Offener Brief: Für eine Beteiligung gemeinnütziger digitaler Publisher und Organisationen
Die Bundesregierung will Tageszeitungen, Zeitschriften und Anzeigenblätter in den nächsten Jahren mit 220 Millionen Euro fördern. Mit dem Geld solle die “Medienvielfalt und -verbreitung” gefördert, der Journalismus gestärkt und der “dringend gebotene Transformationsprozess im Bereich der Abonnementzeitungen” befördert werden.
Das Forum Gemeinnütziger Journalismus ist in großer Sorge, dass diese Förderung zu einer Benachteiligung von gemeinnützigen digitalen Publishern führt, die in den vergangenen Jahren mit erheblichen Risiken neue journalistische Angebote aufgebaut haben. Wir fordern deswegen, dass die Bundesregierung auf eine Förderung ausgewählter Medien verzichtet oder alle neuen digitalen Akteure gleich behandelt.
Wir sind überzeugt: Eine Förderung von Medien ist nur dann sinnvoll, wenn sie der demokratischen Öffentlichkeit nutzt. Darum sollte nicht die gedruckte Auflage das Kriterium einer möglichen Förderung sein, sondern die Schaffung und der Erhalt aufklärender journalistischer Arbeit sowie die Sicherung von journalistischen Innovations-Ökosystemen. Die Bundesregierung sollte journalistische Produktion und Projekte fördern, ohne dabei in den journalistischen Prozess einzugreifen oder den Anschein einer Einflussnahme zu erwecken.
Hier ist die Gründungsförderung für journalistische Innovationen wichtig. Sollte die Bundesregierung aber ausschließlich Neugründungen und die digitale Transformation etablierter Unternehmen fördern, verzerrt sie nicht nur den Wettbewerb zum Nachteil digitaler Publisher, die sich im “Arbeitskreis digitale Publisher” versammelt haben; sie lässt außer acht, dass seit langer Zeit gemeinnützige Organisationen Angebote entwickeln, die viele Bereiche der Debattenkultur innerhalb der Gesellschaft bereichern.
In der heutigen digitalen Öffentlichkeit ist das Medienformat zweitrangig. Darum fordern wir, sämtliche Verbreitungskanäle und Modelle — ob Text, Ton oder Bild — gleich zu behandeln
Wir schlagen aus diesem Grund ein „Labor für digitalen Journalismus“ vor.
Der gemeinnützige Journalismus ist seit Jahren ein Experimentierfeld für den digitalen Wandel des Journalismus. Zahlreiche Kooperationsprojekte zwischen Tageszeitungen und Nachrichtenmagazinen und digitalen Publishern auf der einen Seite und gemeinnützigen Medienorganisationen auf der anderen Seite haben bereits gezeigt, wie dies den Medien und der Gesellschaft insgesamt nutzen kann. Diese Arbeit kann in einem „Labor für digitalen Journalismus“ genutzt werden.
Die bereits bestehenden Experimente aus Deutschland sowie wissenschaftliche Forschungen zum Non-Profit-Journalismus zeigen bereits heute, dass die durch die Digitalisierung gewonnenen publizistischen Möglichkeiten – die Analyse großer Datenmengen, die Teilhabe des Publikums, die multimediale Präsentation der Ergebnisse – von sehr vielen gemeinnützigen Medienprojekten erprobt und dann gewinnbringend von klassischen und neuen Verlagen genutzt werden. In den Kooperationen werden die erfolgreichen Modelle von den digitalen Pionieren zu den klassischen Medienhäusern transferiert. Dies dient der Demokratie und der Gesellschaft insgesamt. Dieser Ansatz kann und sollte verstetigt werden.
Wir wollen eine gemeinsame und freie „digitale Infrastruktur für Verlage und Journalismus“
Neben dem „Labor für digitalen Journalismus“ schlagen wir vor, dass die öffentliche Hand digitale „Media Commons-Projekte“ für alle Verlage und digitale Publisher unter Berücksichtigung der bereits angestoßenen und erbrachten Erfahrungen aus der Pionierarbeit anstößt. Es sollen gemeinsame Wissen-Schatzkammern, Netzwerke und Software-Modelle aufgebaut werden, die jeder frei nutzen kann: egal, ob das Unternehmen ein etabliertes Haus ist oder ein neuer digitaler Publisher. Nur so kann Wettbewerbsverzerrung vermieden und journalistische Berichterstattung in dauerhaft hoher Qualität gefördert werden.
Wir fordern, dass Journalismus gemeinnützig wird und somit einfacher gefördert werden kann.
Die Gemeinnützigkeit des nicht gewinnorientierten Journalismus muss endlich vom Gesetzgeber und von den Finanzämtern anerkannt werden. Dieser Schritt würde helfen, die Medienvielfalt in Deutschland zu bewahren, die Kritik- und Kontrollfunktion des Journalismus zu stärken und so die öffentliche Meinungsbildung in der Demokratie zu beleben.
Anh-Linh Ngo
ARCH+
Marcus von Jordan
August Schwingenstein Stiftung
www.torial.com / www.piqd.de
David Schraven
CORRECTIV
Tamina Kutscher
Dekoder.org
Dr. Hermann Falk
GLS Treuhand e.V.
Tabea Grzeszyk
Hostwriter.org
Oliver Moldenhauer
Investigate Europe gSCE mbH
Susanne Stiefel
Kontext:Wochenzeitung
Markus Beckedahl
Netzpolitik.org
Dr. Thomas Schnedler
Netzwerk Recherche e.V.
Alexander Völkel
Nordstadtblogger.de
Hanno Gundert
n-ost – Border Crossing Journalism
Stephanie Reuter
Rudolf Augstein Stiftung
Aline Lüllmann und Andreas Marggraf
taz die tageszeitung
Dr. Stephan Weichert
Gründer und Sprecher des Vorstands
VOCER.org
℅ Verein für Medien- und Journalismuskritik e.V.