Braune Flecken im Internet
Würde auf Facebook über die Ergebnisse der Bundestagswahlen entschieden, so sähe es gar nicht so schlecht aus für die rechtsextreme NPD. Die „Gefällt-mir“-Angaben von knapp 42.000 Klicks auf der Seite des Parteiverbandes können sich neben den demokratischen Parteien Die Linke (41.000), Bündnis 90/ Die Grünen (42.000), CDU (46.000) und SPD (56.000) durchaus sehen lassen. Getoppt wird die rechte Partei aber am ehesten von ihrem rechtskonservativen Äquivalent, der „Alternative für Deutschland“ (69.000). Die NPD hat ein neuen, für die Wahlen optimierten Internetauftritt, diverse Facebook-Profile, einen YouTube-Kanal und einige Twitteraccounts, um die Wähler auch im World Wide Web zu erreichen. Wie erfolgreich ist die Partei damit?
Schaut man auf die vielen von NPD-Mitgliedern veröffentlichten Bilder und Blogartikel, Webseiten und Facebook-Profile über vermeintlich erfolgreiche Wahlkampfauftritte, erhält man ein trügerisches Bild: Seit mehreren Wochen macht die NPD Wahlkampf. Auf ihrer „Deutschlandfahrt“ bereist die Partei nahezu jede Stadt und Gemeinde, in der sie zu den Bundestagswahlen antreten will.
Fast flächendeckend in der ganzen Bundesrepublik treten die Möchtegern-Biedermänner, jungen Neonazis, Altnazis und andere Rechtsextreme für die Partei an. Und egal wo sie hinkommen, Aufmerksamkeit ist ihnen sicher: Protestierende Antifaschisten, die spontanen Aufrufen – natürlich im Web 2.0 – folgen. Und auch die Presse, die die rechte Propagandatour selten umkommentiert lässt, ist überall dort, wo die NPD ihre Infostände aufbaut.
Hauptsache Aufmerksamkeit
Es passt zur Strategie der NPD, auch negative Berichterstattung und Proteste für sich umzudeuten. Die Parteispitze weiß: Jede Schlagzeile, sei sie noch so schlecht, bringt die NPD ins Gespräch. Mit wenig Aufwand soll die maximale Aufmerksamkeit erreicht werden, beschrieb es Bundesvorstandsmitglied Ronny Zasowk. Es geht letztlich darum, diese für sich zu nutzen. Eines von Dutzenden Beispielen macht es deutlich: Als die NPD Mitte Mai im südthüringischen Sonneberg demonstrierte, regte sich vehementer Widerstand gegen die 80 Demonstrationsteilnehmer. Dennoch stellte Patrick Wieschke, Spitzenkandidat für die NPD Thüringen, den lautstarken Protest von mehreren hundert Gegendemonstranten als „öffentliches Interesse“ an seiner Partei dar.
Im Web 2.0 bewegen sich die Partei und ihre Aktivisten zunehmend selbstsicherer: Fast jeder Landesverband ist auf Facebook vertreten, Parteichef Holger Apfel hat einen eigenen Twitter-Account, auf dem täglich mehrere Nachrichten erscheinen. Auf die Internetseite des Bundesverbandes wurde eine Unterseite für die Wahlen gesetzt, mit schicken animierten Grafiken.
Der Twitter-Account der NPD wird mehrmals täglich bespielt: mit Meldungen zur „Deutschlandtour“ oder zur aktuellen Situation in Berlin-Hellersdorf. Dort mischt der Berliner NPD-Verband bei rassistischen Protesten aktiv mit. Berichte sehen dann zum Beispiel so aus: Zwei bis drei gestellte Bilder von strahlenden Kandidaten, treuen Fahnenträgern und stapelweise Infomaterial. Am Bildrand noch zu erahnen: Menschen mit Schildern und Transparenten, die ihren Protest gegen die Partei zum Ausdruck bringen. Doch den Protest blendet die Partei aus oder verkauft ihn – wie in Sonneberg – als interessierte Öffentlichkeit. Wenn es aber zu groben Störungen ihrer Veranstaltung kommt, dann stellt man sich eben als Opfer der „Möchtegern-Demokraten“ (Zitat Parteichef Holger Apfel in Pforzheim) dar.
Viel Schönrederei
So auch geschehen bei einer Wahlkampfkundgebung in Aschaffenburg, gegen die etwa 400 Menschen protestierten. Dort wurden 13 NPD-Mitglieder, darunter Parteichef Holger Apfel, wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung von der Polizei in Gewahrsam genommen. Laut „Spiegel Online“ wurde ein Passant von einem NPD-Ordner mit einem Feuerlöscher besprüht. Schwer, diesen Vorfall als Erfolg zu verkaufen. Doch am Ende sind die anderen schuld und die NPD wieder einmal Opfer eines „entfesselten Irrsinns“ (NPD Bayern). Aber so sieht der Wahlkampf der NPD aus: viel Schönrederei. Zum Erfolg werden dann vor allem jene Veranstaltungen, bei denen sich niemand blicken lässt – kein Gegenprotest, aber auch sonst kein Mensch weit und breit. Was für andere Politiker eine Horrorvorstellung ist, deutet die NPD um in ein „ungehinder[es]“ Lauschen der Redebeiträge“ (NPD Barnim).
Beim genaueren Blick auf Kommentare, Likes und andere Reaktionen bröckelt die Fassade des erfolgreichen Wahlkampfes: Für die Bundestagswahl hat die Partei eine eigene Veranstaltungsseite bei Facebook eingerichtet – mit gerade einmal 64 Likes. Auch auf dem Youtube-Kanal „Offensiv TV“, der das Werbevideo der NPD zur Wahl zeigt, sieht der Wahlkampf weniger rosig aus. Denn die Internetcommunity wehrt sich gegen die Neonazis: Zwar haben bereits 90.000 Menschen den Wahlwerbespot gesehen, doch die Likes zeigen: 400 sind dafür, über 1500 machen ihre Ablehnung deutlich.
Das Image bröckelt
Und das sind längst nicht alle: Diverse Online-Kampagnen wie „Kein Bock auf Nazis“ sprechen sich gegen die rechtsextreme Partei im Web 2.0 aus. Selbst auf der NPD-Veranstaltungsseite treffen sich Gegner und Befürworter der Partei zum Schlagabtausch. Neben dem direkten Widerspruch gegen Nazis im Web gibt es auch Internetprojekte, die die Hintergründe der NPD und ihren Kandidatinnen recherchiert haben. Auf dem Online-Atlas „Rechtes Land“ sind alle Kandidaten der NPD zusammengetragen und mit Hilfe der Recherchen antifaschistischer Projekte ergänzt.
Es zeigt sich: Die Personaldecke ist bis ins Letzte ausgereizt und letztlich sind es nur wenige aktive Funktionäre, die die Republik bereisen. Webportale wie „Kombinat Fortschritt“ aus Mecklenburg Vorpommern, „Inforiot“ aus Brandenburg oder dem Bremer „Schattenbericht“ haben Informationen zu den Kandidaten aufgespürt, die ihren politischen und persönlichen Hintergrund zeigen. Damit bröckelt das Biedermann-Image der Partei, deren Aktivisten aus verbotenen Organisationen wie der Wiking-Jugend oder der Heimattreuen Deutschen Jugend stammen, vorbestrafte Schläger sowie Rechtsrocker und Betreiber von Neonaziläden sind.