Beschränkter Zutritt
„Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtskenntnisse“, pflegte ein bekannter Jura-Professor seinen Studentinnen und Studenten zu empfehlen, wenn sie sich zu rechtlich nicht ganz einfachen Sachverhalten äußern sollten. Diese Empfehlung könnte man ungeprüft an Politiker und Journalisten-Funktionäre weiterreichen, die sich derzeit zur Frage der Gerichts-Öffentlichkeit im bevorstehenden NSU-Verfahren mit starken Worten („Losbude“) äußern.
Ergänzen könnte man die Empfehlung noch um den Hinweis, vielleicht doch einmal nachzuschlagen, ob sich nicht das Bundesverfassungsgericht schon einmal mit der Frage der Akkreditierung von Journalisten in Großverfahren beschäftigt hat. Und siehe da: es hat. Am 30. Oktober 2002. Das Gerichtsverfassungsgesetz, so die Roten Roben in Karlsruhe, schreibe den Grundsatz der Gerichtsöffentlichkeit fest. Die Ordnung in der jeweiligen Sitzung aufrecht zu erhalten, obliegt dabei dem Vorsitzenden. Er ist auch derjenige, zu dessen Befugnissen es gehört, nähere Regeln für den Zugang zum Sitzungssaal zu erlassen.
Das umfasst auch die Verteilung knapper Sitzplätze an Journalisten. Kann zum Beispiel ein Journalist den Gerichtssaal wegen Überfüllung nicht betreten, ist dies kein Eingriff in die Rundfunkfreiheit des Art. 5 des Grundgesetzes. In ihrer Entscheidung machen die Verfassungsrichter in Karlsruhe klar, was einige Kritiker zu vergessen scheinen: Hauptzweck einer mündlichen Verhandlung ist auch in einem aufsehenerregenden Strafverfahren dessen Durchführung, nicht die Sicherung der Berichterstattung.
Ob allerdings die Akkreditierungsbestimmungen für Journalisten in der Verfügung des Oberlandesgerichts München vom 04. März 2013 in einem wichtigen Punkt verfassungsrechtlicher Nachprüfung standhalten würden, könnte durchaus zu bezweifeln sein. Die Münchener Richter haben die Akkreditierung für Journalisten nach dem Motto vorgenommen: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“. Eine Vorgabe, wie sie auch das Bundesverfassungsgericht in abgeschwächter Form macht.
Zeitvorgabe bekannt
Bei den großen Entscheidungen zum Europäischen Stabilitätsmechanismus beispielsweise blieb trotzdem für ausländischen Korrespondenten immer noch Platz. In München sind die Platzverhältnisse eindeutig beengter. Reicht es dann aber aus, wenn der Vorsitzende Richter des NSU-Verfahrens in seine Verfügung schreibt: „Akkreditierungsgesuche, die den obigen Anforderungen [gemeint ist die Anmeldefrist] nicht entsprechen oder nach Ablauf der Frist eingehen, können nicht berücksichtigt werden“? Alle Journalisten, alle Zeitungen kannten diese Zeitvorgabe.
Warum haben es zum Beispiel das „Nederlands Dagblad“ und „De Telegraaf“ aus den Niederlanden auf die ersten 50 Plätze geschafft, die einen Sitz im Gerichtssaal garantieren? Warum hat es die türkische Zeitung „Hürriyet“ nicht geschafft? Die Ausgangsbedingungen waren für alle gleich. Zumindest dieses Argument muss sich die Zeitung entgegenhalten lassen.
Ein Einwand könnte allerdings schwer wiegen: auch türkische Medien müssten in diesem Prozess vertreten sein, da acht der zehn Opfer türkischstämmig gewesen seien. Hier könnte der Vorsitzende Richter des NSU-Verfahrens tatsächlich noch ins verfahrensrechtliche „Stolpern“ kommen.
Im Jahre 2002 schrieben die Karlsruher Verfassungsrichter in ihren Beschluss: „Im vorliegenden Zusammenhang bedarf es keiner Klärung, ob Situationen vorstellbar sind, in denen eine Differenzierung zwischen verschiedenen Typen der Medien oder verschiedenen Medienunternehmen verfassungsrechtlich zulässig und zugleich geboten ist.“ Das OLG München sollte über diesen Satz des Verfassungsgerichts noch einmal nachdenken. Dann bedarf es keiner verfassungsrechtlichen Klärung.