Kommunikation ins Ungewisse
Soziale Netzwerke wie Facebook oder Google+ sind aus unserem Privatleben nicht mehr wegzudenken. Aber auch Unternehmen haben inzwischen das große Feld der Kommunikation auf sozialen Internetplattformen für sich entdeckt. Als eine der ersten Erhebungen weltweit hat die „Social Media Governance“-Studie das Verhalten von Unternehmen und Kommunikationsverantwortlichen im Social Web untersucht. 2011 wurden in Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig, der PR-Agentur Fink und Fuchs aus Wiesbaden sowie dem Magazin Pressesprecher 596 Organisationen befragt.
Anne Linke von der Universität Leipzig ist eine der drei Autoren der Studie: „Entgegen weitverbreiteter Schlagwörter wie der Social-Media-Revolution laufen die Entwicklungen anscheinend eher schrittweise ab. Zunächst experimentieren viele Unternehmen mit den neuen Kommunikationsplattformen, ohne sich über übergeordnete und strategische Aspekte wie Strukturen oder Erfolgskennzahlen Gedanken zu machen.“
Reicht liken – oder muss der User kaufen?
Auch Greenpeace beschäftigt sich mit den neuen Entwicklungen. Volker Gaßner, Leiter der Presseabteilung der Greenpeace-Zentrale in Hamburg, hat bereits seit 2007 darauf gesetzt, eine Internetstrategie zu entwickeln. „Ich habe schon damals gesagt, es ist wichtig, im Social Web in den Dialog zu gehen. Wir wollten uns auf die großen Plattformen fokussieren. Das waren damals schon YouTube, aber auch Myspace und Facebook.“
Durch das gewachsene Interesse an sozialen Netzwerken entsteht ein ganz neues Berufsfeld. Agenturen wie die Facelift bbt haben sich darauf spezialisiert, einen erfolgreichen Facebook-Auftritt für Unternehmen zu entwickeln. Schulen wie die Social Media Akademie bilden „Social Media Manager“ aus. In Job-Foren werden Mitarbeiter für die Pflege sozialer Netzwerke gesucht, eine Arbeit, für die junge Leute mit einer hohen Affinität zu neuen Medien außergewöhnlich gut bezahlt werden. „Auch das Zurverfügungstellen von personellen Ressourcen gehört eben dazu“, so Anne Linke. „Diese Mitarbeiter müssen selber Kommentare verfassen und dafür sorgen, dass die Kommentare der Anspruchsgruppen auch beantwortet werden. Und sie müssen ebenso bezahlt werden wie Web-Designer, die die Standardseite für Unternehmen auf Facebook unternehmensspezifisch anpassen.“
Im selben Zug hat die Studie jedoch auch festgestellt, dass es kaum messbare Erfolgskennzahlen für den Marketing und PR-Einsatz auf sozialen Plattformen gibt. Jan Schütte, ehemaliger Journalist und PR-Berater, hält die derzeitige Entwicklung in der Branche für paradox, da lediglich 14 Prozent der teilnehmenden Unternehmen über Erfolgskennzahlen verfügen. „Das Thema Erfolgsmessung ist für alle kompliziert. Es gibt zwar einige Instrumentarien, doch die meisten bleiben auf einem niedrigen Level. Ein Unternehmen, das eine Facebookseite betreibt, kann schlecht messen, welche Menschen das Produkt nicht nur liken, sondern auch kaufen. Das empirisch zu erhärten, wird immer schwer bleiben.“
Auch bei Greenpeace ist eine klare Bestimmung der Ergebnisse der Internetstrategie schwierig. „Aber fühlbar haben wir die Reichweite besonders bei jungen Leuten enorm erweitert. Das war auch eins unserer Ziele: Mit jungen Leuten in Kontakt zu treten, weil sie ihren gesamten Medienkonsum ins Netz verlagern“, sagt Pressechef Gaßner. Allerdings glaubt er nicht, dass sich alle 68.000 Freunde auf der Greenpeace-Deutschland-Seite bei Facebook auch wirklich regelmäßig aktiv bei der Organisation einbringen. Erfolg bedeutet für Gaßner, wenn durch vermischte Aktionen im Internet und auf der Straße der nötige Druck für Veränderungen aufgebaut wird.
Wichtiger Erfolgsfaktor oder nur ein Hype?
Was passiert aber, wenn sich herausstellt, dass sich Marketing- und PR-Angebote auf sozialen Plattformen nicht auszahlen oder etwa unwichtig sind für den Erfolg einer Marke? Schütte meint, dass das Thema Social Media Marketing aufgebauscht wurde. „Ich glaube auch, der große Hype ist schon vorbei. Die Unternehmen beginnen zu hinterfragen, was ihnen die Kommunikation in sozialen Netzwerken eigentlich nach einer Weile bringt.“ Für Linke ist eine Prognose weiter schwierig. Sie würde sich jedoch auf keinen Fall zu sehr auf eine Plattform konzentrieren. „Das Beispiel Myspace hat gezeigt, wie schnell bestehende Netzwerke von neuen verdrängt werden können. Ich würde dafür plädieren, sich auf einem allgemeinen Level mit dem Thema zu beschäftigen und zu hinterfragen, was das für die Geschäftsprozesse bedeutet.“
Warum es für ein Unternehmen so wichtig ist, im Social Web vertreten zu sein, ist für Gaßner ganz klar: „Man muss diese Möglichkeiten nutzen, weil man eben sowohl mit seinen Leuten, als auch mit seiner Zielgruppe in den Dialog treten kann. Man kann zusammen planen und diskutieren. Die User können Kritik äußern. Und Facebook ist momentan als Plattform so wichtig, weil sich so viele Menschen dort aufhalten.“
Anne Linke fasst zusammen: „Wenn alles gut geht, kann sich der Unternehmenseinsatz in sozialen Netzwerken zu einem festen Bestandteil des Kommunikationsmixes entwickeln. Die ‚Social Media Governance‘-Studie zeigt allerdings, dass es dafür noch Handlungsbedarf in den Feldern Analyse, Erfolgskriterien, Qualifikation, stringente Organisation und kulturelle Anschlussfähigkeit gibt. Und wir brauchen etablierte Indikatoren für die Kommunikation.“
illustriert von Marlene Gollasch. Dieser Beitrag ist zuerst im STADTLICHH Magazin, Ausgabe #7, erschienen.