Selbst interessierte Beobachter sind überfordert: Was bisher in Deutschland über den Prozess mit dem Angeklagten Anders Behring Breivik in Oslo geschrieben, gesendet, gebloggt wurde, lässt sich nur noch punktuell aufnehmen. Wer aber will, kann jeden Tag im Internet den Prozess minutengleich verfolgen.

Unverkennbar dabei der Versuch, die unfassbaren Dimensionen dieses Strafprozesses medial einzuordnen. Mit Ausnahmen! Ob die selbstauferlegte Zurückhaltung bis zum Urteil halten wird, oder ob der Auflagendruck der Zeitungen und der Quotendruck der elektronischen Medien spätestens zum Urteil hin wieder alle Dämme brechen lässt, bleibt abzuwarten; denn die Einmaligkeit dieses Verfahrens zeigt sich nicht nur in den Taten eines Massenmörders, sondern auch in Kleinigkeiten der Berichterstattung.

So hat „Die Zeit“ einen lesenswerten Artikel einer bekannten norwegischen Journalistin übernommen („Töten, um zu reden“), um ihn mit dem Hinweis zu ergänzen, dass die Journalistin „vor allem als Kriegsreporterin gearbeitet hat“. Das lässt durchaus die Assoziation aufkommen: Massenmord – Krieg – Opfer. Und um Letztere wird es in den nächsten Tagen gehen. Um die Hinterbliebenen der Opfer und die 46 Überlebenden der Anschläge von Oslo und Utoya.

Der bisher geschilderte souveräne Umgang des Gerichts mit dem Täter lässt vermuten, dass die norwegischen Richter auch bei den Vernehmungen und Aussagen der Betroffenen und Hinterbliebenen den Spagat zwischen kühlem Aufklärungsfaktor und emotionalem Aufgewühltsein schaffen werden. Zwei Dinge scheinen dabei bemerkenswert: Die Verteidiger des Angeklagten betreiben für den Angeklagten keine „Kampfverteidigung“. Ruhig und ohne prozessuale Aufgeregtheit wurde ein Laienrichter ausgetauscht. Er wurde  wegen einer Äußerung im Internet, der Angeklagte habe die Todesstrafe verdient, von seinem Amt entbunden.

Trotz der Äußerung des Angeklagten, dass er das Gericht nicht anerkenne, stellten die Verteidiger keinen Befangenheitsantrag gegen die Strafkammer. Die Hinterbliebenen der Opfer und die Überlebenden dürften nach allem daher wohl auch von Seiten der Verteidiger ein faires Verfahren erwarten.

Garantie eines fairen Verfahrens

Das Gericht hat den Opfern schon frühzeitig indirekt Schutz gewährt. Der Prozess wird in 16 Gerichtssäle in ganz Norwegen übertragen, was in Deutschland rechtlich nicht möglich wäre. So aber können alle Betroffenen möglich, so sie denn wollen, den Prozess in ihrer näheren Umgebung verfolgen. Sie müssen nicht nach Oslo fahren, sich nicht ihren Weg durch einen Pulk von Kameras und Journalisten vor und im Gerichtsgebäude in Oslo bahnen. In solchen Situationen helfen dann auch keine Aufkleber „Bitte keine Interviews“.

Was das norwegische  Gericht gegenüber den Opfern leisten kann, ist die prozessuale Garantie eines fairen Verfahrens. Dazu gehört auch der Ausschluss der Fernsehkameras aus dem Gerichtssaal. Das Gericht muss aber auch nicht – jedenfalls ist das in Deutschland möglich und der norwegische Strafprozess ähnelt ihm – jede Tat bis in alle Einzelheiten aufklären, wenn es merkt, dass ein Opfer überfordert ist.

Fraglich ist nur, ob sich die Medien auch daran halten.