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Kompetenzen für einen Journalismus mit Zukunft

Was ich hier mache, ist natürlich grössenwahnsinnig. Die ganze Branche bastelt an der Zukunft. Warum sollte also ausgerechnet ich die Lösung haben? Keine Angst, ich habe sie nicht. Aber inspiriert von Jan Lerch habe ich den Vortrag, den ich jüngst in Wien an der Tagung „Journalism Reloaded“ gehalten habe, noch einmal überarbeitet.

Ich glaube, mit meinem Rezept der Lösung des Problems einen Schritt näher zu kommen. Ich höre Sie schon entgegnen: „Ha! Das ist kein Rezept, das ist banalstes 1×1!“. Ja. Das ist es. Aber: Ich weiss bis heute noch von keinen Beispiele von Medien, die das konsequent gut machen. Falls Sie welche kennen, ich freue mich sehr über Hinweise!

Ich höre andere sagen: „Damit hat man ja noch kein Geld verdient!“. Auch das stimmt. Aber ich glaube: Wer mit journalistischen Inhalten in Zukunft Geld verdienen will, muss richtig gut sein. Das was wir heute bieten, reicht nicht.

Wie also funktioniert Journalismus in der Zukunft? Nur eines ist mittlerweile sicher: nicht mehr so, wie bisher!

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Warum das so ist und sich das auch nicht mehr ändern wird, hat Matthias Döpfner (in der Weltwoche 9/11) schön hergeleitet (ich hab seine Gedanken in eine Darstellung umgewandelt):

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Viele Journalistinnen und Journalisten habe es noch nicht gemerkt, oder wollen es nicht wahrhaben. Aber es ist so: Die Leser (unsere Userinnen, Zuhörer, Zuschauerinnen) sind längst nicht mehr auf uns angewiesen. Die Zeiten, in denen „the people formerly known as readers“ geduldig darauf gewartet haben, dass wir unsere Zeitung fertig gedruckt oder unsere Sendung fertig produziert haben, sind also endgültig vorbei. Gefällt ihnen nicht, was wir bieten, gehen sie woanders hin. Kurz: Sie sitzen am längeren Hebel – ob uns das gefällt oder nicht. Wollen wir also, dass sie weiterhin unsere Inhalte nutzen, müssen wir sie zumindest mitbestimmen lassen, wann sie wie auf unsere Inhalte zugreifen. Das könnte dann etwa so aussehen (hier am Beispiel des Guardian veranschaulicht):

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Was aussieht wie wirre Linien, entpuppt sich beim genaueren Hinsehen als Nutzungsmuster und es zeigt sich zum Beispiel, dass Print am Abend zwar nicht mehr so gefragt ist, die Inhalte aber schon: Die Zugriffe via Apps und mobil sind am Abend sehr hoch.

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Ein Rezept für „guten“ Journalismus muss sich deshalb an den Bedürfnissen orientieren, die unser Zielpublikum hat. Bei der Frage der Themen / Inhalte geht es darum, wie wir unsere Rolle als Journalistinnen und Journalisten finden. Geben wir den Leuten, was sie oft klicken? Oder das, was unsere Gesellschaft braucht, um funktionieren zu können? Oder eine Kombination von beidem?

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Auch bei der Frage des „Wie?“ befinden wir uns in einem Spannungsfeld. Etwas überspitzt formuliert könnten wir uns fragen: Hat es unsere Leser zu interessieren, dass wir eine Druckmaschine amortisieren müssen oder einige Kollegen nicht gerne fürs Internet arbeiten wollen?

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Die gleichen Überlegungen gelten auch für den Zeitpunkt der Publikation. Wieder überspitzt gefragt: Was geht es unsere User an, dass uns unsere Mittagspause wichtig ist?

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Um vorweg zu nehmen, was Sie gerade sagen wollen. Ja, es ist nicht unproblematisch, wenn wir unser Tun an den Bedürfnissen unserer Zielgruppe ausrichten. Wenn wir aber noch länger als Journalistinnen und Journalisten tätig bleiben wollen, ist die Frage längst nicht mehr, ob das problematisch ist oder nicht. Wir haben nämlich gar keine andere Wahl mehr. Die Frage ist also vielmehr die, wie wir damit umgehen. Dafür gibt es nur eine Antwort: Wir müssen noch besser verstehen, was wir tun:

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Noch etwas: Bei der oftmals hitzig geführten Diskussion darüber, wie sehr wir uns an den Bedürfnissen unseres Zielpublikums orientieren sollen, um den Journalismus nicht zu verraten, geht oft vergessen, dass die Bedürfnisse ja nicht nur inhaltlicher Art sind, sondern – das Beispiel oben vom „Guardian“ zeigt dies schön – vor allem auch den Kanal und den Zeitpunkt betreffen. Ist das wirklich schlimm, wenn wir uns bei der Wahl des Kanals und dem Zeitpunkt den Bedürfnissen unseres Zielpublikums unterwerfen?

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Bei der Regel „form follows function“ muss ein grosses ABER nachgeschoben werden:

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Warum? Unseren Lesern oder Userinnen, Zuhörern oder Zuschauern ist es wie gesagt egal, ob wir eine Druckmaschine amortisieren müssen oder gemeinsam in die Mittagspause wollen. Das neue Rezept für „guten Journalismus“ muss – im Spannungsfeld zwischen unseren Möglichkeiten und ihren Bedürfnissen also heissen:

WAS: Konzentration auf journalistische Ansätze bei den Inhalten (die Glaubwürdigkeit ist schnell verspielt!)

WIE / WANN: konsequente Ausrichtung auf die Bedürfnisse des Zielpublikums bei der Wahl des Kanals und des Zeitpunkts.

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Banal? Banal! Aber: Warum machen es dann nur so wenige?


*Ich danke meinem unermüdlichen Mitstreiter in Sachen Konvergenz, Pascal Zemp, für die vielen guten Ideen.