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Homophobe Fußballer sind nicht das Problem

Illustration: Christiane Strauss

Kaum hat die Fußballeuropameisterschaft begonnen, kann sie auch schon auf einen Homophobie-Skandal bauen. „Ich hoffe, dass keine Schwulen in der Mannschaft sind“, lautet der Satz, den Reporter dem italienischen Nationalspieler Antonio Cassano entlockt haben. Da Cassano dafür bekannt ist, dass er mit dieser seiner Meinung nur schwer hinterm Berg halten kann, ist anzunehmen, dass die Journalisten ihn mit voller Absicht provoziert haben. Es war bloß eine Frage der Intensität des Nachhakens, bis der Fußballer endlich seinen Klartext sprechen und den Medien ein weiteres Mal die Gelegenheit geben würde, ihrer Entrüstung über dererlei Äußerungen Ausdruck zu verleihen.

Die Distanzierung wirkt allerdings nachgeschoben, ja, zweitrangig, denn im Zentrum stand zweifellos der unbedingte Wille von Zeitungen und Fernsehsendern, eine homophobe Äußerung in großen Buchstaben oder entsetzen Sätzen lautstark zu wiederholen. Erst die Medien haben diese Äußerung mit einer Relevanz versehen, die sie ohne eine solche Schützenhilfe kaum hätte erreichen können.

Es ist kein Geheimnis, dass in Diskursen, die das Männliche besonders hochhalten, wiederkehrt, was sie verdrängen, nämlich der „unmännliche“, der homosexuelle Mann. Seit mittlerweile viel zu vielen Jahren diskutiert man über gleichgeschlechtliche Beziehungen von Fußballspielern, und noch immer scheint es den männerliebenden Männern – im Gegensatz zu den frauenliebenden Frauen – dieser Branche zu gefährlich, sich zu outen. Klar, es gab da mal eine Reportage, die sogar den Grimme-Preis gewonnen hat, weil sie auf diese Merkwürdigkeit aufmerksam gemacht hat.

Schwanzgesteuert und awesome

Aber seither herrscht wieder Stille, zu EM-Zeiten mehr denn je. Statt einer seriösen Recherche und einer integeren Haltung in dieser Angelegenheit bevorzugt man offensichtlich die Drangsalierung von politisch eher unbedeutenden Menschen wie Antonio Cassano, um mit deren Meinung Werbung für den eigenen, ach so kritischen Journalismus zu betreiben.

Bleibt wie immer die Fiktion. Bemerkenswert, gerade für US-amerikanische Verhältnisse, die mit der öffentlichen Homosexualität ebenfalls so ihre Schwierigkeiten haben, sie höchstens als Show-Event akzeptieren, scheint mir die Serie „How I Met Your Mother“ beziehungsweise die Rolle des Barney Stinson und ihr Darsteller Neil Patrick Harris. Stinson ist ein durchaus liebenswertes Überbleibsel aus dem vergangenen Jahrhundert: ein nerviger Frauenanmacher mit den idiotischsten und eben deshalb lustigsten Sprüchen. Vor ein paar Jahren hätte man ihn wohl als „schwanzgesteuert“ bezeichnet, aber auch diese Vokabel klingt altbacken in Zeiten von „Sex and the City“, da behauptet wird, dass Frauen ihre wahre Freiheit erst als männerversessene Schuhkäuferinnen verwirklichen. Mir jedenfalls scheint die Realität des Geschlechterverhältnisses in „How I Met Your Mother“ wesentlich besser und unkommerzieller getroffen als in „Sex and the City“, gerade weil Barney Stinson einen Anachronismus in die Gegenwart rettet.

Das Schönste daran ist jedoch die Realität des Schauspielers Harris. Denn er ist ausgerechnet der „unmännliche“ Mann, vor dem die Fußball-EM wegen ihrer neu erwachten Lust am Nationalen (die mit Fußball spielenden Frauen lieber nichts zu tun haben will) so peinlich zittert: Er lebt seit acht Jahren mit einem Mann zusammen, hat mit diesem zwei Kinder adoptiert und macht weder aus dem einen noch aus dem anderen einen Hehl. Und das ist mutiger, als man meinen könnte angesichts der vorgeblichen Entrüstung, die Äußerungen wie jener von Cassano immer wieder entgegen schlägt. Die mediale Wirklichkeit sieht nämlich ganz anders aus.

Das Problem liegt bei den Medien

Von ihr berichtete die Komikerin Ellen DeGeneres vor einigen Jahren in einer Rede. Sie erzählte von der Angst, die auf ihr lastete, weil sie niemandem verriet, dass sie lesbisch ist. Und davon, wie sie sich fragte, was geschehen würde, wenn sie ihre Homosexualität öffentlich machen würde – was sie schließlich tat.

Ich dachte: Was ist das Schlimmste, was passieren kann? Meine Karriere könnte am Ende sein – und das war sie: Meine Karriere war beendet. Meine Show wurde nach sechs Jahren einfach eingestellt, ohne dass man mich darüber informiert hatte; ich las es in der Zeitung. Das Telefon blieb drei Jahre lang stumm. Ich hatte keine Angebote, niemand wollte mehr etwas mit mir zu tun haben.
Und zugleich bekam ich Briefe von Jugendlichen, die fast Selbstmord begangen hätten, es sich dann aber anders überlegten wegen dem, was ich getan hatte.

Womit eindrücklich bewiesen wäre, dass nicht irgendwelche homophoben Fußballer das Problem sind. Sondern die vielen Medien, die Homosexualität immer wieder als das Andere vorstellen, das in ihrem Territorium eigentlich nichts zu suchen habe. Es ist an dieser Stelle hoffentlich nicht zu pathetisch zu behaupten: Ellen DeGeneres hat die Funktion und die Macht von Medien wahrscheinlich um einiges besser verstanden als viele Journalisten.