Journalisten machen dicht
Dieser Artikel erschien zuerst in der DGPuK-Publikation „Aviso“. VOCER übernimmt ihn mit freundlicher Genehmigung.
In gewisser Hinsicht ist es skurril: Ausgerechnet Vertreter des Fachs, das „Kommunikation“ in seinem Namen trägt, beklagen seit langem, dass es ihnen nicht gelingt, mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Disqualifizieren sie sich damit schon selbst? Nein, ganz so hart sollte das Urteil nicht ausfallen. Auch Rechtsanwälte können in der Regel manches, nur ihren eigenen Fall sollten sie lieber nicht vertreten. Und es mag Paartherapeuten geben, die selber eines unglücklichen Tages vor dem Ende ihrer Ehe stehen. Das Problem der Kommunikationswissenschaft ist nicht die Unfähigkeit zur Kommunikation. Das Problem ist das Ansehen, das dem Fach fehlt.
Dies hängt vor allem mit einer irreführenden Werbung zusammen, die seit Jahrzehnten gang und gäbe ist. Journalist, das scheint immer noch ein Traumberuf vieler Abiturienten zu sein. Was die exakten Voraussetzungen da für sind, kann ein 19-Jähriger nicht wissen, also hält er (oder sie) sich an die Auskünfte, die die Institute geben.
Und nach wie vor erwecken viele Institute für Kommunikationswissenschaft den Eindruck, wer in den Journalistenberuf strebe, sei bei ihnen genau richtig. Diese Dreistigkeit mag naheliegende Gründe haben; sie ist je doch einzigartig im akademischen Betrieb. Die Theaterwissenschaft jedenfalls behauptet nicht, zum Schauspielberuf zu führen, und noch keinem Literaturwissenschaftler fiel die Anmaßung ein, angehende Romanciers auszubilden.
Auf diese Weise stattet die Kommunikationswissenschaft sich selbst mit einem Handicap aus. Wenn ein Fach (im Unterschied zu Physik oder Jura, zu Meteorologie oder Medizin) für die Öffentlichkeit nicht selbsterklärend ist, wenn es aber zugleich mit all diesen Fächern um das knappe Gut Aufmerksamkeit kämpft – dann sollte dieses Fach nicht auch noch unter allgemeinem Flunkerverdacht stehen.
Raus aus dem Medienbetrieb
Es ist nun mal so: Wenn Journalisten das Wort „Kommunikationswissenschaft“ hören, schwingt dieser Verdacht bei ihnen immer mit, zumindest im Unterbewussten. Und schon machen sie dicht. Andere Faktoren kommen hinzu. Im Journalismus geht es immer um zwei Dinge: Themen auszuwählen, die das Publikum interessieren, und darüber so zu berichten, dass jeder es versteht.
Ich kann hier nicht beurteilen, wie gut die Kommunikationswissenschaft in der Themenauswahl ist. Dazu fehlt mir der Überblick. Mir fällt nur auf, dass die Kommunikationswissenschaft nicht durchdringt. Ich könnte freihändig kein einziges Forschungsprojekt, kein einziges Ergebnis nennen, an das ich mich als Redakteur oder Leser erinnern würde. Und das liegt nicht daran, dass ich das Fach per se irrelevant fände und ihm die Existenzberechtigung abspräche. Es gab ja in der vergangenen Zeit mehrere Politiker, die den Beruf aufgegeben haben und in die Wirtschaft gegangen sind. Wenn man mit ihnen spricht, sagen sie einem zur Begründung unter anderem, dass sie den Medienbetrieb nicht mehr ausgehalten haben. Wäre das nicht eine Forschung wert?
„Der kann nicht schreiben“
Wer in die Öffentlichkeit will, braucht Themen, die die Öffentlichkeit bewegen. Und er darf sich zum Übersetzen nicht zu schade sein. Gerade deutsche Wissenschaftler (egal welchen Faches) halten es jedoch mitunter geradezu für einen Qualitätsnachweis, so zu formulieren, dass nur ihres gleichen folgen kann. Redakteuren imponieren sie damit aber überhaupt nicht, im Gegenteil.
Ich habe bei der „Süddeutschen Zeitung“ viereinhalb Jahre lang die Rubrik „Außenansicht“ betreut, also die Gastkommentare auf Seite 2. Dort lassen wir unter anderem gerne Wissenschaftler zu Wort kommen – sofern sie die Fähigkeit und den Willen zur Übersetzung haben. Man glaubt aber nicht, wie viel Fachchinesisch und Schwulst, wie viele Satzmonster und als Gedanken getarnte Blähungen man da zu lesen bekommt.
Das Schlimmste, was ein Redakteur über einen Textlieferanten sagen kann, ist der Satz: „Der kann nicht schreiben.“ Wenn solch ein Lieferant auch noch von der Kommunikationswissenschaft kommt, hat er sich besonders unmöglich gemacht. In dem Fall nämlich lautet der Satz: „Und so einer will Journalisten ausbilden!“