Stefan Mesch: Rückwärts zum Roman-Remix
Stefan Mesch hat den Liebesroman „Freunde fürs Lieben“ geremixt. Die Originalfassung von Felicitas Pommerening hat 368 Seiten, Mesch hat die Geschichte auf 13.000 Zeichen runtergekürzt. Der Clou: Für seinen Remix hat der Journalist und Autor die digitale Fassung des Romans rückwärts gelesen. Aus einzelnen Sätzen konstruierte er eine neue Handlung.
Während in Pommerenings Version die junge Marie eine Affäre mit einem verheirateten Mann anfängt und mit ihrem besten Freund Finn plant, ein Kind zu kriegen, nimmt bei Mesch die Geschichte andere Gestalt an. Sein Remix-Plot geht so: Verheirateter Mann namens Finn trennt sich von junger Frau. Aber sie ist von ihm schwanger und überlegt, wie es weitergehen soll.
Aus einfach-klar wird poetisch-untergründig
Beide Werke unterscheiden sich in ihrer Tonalität grundlegend. Mesch habe für seinen Remix nach schnellen, emotionalen und poetischen Sätzen gesucht. „Felicitas hat eine griffige, klare, sympathische Sprache – aber der Roman spricht alles aus: Man muss nie lange zwischen den Zeilen lesen“, stellt er fest. „Ich dachte beim Lesen nicht an große Kurzgeschichten- und Alltags-Erzähler wie John Cheever oder Amy Hempel.“
Doch sobald er Nebensätze strich und Absätze verkürzte, klang der Text gleich mehr nach den suggestiv-geheimnisvollen und minimalistischen Erzählern. „Das war ein simples, aber interessantes Spiel mit Fakten und Auslassungen: Je weniger ich ausspreche, desto literarischer und Short-Story-hafter wirkt alles.“
Storytelling entsteht im Kopf des Publikums
Beim Orbanism-Festival in Berlin stellte Mesch seinen Remix live vor. Aus der Arbeit an dem neuen Werk und den Reaktionen des Publikums hat der Journalist eine wichtige Lektion übers Storytelling gelernt. „Als Leser, als Menschen wollen wir lose Stücke im Zusammenhang verstehen“, sagt Mesch. „Selbst, wenn es kaum Zusammenhang gibt: Stell drei Figuren auf die selbe Bühne – und sofort suchen wir Zusammenhänge zwischen ihren Bewegungen.“
Bei der Remix-Konstruktion stellte er fest, dass man eine schlichte, untergründige Kurzgeschichte durch Auslassungen bauen kann. „Man baut sozusagen eine Attrappe, die suggeriert, dass es Zusammenhänge geben könnte.“ Dabei würden die Geschichte zu einem Großteil im Kopf des Publikums entstehen. Gutes Storytelling entsteht dort, wo die eigene Fantasie Lücken füllen kann.