Der Visionär – Hannes Klöpper über die digitale Universität
Hannes Klöpper ist Mitbegründer des Start-ups iversity, das sich die digitale Revolution der Hochschullehre auf die Fahnen schreibt. Eine Plattform für Online-Hochschulkurse soll die notwendige Infrastruktur bieten, eine länderübergreifende Online-Universität Wirklichkeit werden zu lassen. In MOOCS (Massive Open Online Courses) wird den Nutzern in kleinen Sinneinheiten das Wissen einer Vorlesung in Videoform vermittelt. Dazwischen sind interaktive Übungen geschaltet. Klöppers Vorbild ist der Stanford-Professor Sebastian Thrun. Mit seiner Onlinevorlesung „Einführung in die künstliche Intelligenz“ erreichte Thron weit mehr als 100.000 Rezipienten und gründete anschließend die kommerzielle Online-Universität Udacity. Mit dem Start-up iversity entwickeln Klöpper und sein Team ein europäisches Pendant. Wir sprachen mit Hannes Klöpper über das Lernen, die Zukunft der Hochschulen und die Triebfeder der Start-up-Generation.
VOCER: Welche Vision hat iversity?
Hannes Klöpper: Die Digitalisierung der Bildung. Wir wollen eine Plattform schaffen, auf der man aus tausenden Lehrangeboten auswählen und damit online das studieren kann, was man möchte und dabei sogar noch Punkte für seinen Abschluss sammelt. Die besten Lehrenden haben die Möglichkeit, Studierende weltweit zu erreichen. Wir wollen einen niederschwelligen Zugang zu allen Wissensgebieten und deren qualitativer Aufbereitung schaffen. Kritiker sagen, dass auch öffentliche Bibliotheken einen freien Zugang zum Wissen der Welt bieten. Doch die wenigsten von uns sind so autodidaktisch veranlagt, dass sie sich alles selbst aus Büchern beibringen können. Deshalb wollen wir gute Lehre frei und zeitgemäß zugänglich machen und auch die Frage neu stellen, was gute Lehre überhaupt ist.
Was ist gute Lehre?
Ich möchte es mir nicht anmaßen, allein darüber zu urteilen. Dafür haben wir eine Schar an Lehrenden auf der Plattform. Die akademische Koryphäe mit mehrjähriger Forschungsreputation muss aber didaktisch nicht der beste Lehrende sein, sondern vielleicht eher der Mathematikprofessor aus Bielefeld.
Warum haben die Hochschulen so lange gebraucht, das Internet für sich zu entdecken?
Genau das habe ich mich auch gefragt und hat mich bewogen, mir mehr Gedanken darüber zu machen. Hochschulen sind sehr konservative Institutionen. Das Skurrile ist: Das Internet wurde ursprünglich erfunden, um den Austausch und die Kooperation in der akademischen Welt zu erleichtern. In jedem denkbaren Gebiet in unserer Gesellschaft hat sich dieser Gedanke der Vernetzung inzwischen durchgesetzt, nur die Hochschulen haben noch alle ihr eigenes kleines Internet, an dem sie rumdoktern.
Gerade sind MOOCS in aller Munde und werden als Beginn einer Bildungsrevolution gefeiert. Woher kommt plötzlich der Hype?
Ich denke dass verschiedene Sachen zusammenkommen, die die aktuelle Entwicklung begünstigen: Die Kosten der Produktion und Bereitstellung von Videos sind dramatisch gefallen und zeitgleich ist die Verbreitung der Breitbandanschlüsse wesentlich gestiegen. Die wirklich geniale Idee von Sebastian Thrun war aber, Mechanismen, die im Consumer Web bereits funktioniert haben, nun im Bildungsbereich sinnvoll zum Einsatz zu bringen. Das sind Konzepte, die sich Leute ausgedacht haben, um Produkte zu verkaufen und mit der Informationsflut, die dem Web inhärent ist, umzugehen.
Warum entstanden die neuen Technologien nicht in den Hochschulen, sondern hatte die Wirtschaft die Nase vorn?
Es herrscht nicht der gleiche Effizienzdruck. Es gibt sicher viele Dinge, die man am Kapitalismus kritisch sehen kann, aber die Profitmotivation bewirkt, dass im privatwirtschaftlichen Sektor alle möglichen neuen Ideen und Konzepte für das Web entwickelt werden – nicht vom Staat oder Institutionen wie den Hochschulen.
iversity soll Bildung für alle online frei verfügbar machen. Warum sind so viele Start-ups von der Idee getragen, die Welt zu verbessern? Ist die neue digitale Szene politischer?
Ja – ich glaube das ist eine Generationenfrage. Damals in den 50er, 60er Jahren war es cool, wenn einem alles egal war. Heute ist es cool, wenn du dich in irgendeiner Form engagierst und dir nicht alles egal ist. Sei es in einer NGO oder eben auch als Unternehmer. In unserer Generation findet eine andere Prioisierung statt: Materielle Sicherheit ist nicht länger das dominierende Thema, sondern Autonomie und der Wunsch, irgendwas zu tun, was einen Sinn hat und für unsere Generation wichtig ist. Das äußert sich in der aktuellen Gründungswelle: Das Unternehmertum hat eine enorme Renaissance durch die Start-up Kultur erfahren.
Passen Geschäft und soziale Verantwortung überhaupt zusammen?
Es ist eine deutsche Diskussion, das als Gegensatz aufzuziehen. Ich habe dazu bei einem Kongress eine sehr interessante Aussage gehört. Ein Teilnehmer aus Indien sagte: „Ich verstehe die Idee von sozialem Unternehmertum nicht. Jeder Unternehmer ist sozial, weil er einen Mehrwert für jemanden schafft“. Ich finde, das geht etwas zu weit, aber den Gedanken interessant, zu sagen: Wenn andere Leute etwas als so wertschöpfend empfinden, dass sie dafür zahlen, dann schafft das einen Mehrwert und hat damit auch einen sozialen Nutzen. Unternehmertum und ein sozialer Gedanke kann damit durchaus Hand in Hand gehen. In unserem Fall tut es das in besonderem Maße.
Was macht den besonderen Reiz eines Start-ups aus?
Start-ups machen etwas grundsätzlich Neues und leisten damit einen Beitrag, den noch kein anderer leistet. Dieser Wunsch, eine Innovation in die Welt bringen, ist das, wovon Leute im Start-up Bereich beseelt sind. Jeden Tag muss man Probleme lösen, die so vorher noch niemand hatte. Es gibt keine Experten, die du fragen kannst. Das ist das Spannende und Interessante daran, zugleich aber auch die Herausforderung, vor der man jeden Tag aufs Neue steht.