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Die Theater-Republik (Erklärer)

Sexismus-Anklagen, Plagiatsverdächte, Korruptionsvorwürfe und Rücktrittsgesuche – die Liste der menschlichen Verfehlungen von Politikern, die sich in den sozialen Medien blitzschnell zu politischen Shitstorms zusammenbrauen, wird länger. Zweifellos ist die politische Kommunikation im Digital Age besonderen Fliehkräften ausgesetzt, die kaum noch kontrollierbar, geschweige denn steuerbar sind: Dank Schwarmintelligenz und digitaler Debattenkultur erscheinen die Halbwertszeiten von Politikerkarrieren immer kürzer, der Reflex einer öffentlichen Hinrichtung im Internet immer gnadenloser. Andererseits stimulieren die partizipativen Möglichkeiten den politischen Diskurs und verändert damit die Geistesverfassung des elitären Politikbetriebs grundlegend. Dabei stellt die gelebte Basisdemokratie im Netz unsere Volksvertreter gerade im Wahlkampf vor ungeahnte Herausforderungen.

Doch welchen konkreten Nutzen ziehen deutsche Parteien aus der Netzkommunikation für den bevorstehenden Bundestagswahlkampf? Welche Rolle spielt die Internet-Öffentlichkeit bei der Mobilisierung für politische Kampagnen? Wie beschleunigen Shitstorms und Candy-Storms das viel beschworene Spannungsverhältnis zwischen den journalistischen und politischen Akteuren? Wie wirkt sich der gestiegene Zeitdruck durch die modernen Kommunikationsmittel auf unserer Volksvertreter aus? Und welche Nebeneffekte hat die ungebrochene Lust an der Dekonstruktion langfristig auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt? Ein VOCER-Dossier anlässlich der Bundestagswahl 2013 über das Wohl und Wehe der Politik unter dem Vorzeichen der Digitalisierung.

In diesem Dossier gehen namhafte Politiker, Politikwissenschaftler und Journalisten der Frage nach, warum und wie der digitale Strukturwandel die Denkweisen der handelnden Politik verändert. Speziell steht das Dilemma der Politik im Fokus, warum das Aufbrechen traditioneller Informationsstrukturen und die totale Transparenz der sozialen Netzwerke immer wieder zu kommunikativen Störfaktoren und einer ungebremsten sozialen Eigendynamik führen – und vor allem, welche Kollateralschäden dies für den politischen Betrieb auf lange Sicht mit sich bringt. Dabei durchleuchten unsere Autoren die Korridore der politischen Kommunikation im Netz, beurteilen die Online-Strategien der Parteien mithilfe der digitalen Kanäle und bewerten den politischen Diskurs mit den Wählern in den sozialen Medien.

„Die Theater-Republik“ ist ein Dossier, das zweierlei Maßstäbe setzen will: Ein Generator sein für die unterschiedlichen digitalen Spielarten der politischen Kommunikation zur Bundestagswahl 2013 und ein Kaleidoskop sein für neue Ideen zur Zukunft der Debattenkultur in einer politischen Landschaft, die sich immer mehr den Regeln und Restriktionen der digitalen Sphäre unterwirft.


Dieses Dossier wird betreut von Mark Heywinkel und Stephan Weichert.