Social Media bei heute plus: Zeigen, wie Journalismus funktioniert
VOCER: Herr Bröckerhoff, in Ihrer Nachrichtensendung heute plus vom ZDF sind soziale Netzwerke wie Facebook, Periscope oder Snapchat ein wichtiger Teil des Konzepts. Warum?
Daniel Bröckerhoff: Dort erfahren wir, was unsere Zuschauer von unserer Berichterstattung halten. Soziale Netzwerke mit ihren Rückkanälen bringen uns in einen ständigen Austausch mit dem Publikum. Wir erhalten Themenvorschläge oder Hinweise auf Fehler in unseren Nachrichten, die wir dann fast live korrigieren können. Das ist ein großer Vorteil gegenüber dem klassisch-linearen Fernsehen, das so eine unmittelbare Kommunikation zwischen Sender und Empfänger gar nicht bietet.
Soziale Netzwerke sind zur Verbreitung von Nachrichten besser geeignet als das Fernsehen. Habe ich das richtig verstanden?
Nein, soziale Netzwerke sind ein Zusatzangebot zum Fernsehen. Diese unterschiedlichen Verbreitungsmöglichkeiten werden sich ergänzen, nicht kannibalisieren. Wenn es beispielsweise eine Breaking-News-Situation im Ausland gibt, kann dein Korrespondent vor Ort ohne großen technischen Aufwand berichten und die Regie im Fernsehsender wird diese Informationen filtern und professionell an das Publikum weiterleiten. Die neuen technischen Möglichkeiten bereichern alte Massenmedien.
Hört sich logisch und einfach an. Warum macht das nicht jedes Redaktionshaus?
Es hat viel mit Zeit zu tun, die muss es geben und auch die Leute, die es umsetzen möchten. Man darf das ganze Social Web aber auch nicht überschätzen. Die Frage ist ja, wie viele wollen diese Dienste überhaupt nutzen. Sicherlich gibt es dafür Bedarf in der jüngeren Zielgruppe, aber wollen auch die älteren Zuschauer ihre Nachrichten über soziale Netzwerke erhalten? Ich halte die Branche derzeit für gut aufgestellt. Es werden Dinge ausprobiert, unsere Sendung ist dafür ein gutes Beispiel.
Bei heute plus streamen Sie die Nachrichtensendung mit der Livestream-App Periscope. Es gibt auch Streams, die einen Einblick hinter die Kulissen ihrer Redaktion gewähren. Wie werden diese Angebote vom Zuschauer angenommen?
Unsere Backstage-Reportagen sind sehr beliebt beim Publikum. Sie sind unmittelbarer als das klassische Fernsehen. Wir kommen damit auch sehr nah an unsere Zuseher heran und sie an uns. Als Redaktion wird man mit diesen Möglichkeiten viel persönlicher und zu einer Anlaufstelle für eine ganz bestimmte Community.
Der Journalismus steckt aktuell in einer Glaubwürdigkeitskrise, von Lügenpresse ist die Rede. Wie hilft da Social Media?
Unsere journalistische Arbeit wird mit Nutzung all dieser Kanäle transparenter und nachvollziehbarer für das Publikum. Wir können unsere Quellen bei schwierigen Nachrichtenlagen öffentlich darstellen. Oder Zusammenhänge erklären, warum wir eine Nachricht über einen Anschlag in Europa für relevanter halten als eine Meldung zu einem terroristischen Akt in Afrika. Wir liefern ein zusätzliches Produkt und erhöhen damit den Einblick in unseren Beruf.
Das Risiko falsche Informationen zu verbreiten ist gewachsen, weil das Internet vom Journalisten mehr Schnelligkeit abverlangt. Stimmen Sie mir zu?
Es ist unfair, der Technik solche Fehler zuzuschreiben. Wir haben in Deutschland einen etablierten und überprüften Pressekodex und der gilt auch für digitale Medien. Don’t be stupid (Deutsch: sei nicht dämlich) ist da meist mein bester Ratschlag.
Es gibt renommierte Journalisten, die haben Verfolgungsjagden der Polizei gestreamt und sich damit selbst in Gefahr gebracht. Ist das der neue Journalismus: live und dramatisch?
Es liegt nicht am Werkzeug. Bereits 1988 sorgte die Berichterstattung über die Geiselnahme von Gladbeck für einen Eklat. Alles was mit Social Media aufkommt, ist nicht neu. Wir als Menschen sind für unser Handeln verantwortlich und wenn jetzt wieder solche Fälle auftauchen, dann sollten Journalisten daraus lernen. Deswegen ist es auch wichtig, dass junge Medienschaffende sich frühzeitig mit den Entwicklungen der Branche auseinander setzen.
Dazu gehört auch der Einfluss von Bloggern, die mit dem Social Web ein Teil der Medienöffentlichkeit geworden sind. Muss sich der Journalismus vor dieser Konkurrenz fürchten?
Fürchten nicht, aber achtsam sein. Es gibt Blogger, die relevant und für einen Mehrwert im öffentlichen Diskurs sorgen. Das ist sehr gut.
Aber?
Gefährlich sind Alternativ-Medien. Ich denke da an den deutschen Ableger von anonymous (die Facebook-Seite ist mittlerweile offline, Anm. d. Red.) Hier geht es um Hetze und um Meinungsmache. Und das gefährliche Potential daran ist, dass diese Seiten journalistisch wirken, es aber nicht sind und die Menschen täuschen. Und auch genau aus solch einem Grund gehen wir mit heute plus ins Social Web: Wir wollen den Nutzern bewusst machen, wie qualitativer Journalismus funktioniert.
Das Interview wurde im Januar 2016 geführt. Es ist im Zuge der Bachelorarbeit von Jan Göbel über das journalistische Potential von Periscope entstanden. Daniel Bröckerhoff kam in der Abschlussarbeit als Experte zu Wort. Außerdem fand für die Arbeit eine Beobachtung der Redaktion von heute plus statt.