Krautreporter ist ein Erfolg
Noch abends war es gestern heiß in Berlin. So heiß, dass das Programm der Krautreporter-Party in Mitte überraschend kurz ausfiel. Manch einem Gast war die aus Containern bestehende Kunsthalle Platoon sogar so stickig, dass er sich die Reden von Krautreporter-Herausgeber Sebastian Esser oder Talkgast Jakob Augstein gänzlich schenkte. Wozu auch überhaupt diese ganze Veranstaltung?, schien als Frage über dem Abend in der heißen Luft zu schweben. Denn die Anwesenden – von „Elektrischer Reporter“-Macher Mario Sixtus über Tagesspiegel.de-Chefredakteur Markus Hesselmann bishin zu Nachwuchsjournalisten der Jungen Presse Berlin – waren beinahe ausschließlich Leute gekommen, die um das Projekt genau Bescheid wissen und im Gros ohnehin bereits gespendet hatten. Der eigentliche Sinn, nun auch verstärkt abseits der Branche bei potentiellen Leserinnen und Lesern Werbung für das geplante Online-Magazin zu machen, schien erneut verfehlt worden zu sein. Und trotz guter Stimmung kristallisierte sich im Laufe des Abends dann auch noch der Konsens darüber heraus – sowohl bei den Gästen als auch in Teilen des Teams –, dass das Krautreporter-Magazin nie das Licht der Welt erblicken wird.
Am Freitag läuft die bislang größte deutsche Crowdfunding-Kampagne aus. Dann entscheidet sich, ob das Online-Magazin Krautreporter unter der redaktionellen Leitung von Alexander von Streit (zugleich einer der Herausgeber von VOCER) im Herbst online gehen kann. Zur Zeit sieht es nicht danach aus: Von den 15.000 notwendigen Unterstützern konnte die Riege von rund 30 namhaften Reportern bislang etwas mehr als die Hälfte von ihrem Projekt überzeugen. Das reicht lange nicht. Das Fundingziel von 900.000 Euro liegt in weiter Ferne. [Update: Inzwischen hat die Kampagne gut angezogen, es fehlt nur noch ein knappes Drittel, Stand: 12.6. 12:40 Uhr]
War die gestrige Veranstaltung deshalb also eine Farce? Und ist es das anhaltende Ringen der Krautreporter um ihr Projekt ebenfalls? Ganz eindeutig: Nein. Krautreporter als gescheitert zu bezeichnen, ist falsch. Die Crowdfunding-Kampagne scheint gescheitert, ja. Das ist allerdings kein Grund für Gehässigkeit. Das Projekt an sich und ihre aktiven Macher sollten bewundert werden. Für ihren Mut. Dafür, dass sie den Beweis geleifert haben, dass durchaus ein Bedürfnis nach entschleunigter Berichterstattung im Digitalen besteht. Und vor allem für die Referenzgröße, die sie mit Krautreporter und auch ihren Fehlern bei der Projektumsetzung geschaffen haben. Nachfolgenden Projekten wird die Kampagne als Vorbild dienen, es womöglich ähnlich, aber besser zu machen. Dafür sollte man auf Sebastian Esser und Co. nicht herumhacken. Man sollte ihnen aufrichtig dankbar sein.