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Crossmedial, multimedial, socialmedial

Egal wie sehr das neue Medienzeitalter unseren Berufsstand verändert – die journalistischen Qualitätsansprüche und -kriterien haben weiter Priorität. So viel zur Sicherheit vorweg. Kritische Distanz, sorgfältige Recherche, Informantenschutz, ausgewogene Berichterstattung, solides Fact-Checking vor der Veröffentlichung sowie Fairness gegenüber Interviewpartnern und den Menschen, über die berichtet wird, prägnantes und korrektes Formulieren – das alles bleibt die Basis seriöser Medienarbeit, egal ob in Print, audiovisuellen Medien oder online.

Daran ändert auch das Internet mit seinen neuen Darstellungsformen nichts. Das ist die erste gute Nachricht.

Die zweite lautet: Das Internet erweitert das Spektrum der journalistischen Darstellungsformen immens, stellt uns neue Erzählweisen zur Verfügung und vermehrt die publizistischen Möglichkeiten von Journalisten, die bisher nur mit ein oder zwei Medien gearbeitet haben.

Das Internet revolutioniert die Medienlandschaft: Es kann gleichzeitig Zeitung, Magazin, Radio- und Fernsehstation sein. Durch die Kombination von Text, Bild, Ton und Video entstehen völlig neue Darstellungsformen. Doch jeder Journalist sollte sich überlegen, welchen Teil seiner Geschichte er mit welchem Medium erzählt, um die Stärken der einzelnen Medien zu nutzen (schön übersichtlich dargestellt im Cheat Sheet von Regina McCombs und Mindy McAdams).

Cross-Media, ein neues Selbstverständnis

Da fast alle Journalisten in Zukunft (auch) online arbeiten werden, ist es für Berufeinsteiger sowie für Umsteiger aus den klassischen Medienbereichen Fernsehen, Radio und Print notwendig, die Arbeits- und Produktionsweisen im Internetjournalismus zu lernen und zu beherrschen. Dafür ist es nicht nötig, Computerfreak oder als technischer Redakteur ausgebildet zu sein. Aber Onlineredakteure sollten sich mit dem Handwerkszeug des Webmasters und Grafikers so gut auskennen, dass sie wissen, was umsetzbar ist. Und sie sollten die – häufig aus dem Englischen entlehnten – Begriffe kennen, die in der Onlinewelt zum alltäglichen (nicht fachspezifischen) Jargon gehören.

Multimedial erzählen heißt, verschiedene Medien je nach Aussageziel einzusetzen, zum Beispiel in einer multimedialen Anwendung wie „13 Seconds in August“ auf startribune.com oder im Fall eines nachrichtlichen Beitrags Text ergänzt durch Videos, Audios und Fotos. Auch Audioslideshows (mein Lieblingsbeispiel der „New York Times“: „Remembering Eleanor„) gehört dazu oder interaktive Infografiken wie „Blue Whale“ von nationalgeopgraphic.org, Datenjournalismus und vieles mehr.


Neues Denken – Feedback nach einem Seminar „Crossmediales Arbeiten“

„Ich habe eine andere Art zu denken kennengelernt.“
„Hier habe ich begriffen, dass Multimedia wirklich und tatsächlich die journalistischen Möglichkeiten erweitert.“
„Ich werde versuchen, das multimediale Denken mit in den Alltag zu nehmen, jetzt bin ich jedenfalls total euphorisiert.“
„Ich bin voller neuer Ideen und total inspiriert – und habe jetzt das Gefühl, dass ich ein paar Sachen echt schon kann. Das ist toll. Und ich werde gleich loslegen mit meinem Blog.“


Crossmediales Arbeiten bedeutet, auf verschiedenen Ausspielwegen und Publikationsplattformen zu berichten, zum Beispiel Text und Fotos in der Zeitung, Umfrage und Audioslideshow im Internet, Filmbeiträge und Experten-Diskussionsrunde im Fernsehen, begleitet durch Posts und Diskussionen auf Facebook. Ein schönes Beispiel auf der Website von Arte: Gaza-Sderot. Oder die Berichterstattung der „Badischen Zeitung“ über Bundeswehrsoldaten im Kosovo (hier die Onlineberichterstattung).

Das Internet mit seinen vielfältigen Publikationsmöglichkeiten verändert auch die Rolle und das Selbstverständnis von Journalisten und Medienkonsumenten immer mehr.

  • Jede und jeder kann bei YouTube ein Video hochladen. Redakteure müssen zudem in der Lage sein, die Quelle zu verifizieren.
  • Wer will, kann auf Facebook, bei Google+ oder in der Kommentarspalte von Onlineportalen seine Kommentare posten. Redakteure sollten versiert sein im Community-Management, die sozialen Netzwerke als Recherchetool und -pool nutzen und Themen, Anregungen und Fragen gezielt setzen können, die sie an ihre User herantragen.
  • Wer mag, twittert privat oder beruflich oder beides. Wer genug zu sagen hat (und nicht nur dann), schreibt sein eigenes Blog. Publikationen im Netz sind keine Parallelwelt von digitalen Freaks, sondern eine Erweiterung unserer sozialen Umwelt. Und Journalisten sollten dort sein, wo ihre Leser und Zuschauer bereits sind.

Leser und Zuschauer werden zu Publizisten und gestalten „ihre“ Medien. Am besten hat das Jay Rosen, Professor für Journalistik an der New York University, auf den Punkt gebracht: Er spricht von „The People Formerly Known As The Audience“, kurz und so auch über Suchmaschinen zu finden: TPFKATA. Das alte Sender-Empfänger-Modell – sendende Journalisten, empfangendes Publikum – ist im Netz ausgehebelt. Das erfordert einen neuen Umgang mit den aktiven Nutzern.

Die dritte gute Nachricht

Das macht Journalisten im Netz jedoch nicht überflüssig. Denn sie halten sich bei seriösen Medien an die oben genannten professionellen Standards. Zudem können sie ihr Know-how nutzen, um Informationen im Netz zu recherchieren und Orientierung zu geben im World Wide Web. Im Idealfall beobachten sie die Quellen auf möglichst vielen Kanälen – sowohl der herkömmlichen Medien und Organisationen als auch im Social Web über Blogs, YouTube, Flickr, Twitter und so weiter, die Liste ist lang. Sie sichten möglichst viel, wählen aus und tragen es für die Berichterstattung zusammen. Dabei geht es darum, Wichtiges zu identifizieren, sobald es verfügbar wird.

Die Redakteure, die für ein Onlineportal verantwortlich sind, müssen die Herkunft und Echtheit des Materials prüfen, es in den Kontext der Berichterstattung einordnen und entsprechend kennzeichnen. Für alle Betrachter muss nachvollziehbar sein, von wem bzw. woher das publizierte Material stammt. Dafür sind Wissen über die Funktionsweise der verschiedenen Plattformen und Fremdsprachenkenntnisse notwendig.

Es gibt also viel zu tun und zu lernen.

Die dritte gute Nachricht: Es macht Spaß!