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Qualität im Lokalen – Über Wirklichkeiten und Ansprüche

Interessante Diskussion am Freitagabend in einer Osnabrücker Gaststätte. Die Frage: Wollen die Menschen überhaupt noch professionellen Journalismus? Blöde Frage, ich weiß. Und der Kollege von einer weit größeren Zeitung wusste darauf genauso wenig eine Antwort wie ich. Interessant war vor allem, dass sich eine solche Frage überhaupt stellt, obwohl Verlage und Verbände unter Betonung auf Rekord-Reichweiten darauf pochen, dass die Lage – wenn überhaupt -bestenfalls ernst, wenn nicht gar gut sei. Vorige Woche bei der Chefredakteurs-Konferenz des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) in Berlin hatte ich die Ehre eine Rede halten zu dürfen: „Qualität im Lokalen – Über Wirklichkeiten und Ansprüche“.

Wen’s interessiert, der lese weiter (Ich habe leicht gekürzt):

Dieser vom Bayerischen Rundfunk kürzlich gesendete Text stammt nicht aus dem Jahr 2000 oder von 1980, nein, er ist schon über 100 Jahre alt: 1907 hat ihn Josef Ruederer geschrieben, ein längst vergessener Münchner Schriftsteller. Aber vielleicht stimmen Sie mir zu, wenn Sie in Ihre Redaktionen hineinschauen: Dieses Telefonat ist immer noch aktuell.

Noch immer haben viele Redakteure und mitunter auch deren Chefs das Gefühl, sie seien wichtig, wichtig wie ehedem. An ihnen komme keiner vorbei. Wir sind ein Teil der Elite – je nach Größe der Zeitung der lokalen Elite, der regionalen oder gar der eines Bundeslands.

Das aber halte ich für eine Illusion, denn im digitalen Wandel haben wir längst unsere Bedeutung verloren. Wir wissen es nur noch nicht. Oder: Wir wollen es nicht wahrhaben. Denn wir reden zwar seit 15 Jahren über die Bedrohung durch den digitalen Wandel, wir reden übers Sparen und über effizientere Strukturen. Und wir haben uns optisch deutlich modernisiert. Aber über eins reden wir viel zu selten: Über die Inhalte, oder anders formuliert: Über unser Produkt.

Andere haben mehr Ressourcen

Wenn wir in Regionalzeitungen landauf landab hinein schauen  und da nehme ich natürlich den „Nordbayerischen Kurier“ nicht aus – was finden wir dort? Im Mantel, der in der Regel noch das erste Buch ist, dpa-Berichte und im besten Fall Geschichten unserer Korrespondenten in Berlin und Kairo sowie Leitartikel der politischen Redaktion und des Wirtschaftsredakteurs. Wenn wir gut sind, vermeiden wir einigermaßen die genaue Wiedergabe der „Tagesschau“ vom Vorabend – die ja längst nicht mehr der Maßstab ist – in dem wir zumindest beim Titelaufmacher einen regionalen Akzent setzen.

Aber seien wir doch ehrlich: Mit diesem Angebot locken wir niemandem mehr hinter dem Ofen hervor. Im Internet ist die Konkurrenz genau einen Klick entfernt, und „Spiegel“, „FAZ“ und „SZ“ können doch die meisten dieser Themen viel besser transportieren. Nicht weil dort bessere Journalisten arbeiten, aber weil sie viel mehr Ressourcen haben.

Und schauen wir uns dann das Lokale und das Regionale an. Dort sind wir ja inzwischen in den meisten Erscheinungsgebieten Monopolisten. Ok., es gibt fast überall ein Lokalradio, womöglich auch ein, zwei unabhängige Anzeigenblätter und vielleicht sogar ein enthusiastisches Lokalblog. Aber eigentlich kommt an uns noch immer niemand vorbei – sollte man meinen.

Leider schlägt sich das in vielen Lokalblättern nicht nieder – oder gerade eben doch – je nachdem, von welcher Perspektive aus man das betrachtet. Die örtlichen Eliten, der Bürgermeister, der Unternehmer, der Vereinsvorsitzende, der Pfarrer – sie bestimmen noch immer weitgehend die Inhalte von Lokalzeitungen.

Ohne Gegencheck

Seitenweise lesen wir dort Berichte über kommunalpolitische Themen, die so klingen, als habe sie uns das Rathaus direkt ins CMS diktiert. Die Themen, die unsere Leser wirklich interessieren, die sie unmittelbar betreffen, die Konflikte um die Geldverteilung in der Stadt, die Machtkämpfe hinter den Kulissen, das Mobbing Andersdenkender oder auch die Geschichten über jene, die tatsächlich ehrenamtlich etwas leisten, die kommen entweder nur ausnahmsweise vor oder auch – in letztem Beispiel zumindest – wenn wir gerade mal wieder eine Serie zur Würdigung des Ehrenamts gestartet haben.

Wir zitieren sinnfreie Grußworte von Politikern, wir veröffentlichen Pressemitteilungen, ohne sie gegen zu checken, wir überlassen Amtsvertretern wertvollen Platz in unseren Zeitungen, ohne uns klar zu machen, das all dies PR ist und mit Journalismus nichts zu tun hat.

Ja, solche Sachen haben wir 1907 gemacht, damals zweifellos deutlich intensiver als heute, wir haben sie 1980 gemacht, 2000, und nun manchen wir sie immer noch, und trotzdem wundern wir uns, dass immer mehr Leser uns nicht länger ernst nehmen. Dass Sie – sogar nach Jahrzehnte langer Treue – „ihre“ Tageszeitung abbestellen, dass Sie unsere Arbeit für nicht mehr so wichtig halten, dass sie dafür 25, 30, 35 Euro im Monat ausgeben wollen. Müssen wir uns da wirklich wundern?

Natürlich, und dieser Einwand ist berechtigt, es gibt viele Gründe, warum Zeitung ins Hintertreffen geraten ist. Das hat etwas mit Bildungsniveaus zu tun, mit den Einkommen der Menschen, mit veränderten Familienstrukturen und der steigenden Zahl an Single-Haushalten, mit zunehmender Heimatlosigkeit und und und.

Und natürlich mit dem Internet. Das in Diskussionen, wie wir sie hier auch wieder führen, meist als erstes genannt wird. Ich bin überzeugt, dass diese Einschätzung falsch ist.

Wenn Sie auf die Entwicklung der Abonnentenzahlen schauen, dann begann der Abwärtstrend schon in den 1990er Jahren, zu einer Zeit also, als das Internet noch in den Kinderschuhen stand und niemandem klar war, wie es unsere Gesellschaft verändern wird. Schon damals haben wir an unseren Lesern vorbei geschrieben und – anders als heute – Aufgaben wie die Fortentwicklung unserer Produkte völlig geringgeschätzt. Aufgehalten hat den Niedergang damals vor allem, dass die Zeitungen, wie Kanzlerin Merkel sagen würde, „alternativlos“ waren.

Beilage mit Sammlerstatus

Der „Nordbayerische Kurier“ ist eine kleine Zeitung. Ich würde sogar sagen, eine sehr kleine Zeitung. Eine Vollredaktion mit gut 30 Redakteuren und vier Volontärinnen, einer gedruckten Auflage von etwas über 35.000 Exemplaren in einem Verbreitungsgebiet von rund 200.000 Menschen. Wir bedienen neben der Stadt Bayreuth mit 72.000 Einwohnern und 12.000 Studenten ein sehr ländlich strukturiertes Gebiet mit 40 Gemeinden und – geschätzt – ebenso vielen Brauereien. In manchen dieser Dörfer gibt es nichts, außer den Vereinen.

Und trotzdem haben wir im Oktober 2011 die gesamte Friede-Freude- Eierkuchen-Vereinsberichterstattung aus der Zeitung genommen. Keine Jahreshauptversammlung, keine Mitgliederehrung, kein Vereinsausflug erscheint mehr in unserer Zeitung. Stattdessen legen wir einmal in der Woche ein im Tabloid-Format gedrucktes Heft mit dem Titel „Mein Verein“ bei.

Das hat bis zu 64 Seiten, ist alphabetisch sortiert, hat keine Überschriften, außer den Vereinsnamen, und ist unredigiert – abgesehen von der Arbeit einer Studentin, die Korrektur liest. Kurz: Es richtet sich an die, die diese Inhalte wirklich interessiert. Alle anderen nehmen die Beilage gar nicht wahr.

Natürlich hatten auch wir Angst vor diesem radikalen Schnitt, natürlich gab es Proteste. Aber, und das ist ja nun das Wichtigste, es hat nicht ein einziger Abonnent wegen „Mein Verein“ den Kurier abbestellt, und jetzt, nach eineinhalb Jahren, hat die Beilage schon so eine Art Sammlerstatus. Und meine Kollegen in der Redaktion haben nun viel mehr Freiräume für die Recherche – auch über Vereine, die wir damit sogar aufgewertet haben.

Keine halbgaren Gesichten

Womit wir bei meinem nächsten Anliegen wäre, der Förderung von Recherche, oder anders formuliert: Der Rückbesinnung auf das, was Journalismus ausmacht, im Lokalen und sonstwo. Natürlich reden wir alle davon, dass wir Recherche stärken müssen, gerade wir Chefredakteure? Gegebenenfalls bauen wir sogar eigene Rechercheteams auf und richten Mailfächer ein für Whistleblower. Das klingt toll, aber darum geht es doch eigentlich nicht. Damit machen wir Recherche zum Sonderfall, zum Luxus, obwohl es doch eigentlich unsere Existenzberechtigung als Journalisten ist, unsere Alltagsaufgabe.

Redet man mit den Kollegen in den Redaktionen und fragt nach der Recherche, dann bekommt man weiterhin zur Antwort: Gerne, aber erst dann, wenn Zeit ist, wenn wir alles andere erledigt haben. So kann es doch nicht sein. Was, wenn nicht Recherche, wenn nicht unerwartete Einblicke, Hintergründe, Offenbarungen erwarten unsere Kunden, die Leser, von ihrer Zeitung?

Jeden Tag, so meine Anforderung, muss mindestens die halbe Redaktion recherchierend unterwegs sein – und darf dabei nicht unter Termindruck stehen, in der nächsten Ausgabe eine leider nur halbgare Geschichte zu veröffentlichen, weil wichtige Gesprächspartner nicht zu erreichen waren.

Jeden Tag, so meine Vision, will ich mindestens eine Geschichte im Blatt haben, die Stadtgespräch ist, die man kennen muss, wenn man in Bayreuth lebt, die uns als „Kurier“ unverzichtbar macht. Das, so werden viele Kollegen sagen, geht leider nicht: Wir sind so klein gespart worden, dass wir das nicht mehr können. Sie haben Recht – und auch nicht: Denn die digitalen Medien eröffnen auch uns professionellen Journalisten neue Freiheiten. Zuerst einmal die Freiheit wegzulassen und Prioritäten zu setzen. Standardthemen zu streichen um Platz und Kapazität zu schaffen für das Besondere. Auf Qualität zu setzen, statt auf Quantität.

Verantwortung der Chefredakteure

Womit wir bei der Verantwortung von uns Chefredakteuren sind. Wir müssen zwar wirtschaftlich denken, mehr denn je, wir haben in erster Linie Managementaufgaben, aber wir sind nicht der verlängerte Arm der Verlagsleitung. Nein, unsere Aufgabe ist Journalismus, guter Journalismus.

Das müssen wir auch immer wieder aufs Neue den Buchhaltern zeigen, also jenen Geschäftsführern, die bis heute glauben, man kann der Zeitung ihre Seele nehmen, in dem Redaktionen klein gespart werden. Und trotzdem kommt ein Produkt heraus, das gut ist. Denn es ist ja immer gut gegangen. Jetzt aber nicht mehr!

Wir Chefredakteure müssen unseren Redaktionen Vorbilder sein. 

  1. Wir müssen eine Haltung haben. Das heißt, uns in Konfliktfällen hinter unseren Autoren stellen und sie nicht im Regen stehen lassen. Das heißt aber auch, dass wir uns selber zu Wort melden, Kommentare schreiben und nach innen wie nach außen deutlich machen, dass Beliebigkeit keine Chance hat. Und es heißt, dass wir auch für unsere Privilegien als Journalisten kämpfen, dass wir den lokalen Eliten zeigen, wo der Hammer hängt, zum Beispiel, indem wir Auskunftsrechte, die uns versagt werden, notfalls auch einklagen – wie wir dies in Bayreuth gerade tun. Wie wurde der amerikanische Journalist Seymour Hersh vorige Woche im „Spiegel zitiert“: „Das Beste am Journalismus ist – vor allem, wenn man Chefredakteur sein darf -, dass man Ärger erzeugen kann.“  
  2. Und wir müssen genauso neugierig sein, wie wir es von unseren Redakteuren verlangen. Auf Augenhöhe mit ihnen diskutieren und sie antreiben, die Entscheidung hinter der Entscheidung, zum Beispiel in der Kommunalpolitik, zu erfragen. Wir müssen uns immer wieder etwas Neues einfallen lassen, ob das nun Ideen für die Zeitung sind oder neue Formate fürs Digitale. 
  3. Und müssen wir auch digital Vorbilder sein. Das heißt, auch wir als Chefredakteure haben die Verpflichtung in den digitalen Kanälen präsent zu sein. Wir müssen uns in Facebook genauso auskennen, wie zum Beispiel auf Twitter. Wir dürfen, wir müssen nicht, aber es wäre gut, wenn auch wir mit den Lesern kommunzieren, deren Briefe beantworten, in Online-Diskussionen mitmischen und auf dem Facebook-Redaktions-Account mitdiskutieren. Auch ein eigenes Blog auf der Redaktions-Website ist kein Schaden. Im Gegenteil.

Ich kann Ihnen all dies nur empfehlen, Sie werden sich wundern, wie unsere Kunden reagieren, wie ernstgenommen sie sich plötzlich fühlen und wie ernstgenommen Sie werden. Und wie ernst Sie als Chefs auch die Kollegen in der Redaktion nehmen.

Chefredakteure sind eine Marke

Als Chefredakteure sind wir heute eine Marke, eine Teilmarke unseres Medienhauses. Und als solche müssen die Leser uns auch wahrnehmen können. Sie müssen sich an uns reiben, sich von uns zum Nachdenken und zum Widerspruch angeregt fühlen. Kurzum: Auch wir als Chefredakteurs müssen unsere Kunden emotional ansprechen. Damit werden wir auch ein wichtiges Element für die Demokratie vor Ort, und das nicht etwa, weil wir uns von Rotary oder Lions haben einfangen lassen.

Wo das nicht läuft, wo der Chefredakteur unsichtbar bleibt, zieht oftmals auch die Redaktion nicht mit. Oder: Um es negativ zu formulieren: Der Fisch stinkt immer vom Kopf. Und wir können nicht Leidenschaft für diesen schönsten Beruf der Welt verlangen, wenn wir nicht selber Leidenschaft zeigen.

Das verfängt, zugegeben, nicht bei allen Redakteuren. Grob geschätzt, ein Drittel unserer journalistischen Mitarbeiter – und dieser Anteil entspricht ja dem in allen anderen Branchen – hat für den Wandel nicht wirklich was übrig. Sie verweigern sich, viele, weil sie tatsächlich überfordert sind, andere einfach aus einer antrainierten Bequemlichkeit heraus.

Diesen Kollegen müssen wir eine Chance geben, vor mir aus auch zwei. Will sagen, sie bekommen die Möglichkeit, sich fortzubilden. Das Seminarangebot in Deutschland ist unübersichtlich groß. Es gibt alles, von Crossmedia-Seminaren bis zu Handwerklichem, wie der Einführung in Reportage- oder Polizeimeldung-Schreiben. Nutzen Sie die Möglichkeiten, machen Sie Angebote. Es lohnt sich, selbst wenn sich dadurch nur die Identifikation mit dem eigenen Haus steigern lässt, wenn Ihre Redakteure durch den Austausch mit Redakteuren anderer Verlage wenigstens einen neuen Bezug für Ihre Aufgabe bekommen und erfahren, wo sie stehen.

Warum ist bis jetzt eigentlich noch niemand auf die Idee gekommen, eine nationale Weiterbildungsinitiative zu begründen? Eine Initiative, in der die Anforderungen des Wandels definiert werden und Seminarprogramme mit externen Fachleuten begründet werden? Wofür haben wir eigentlich Verbände wie den BDZV?

Auslaufmodell Print

Natürlich funktioniert das nicht bei allen unseren Journalisten. Ich nenne sie Sitzredakteure, weil sie ein gutes Gehalt dafür beziehen, dass sie es in diesem Beruf schon so lange ausgehalten haben (und wir es mit ihnen). Wenn klar ist, dass da nichts vorwärtsgeht, dann sind wir und unsere Kaufleute gefordert, konsequent zu sein.

Das Schlimmste, was uns in der jetzigen Situation passieren kann, ist, dass die Langsamsten das Tempo des Wandels bestimmen. Dass die, die mit Digital nichts am Hut haben, die Motivierten demotivieren, indem sie ihnen vorleben, dass man auch mit wenig Einsatz seinen angestammten Arbeitsplatz bis zur Rente sichern kann.

Dass Print auf mittlere Sicht ein Auslaufmodell ist, brauche ich in diesem Kreis wohl nicht zu betonen. Ob viele von uns in zwei, drei oder fünf Jahren darüber nachdenken werden, die Erscheinungsweise der Zeitungen von sechs auf zwei Mal die Woche zu reduzieren oder womöglich gar nicht mehr gedruckt zu erscheinen, ist tatsächlich nebensächlich.

Schon einmal, zur Jahrtausendwende, haben es – in diesem Fall – unsere Verlage versäumt, die Internet-Märkte zu besetzen und das Rubrikengeschäft verloren. Jetzt aber sind wir an der Reihe, jetzt geht es um das Kerngeschäft der Zeitungen, den Journalismus.

Die digitale Welt ist lokal. Wir haben mit unseren Zeitungen ein lokales Facebook. Das bietet uns ungeheure Möglichkeit im Dialog mit dem Leser, in der Bewertung unserer Arbeit, auf dem Weg hin zu mehr Kundenorientierung. Das müssen wir nutzen. Und erkennen, dass wir 98 Prozent unserer Leser gar nicht kennen, weil sie nie in Erscheinung treten (außer wenn sie die Zeitung abbestellen) und weil sie nicht den lokalen Eliten angehören. Manche von ihnen lernen wir jetzt sogar im Internet-Dialog kennen, weil die Hürden zur Kontaktaufnahme so niedrig geworden sind.

Täuschen wir uns nicht. Wir stehen bestenfalls am Anfang in der Ausnutzung der digitalen Chancen. Wenn wir uns nicht jetzt gehaltvoll und zukunftsweisend im Internet aufstellen, dann werden die multinationalen Konzerne die Lücken mit journalistischem Content füllen oder aber die vielen kleinen Startup-Unternehmen, die mit den guten technischen Ideen, denen das fehlt, was wir jetzt noch haben: Einigermaßen relevante Inhalte.

Mehr Frauen

Was fällt Ihnen auf, liebe Kollegen, wenn Sie hier in die Runde schauen? Richtig, es sind fast nur Männer, die als Chefredakteure auf diesem Chefredakteurs-Gipfel miteinander diskutieren. Man muss kein Fan von Quoten sein, um zu erkennen, dass das falsch ist, dass wir mehr Frauen in Redaktionsleitungen brauchen. Auch dies ist eine Aufgabe, die wir jetzt erledigen müssen. Wir haben es in der Hand, kompetente Kolleginnen in Führungspositionen zu bringen, diesen elenden Kreislauf „Männer fördern Männer“ zu durchbrechen.

Von den fünf Mitgliedern der Redaktionsleitung Schrägstrich Chefredaktion des „Nordbayerischen Kuriers“ sind zwei Frauen. 40 Prozent. Darauf sind wir nicht nur stolz, das wirkt sich auch sehr positiv auf die Qualität unserer Zeitung aus, und es stärkt die Kommunikationsprozesse innerhalb der Redaktion.

Wo ich gerade am Kritisieren bin, eine Berufsgruppe hat mich in den vergangenen Jahren schwer enttäuscht: Das ist die deutsche Medien-Wissenschaft. Die veröffentlicht zwar immer neue Studien darüber, wie Newsrooms organisiert sein müssen und wer das schönste Layout hat, aber bei unserem eigentlichen Thema, den Inhalten, helfen uns die Professoren kaum weiter. Mit welchem Content unsere Branche eine Zukunft hat, sagen sie uns nicht.

Was wir als Regionalzeitungen jetzt brauchen, ist ein „neuer Lokaljournalismus“, wie es Berthold Flöper neulich formuliert hat. Zeitungshäuser, die auf allen Kanälen relevante Inhalte anbieten, die Haltung zeigen, streitlustig und kritikfähig sind, die ihre Leser jeden Tag aufs Neue überraschen, die eine lokale Community aufbauen und tatsächlich bürgernah sind.

Damit werden wir wieder relevant. Damit haben Regionalzeitungen eine Zukunft. Damit können wir unsere Inhalte auch im Internet verkaufen. Ich finde, dafür lohnt es sich zu kämpfen.


Dieser Beitrag ist zuerst auf An(ge)kommen in Bayreuth erschienen.