf ein Fachstudium in der Vertiefung ausgerichtete publizistische Studiengänge. Abschlüsse gibt es fast nur noch entsprechend dem Bologna-Prozess als Bachelor oder Master, Diplom und Magister Artium gehören bald der Vergangenheit an. Manche Absolventen promovieren, manche studieren über den Weg einer Fernhochschule.

Wer über FHs und Unis die Ausbildung sucht, muss Folgendes wissen: (Fach-)Hochschulen schon immer, Universitäten aber immer mehr öffnen sich der Praxis durch die „normative Kraft des Faktischen“. Wer praktisch anwendungsorientiert nichts kann, wird von den Medienhäusern nicht eingestellt. Viele aktive Journalisten wollen und fordern von dem jüngeren Nachwuchs Zusatzkompetenzen zum journalistisch-kommunikations-medienwissenschaftlichen Feld; etliche Medienhäuser goutieren ein Studium, setzen den Bewerbern aber noch als Auflage ein – möglicherweise verkürztes – Volontariat als praktische Bürde oder gar Hürde obendrauf.

Der Vorteil: Studieren schärft den Blick über den Tellerrand hinaus; interdisziplinäre Studiengänge sind oft hilfreich.

Die Gefahr: zu „verkopfte“ Absolventen. Daher:

Das Problem: Ein teils einjähriges Volontariat muss dennoch absolviert werden (zu natürlich anderen Gehältern als als Redakteur/in).

3. Journalistenschulen sind ein Weg „dazwischen“. Sehr begehrt, denn meist werden zu wenig Plätze angeboten, zum Teil sehr renommiert, um nur die (verlagsunabhängige) Deutsche Journalistenschule oder die (verlagsabhängige) Henri-Nannen-Journalistenschule zu benennen. Die Aufnahmeprüfungen sind auf hohem Niveau, einiges kann sicher vorher „trainiert“ werden, die Bewerber haben nicht selten vorher schon ein Studium abgeschlossen. Aber – immer wieder werden auch Kandidaten frisch von der Schule weg genommen – gerade im Hause Axel Springer ist man stolz, junge, ganz junge Talente auf diesem Weg zu fördern.

Der Vorteil: exzellente praxisorientierte Ausbildung, viele Dozenten aus der Praxis, die auch „Türöffner“ sein können.

Die Gefahr: keine.

Das Problem: keines, außer die Hürde, einen der begehrten Plätze zu ergattern.

4. Ein vierter Weg existiert. Er stellt eine Kombination aus den oben genannten Wegen dar, er ist eine exzellente Chance, universitär oder hochschulrelevante Journalistenausbildung ZEITGLEICH, nicht erst hintereinander, zu verzahnen mit einer längeren Phase eines Praxisbereichs, das einem Volontariat gleich kommt. Viele Studiengänge haben mindestens ein Semester Praxispflicht. Meist sind das 10 bis 16 Wochen. Der vierte Weg aber denkt an viele Monate, am besten mehr als ein Jahr der Praxisausbildung.

Realisiert wird dieser Weg z.B. an der Universität Dortmund. Hier funktioniert das so genannte Dortmunder Modell nach der Kombination von Journalismus-Studium plus integrierte Praxisphase von 15 Monaten Dauer plus explizit gefordertem Spezialfach, das man als Zweitfach studieren muss. Auch das Modell der Journalistik an der Katholischen Universität Eichstätt ist in dieser Kombination vorbildlich – und hoch angesehen. Berufsverbände hatten jeweils auch beratend mitgewirkt an der Genese dieser jeweiligen Modelle.

Neue Wege beschreitet auch der schleswig-holsteinische Zeitungsverlag sh:z in Zusammenarbeit mit der FH Kiel und einem dortigen berufsbegleitenden Master-Studiengang „Journalismus und Medienwirtschaft„; in drei Jahren haben diese Volontäre, die der sh:z praktisch ausbildet, sowohl Volontariat als auch einen (Weiterbildungs-)Master in der Tasche. Ein vorheriges Studium (i.d.R. ein Bachelor) muss mit einer Mindestnote absolviert worden sein. Ist das die zukunftsweisende Reform des Volontariats?

Der Vorteil: die Kombination von Theorie und Praxis durch FH und Medienhaus sh:z. Und – am Ende ein Master plus ein Volontariat.

Die Gefahr: sehr sehr lange Phase der gesamten Aus- und Weiterbildung.

Das Problem: Wegen der Tätigkeit als Volontär/in beim sh:z finden sehr viele Lehrveranstaltungen am Wochenende und online statt. Das ist mehr als anstrengend.

III. Handwerkszeug

Was aber ist nun das vielzitierte Handwerkszeug, das ein guter Journalist, eine gute Journalistin beherrschen muss?

Es tut sich zunächst einmal wenig an Veränderung in der und durch die digitalen Welt, fragt man hier die „basics“ ab. Das Rüstzeug gilt wie eh und je. Wer nicht sauber zwischen Meinung und Berichterstattung zu trennen vermag, ist nicht auf dem Qualitätsstandard, den die Branche zu dringend benötigt. Wertung ist zu kennzeichnen. Der User darf nicht in die Irre geführt werden. Beispiele einer unsäglichen Verquickung sind keine Argumente für Seriosität und Qualität.

Die journalistischen Darstellungsformen müssen beherrscht werden. Qualität bedeutet nicht altmodische „Zopfigkeit“. Aber der Drang so mancher Journalisten, wirklich überall ungefragt und ungekennzeichnet ihren „Senf“ dazugeben zu müssen, ist unerträglich – und ohne Qualität.

Wer als Edelfeder geboren ist, tut sich leicht. Für alle anderen, und das ist sicher die Mehrheit, gilt: Guter Umgang mit Sprache und Stil kann erlernt werden. Solide.

Was in der digitalen Welt unbedingt zum Handwerkszeug gehört, ist die crossmediale Ausbildung. Das Handwerkszeug erschöpft sich nicht an der Kenntnis, wie Print „tickt“ oder Fernsehen. Technischer Grundverstand und – da dieser nicht in die Wiege gelegt ist – das Erlernen von Grundkenntnissen – fern jeglichen Ingenieursstandards – spielen eine wichtige Rolle im täglichen Tun der Journalisten.

„Netzwerk Recherche“, aber auch der DJV fordern zu Recht, in Analogie zum Deutschen Presserat, die exakte Trennung von Journalismus und PR. Wer werblich schreibt, muss selbstredend auch qualitativ hochwertig formulieren, aber: Das ist Auftragspublikation. Und das ist Journalismus eben nicht.

IV. Was fehlt…

…das ist zum einen das klare Bekenntnis auf Seiten der Unternehmen wie der Bildungseinrichtungen, Qualität zu halten, zu steigern, zu fordern und zu fördern. Allmählich greift die Erkenntnis um sich, dass Qualität nicht nur eine Pflicht der -verzeihen Sie das altmodische Wort – Tugend im Journalismus ist, der Verantwortung gegenüber den Personen und Gegenständen und Ereignissen der Berichterstattung einerseits und der Verantwortung gegenüber den neudeutsch Usern andererseits, sondern dass Qualität auch nachhaltig kommerziellen Erfolg bringen wird.

…das ist zum anderen die Einsicht, dass Bildung in einem rohstoffarmen Land wie Deutschland eines der höchsten Güter ist, die man nicht (nur) verkommerzialisieren darf. Die Politik, die Bildungspolitiker tun gut daran, „ihre“ eigenen staatlichen Bildungsstätten fit zu halten und so manch wichtige Bildungsaufgabe nicht einfach den privaten Bildungsträgern allein zu überlassen. Begonnen als ökonomisch durchaus zu akzeptierende Genehmigungspraxis, auch geschuldet den Studentenbergen, zeigt sich heute, dass viele private Hochschulen und Universitäten den staatlichen den Rang ablaufen durch a) schöne Gebäude und b) gutem Equipment und c) unternehmerischem Management. Schauen Sie einmal so manche Gebäudlichkeit des Staates an – der junge Mensch auf der Suche nach einer akademischen Ausbildung hat ja nicht am ersten Tag seines Interesses an und seiner Suche nach einem Studiengang die Kompetenz oder Unfähigkeit von Dozenten (die es überall gibt) vor Augen. Er schaut auf die Räume, deren Ausstattung… Staatliche Bildungseinrichtungen müssen dem Staat etwas wert sein.

… das ist der Druck gegenüber den Medienhäusern, die – rein aus finanziellen Gründen – eine Ausbildung von Volontären und Volontärinnen enorm in die Länge ziehen, weil sie, so deren vordergründiges Argument, auch crossmedial ausbilden. Viele Auszubildende sind abzüglich der wenigen Wochen echter Lernzeit außerhalb der Medienhäuser eben doch billige Arbeitskräfte.

…das ist der Druck der Politik und der Gesellschaft, mehr auf Qualität zu setzen denn auf populistisch aufbereitete Schlagzeilen. Wenn Meinung nur noch, überspitzt formuliert, in unsäglichen Talkformaten verbreitet wird, läuft journalistisch etwas schief.

…das ist die breite Erkenntnis, dass gute Journalisten nicht einfach PR-Texte übernehmen dürfen. Noch immer werden PR und Journalismus nicht sauber getrennt. Kurzfristig die journalistische Glaubwürdigkeit und langfristig das eigene journalistische Fortkommen werden zerstört.

V. Was kommt…

…das ist die definitive Erkenntnis, dass nur Qualität in dieser medienkonvergenten, multi-medialen im Wortsinn gedachten, vielschichtigen Medienwelt Bestand haben wird, Käufer und Kunden, Interessenten und im positiven Sinne Neugierige finden wird.

…das ist die Einsicht, dass medialer Einheitsbrei nicht nur gesellschaftsschädlich, sondern demokratieschädlich ist. Immer mehr User wenden sich Qualitätsprodukten des Journalismus zu.

…das ist die Einsicht, dass fern von derzeitigen und überlegten Modellen der pay-walls etc. die Menschen bereit sind, für Qualität zu bezahlen. Apps, die Qualität bieten, werden gekauft. Ganz bewusst. Die Qualitätssicherung und -steigerung muss in der Ausbildung verdichtet werden. Qualitätsjournalismus ist Chance und Herausforderung zugleich.

VI. Plädoyer für eine positive Nabelschau

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, dass das, was landläufig über die Krise im Journalismus geschrieben und gesagt wird, von den Medien selbst verbreitet wird? Genüsslich manchmal, ausschweifend, mit einem Hang zur Selbstzerstörung? Qualitätsjournalismus ist auch, den Usern zu verdeutlichen, was sie an Gutem erhalten. Die negative Nabelschau muss auf Seiten der Journalisten ebenso enden wie die – unkommentierten – Äußerungen regionaler Verleger, die sich auch noch brüsten, dass sie nur 80 bis 90 Prozent des eigentlich für Bayern geltenden Tariflohns bezahlen (s. Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 10. Dezember 2012, S. R16, über das „Straubinger Tagblatt“). Wenn begabte junge Leute sich eher PR denn Journalismus zuwenden, weil die negativen Schlagzeilen sie abschrecken, dann läuft etwas schief.

Wer die Medienkompetenz schärft, und das über alle Generationen hinweg, dem muss um die Zukunft der Qualitätsmedien (regional wie überregional) nicht bange werden.