Theresia Enzensberger: Die Post-Net-Magazinmacherin
Als Theresia Enzensberger, Journalistin und Tochter des Schriftstellers Hans Magnus Enzsenberger, aus den USA zurück nach Deutschland kam, fand sie keine Zeitung, deren Tonalität sie sich fügen wollte. Deshalb produziert sie mit dem „Block“-Magazin nun ihr eigenes Heft – befreit von den meisten journalistischen Konventionen. Wir trafen die 27-Jährige zum Gespräch in Berlin.
VOCER: Theresia, in ein paar Monaten soll die erste Ausgabe des „Block“-Magazins erscheinen, eines Magazins ohne konkretes Thema. Wie bist du auf die Idee zu so einem Heft gekommen?
Theresia Enzensberger: Ich habe vier Jahre lang in Amerika gelebt und hätte danach in Deutschland gerne für eine Zeitung geschrieben. Allerdings hat mir keine von ihrer Sprache her wirklich gefallen. Also habe ich mir überlegt, ein eigenes Magazin zu machen.
In diesem Magazin dürfen sich nun unterschiedliche, vor allem junge JournalistInnen, aber auch SchriftstellerInnen mit freien Themen und in ihrem eigenen Ton austoben. Gab es für dieses Konzept amerikanische Vorbilder?
Bei US-Medien habe ich mir zumindest die Einstellung abgeschaut, dass man jedes Thema interessant machen kann, wenn man es zu einem gewissen Level von Abstraktion bringt. „n+1“ finde ich beispielsweise toll, die eine junge Meinung vertreten und theoretische Gedanken hervorbringen, wie es in Deutschland kaum der Fall ist. „The New Inquiry“ und den „New Yorker“ könnte ich auch als Inspirationsquellen benennen.
Bevor du beschlossen hast, „Block“ mit Bekannten im Alleingang umzusetzen, gab es Versuche, die Idee größeren Verlagen anzubieten?
Ja, die gab es. Eine witzige Geschichte: Ich habe von meiner Großmutter zur Geburt zwanzig Flaschen Rotwein bekommen, die dann so viel wert waren, dass wir hundert Exemplare eines Dummys drucken lassen konnten. Damit sind wir dann hausieren gegangen, aber niemand wollte das Heft haben.
Das mag auch an der thematischen Unkonkretheit von „Block“ gelegen haben. Warum ist dir die so wichtig?
Zum einen wirkt es sich sehr positiv auf die Qualität eines Textes aus, wenn man sich darin mit einem Thema beschäftigt, das einem sehr am Herzen liegt. Außerdem finde es schön, wenn die Unterschiede zwischen den Genres verschwimmen. Die großen Verlage erwarten immer, dass man sich ihrer Form fügt. Wenn du fürs Feuilleton schreiben möchtest, dann musst du einen ganz bestimmten Ton treffen, der an den Journalistenschulen unterrichtet wird. Das halte ich für die Pest. Beim Schreiben sollten stattdessen mehr Experimente möglich sein.
Aber die Tonalität der Medien unterscheidet sich doch auch voneinander. In einer „FAZ“ kann man hochgestochen, für den „Business Punk“ weitaus rotziger schreiben.
Das stimmt, trotzdem existiert ein gewisser Journalismus-Ton. Ich habe zum Beispiel vor kurzem einen Text zugeschickt bekommen, der als Essay begann und schließlich in Prosa desintegrierte. Sowas kannst du dir als Autor bei keinem Medium erlauben, bei uns schon.
Am Ende bleibt die Frage: Wie verkauft man Anzeigen für ein Heft, das in keine Sparte gesteckt werden kann?
Das ist eine gute Frage, die sich mir zum Glück nicht gestellt hat. Ich wurde tatsächlich von Anzeigenkunden angesprochen. Aber ich glaube, dass es auch ein Vorteil sein kann, wenn man thematisch ungebunden ist – gerade wenn man eine so genau definierte Zielgruppe hat wie „Block“. Ich weiß nicht nur genau, wie hoch die Auflage ist, sondern auch, dass die Leser ihr Heft bestimmt sehr aufmerksam lesen werden, weil sie es ja schon im Voraus bestellt haben.
Dennoch ist das ein Vabanquespiel. Wäre es nicht Risiko-ärmer gewesen, „Block“ als digitales Magazin zu planen?
Natürlich hänge ich jetzt an dem Print-Produkt und möchte es gerne gedruckt sehen und in Händen halten. Generell bin ich bei dieser Frage aber unideologisch. Mir ist wichtig, dass die Leute die Inhalte lesen. Wenn ich bei einem Blog merken würde, dass die Texte einen gewissen Anklang bei einem Publikum finden, dann hätte ich auch kein Problem damit, „Block“ digital fortzuführen. Ich bin Post-Internet.
Was soll denn das bedeuten?
Der Begriff der Post Net Art ist von Künstlern eingeführt worden und meint eigentlich etwas anderes. Was ich damit meine: Ich sehe diese Grabenkämpfe zwischen einer alten Garde, die sich sehr sentimental an Print festklammert, und auf der anderen Seite den jüngeren Journalisten, die sich besonders progressiv darstellen und beweisen wollen. In meiner Lebenswelt interessiert sich allerdings niemand für diesen Kampf, weder meine Freunde noch ich sind an eine dieser beiden Formen gebunden. Ob Print lebt oder tot ist, interessiert nur Journalisten. Und die sollten langsam mal lernen, über dieser Frage zu stehen.