Torsten Sträter: „Es gibt Mittel gegen Einsamkeit“
Ein schwarzgekleideter Mann betritt das Foyer des Wolfsburger Kulturhallenbads. Es ist Kabarettist und Autor Torsten Sträter. Er bestellt sich einen Kaffee und erhält ein verziertes Heißgetränk in einem Cocktailglas. „Ich hatte keinen Pudding bestellt“, ruft er amüsiert. Es sind nur noch wenige Stunden bis zu seinem Auftritt in der Autostadt. Trotzdem spricht Torsten Sträter ganz entspannt über Geld, Schreibblockaden und den Drang, sich selbst zu googeln.
VOCER: Herr Sträter, Sie haben ursprünglich Herrenschneider gelernt, dann in einem Zauberladen gearbeitet und auch als Spediteur. Wachen Sie manchmal auf und denken: „Krass! Ich bin Komiker!“?
Mit Dreißig hätte ich bestimmt gedacht: „Krass, krass, krass, ich bin Komiker.“ Aber jetzt sag ich es nur noch einmal: Krass, ich bin Komiker. Ich freue mich natürlich. Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit. Ich lebe schon so meinen Traum jetzt gerade.
Sie haben relativ spät angefangen vor Publikum aufzutreten. Wie kam es dazu?
Ich habe 2004 angefangen zu schreiben, ausgelöst durch ein wirklich ganz schlimmes Buch von Jack Higgins, das ich gelesen habe. Ich habe selbst Horrorstorys geschrieben, danach humoristische Sachen, einfach mal so. Dann hat mich ein Freund eingeladen, der Moderator eines kleines Poetry Slams, ohne Wettbewerbssituation in der großartigen Kneipe Subrosa in Dortmund. Was habe ich mit Poesie zu tun? Poetisch bin ich der Bofrostmann. Ich bin hin, hab vorgelesen – viel zu lang. Die wollten nur fünf Minuten. Aber es war ganz gut. Und dann hat man festgestellt, dass das stimmlich, betonungstechnisch und textlich schon ein Guss ist. Das hat mich im Poetrysektor schon recht erfolgreich gemacht.
Heute wird es voll. Sie sind aber auch schon vor neun Leuten aufgetreten bist. Was denkt man da?
Da denkt man nichts. Neun bis 20 Leute, das war lange Zeit die Regel und das ist gut und richtig. Du sollst nicht mit 400 Leuten anfangen, da drehst du ja durch. Die Übersicht über ein Publikum zu haben und zu sehen, was funktioniert und was nicht. So was sieht man erst einmal im Kleinen, bis man es im Großen versteht.
Letztes Jahr haben Sie erzählt, dass Sie beim WDR waren und dass Sie das gerne machen wegen des guten Geldes. Nun sind Sie Dauergast bei Extra3. Rollt jetzt der Rubel so richtig?
Ja. Ich mache mir auch was aus Geld. Jeder der sagt, das stimmt nicht, redet Blödsinn! Ich habe nie so richtig viel verdient, war es immer gewohnt, mit 1500 Euro netto auszukommen. Als Schneider gab es damals 99 Mark im ersten Lehrjahr. Jetzt ist es halt schon so. Ich musste mich daran gewöhnen. Wobei man sagen muss, wir Künstler haben keinerlei Einfluss auf irgendwelche Eintrittspreise. Die Leute schlagen sich zwei oder oftmals drei Stunden um die Ohren und zahlen dafür stellenweise 25 bis 27 Euro in der Spitze, dann wird mir so eine Wertigkeit bewusst. Aber man sollte sich an derartige Dinge nicht gewöhnen, sondern sein Geld zur Seite legen. Wie viel Jeans und Ipads braucht der Mensch? Das Finanzamt kommt unheimlich gerne um die Ecke und fragt nach.
Haben Sie den ultimativen Tipp, für alle die ins Fernsehen wollen?
Tipp? Macht bitte nicht alles, um ins Fernsehen zu kommen. So wahnsinnig prickelnd ist es auch nicht. Wenn du die Wahl hast, ins Fernsehen zu kommen, um zu erzählen, dass du Taschendieb warst, oder du hast die Wahl, deine Oma zu besuchen, dann besuche bitte deine Oma.
Extra3 läuft auch ab und zu in der ARD. Dort schauen bis zu 1,6 Millionen Menschen zu. Macht man sich darüber Gedanken?
Nein, kannst du gar nicht. Das ist ja keine greifbare Menge. Ich möchte, dass mein Redakteur zufrieden ist. Ich freue mich, wenn der Kameramann lacht.
Wie viele Gag-Schreiber stellt ihnen der NDR zur Seite?
Null. Ich schreibe alles selbst. Von je her immer alles. Ich brauche für die NDR-Nummern gar nicht lange. Die krieg ich stellenweise einen Tag vorher gesagt und dann setze ich mich dran. Das sind meistens nur vierhundert Worte. Das ist Pillepalle.
Sie schreiben ja auch sehr skurrile Dinge, ich denke da an “Klassenpflegschaft”, da werden Sie vermutlich sehr oft drauf angesprochen.
Ja, Klassenpflegschaft war so: Wenn du jemals auf einer Klassenpflegschaftssitzung warst, weil dein Kind da in die Klasse geht, dann kommst du dahin und sitzt da mit deiner Mütze und die ganzen Eltern sitzen da und es ist wirklich – dir faulen die Füße ab. Echt, in welcher Farbe streichen wir den Lattenzaun? Elternbeschluss. Jeder hat etwas zu kacken. Warum gibt es keine grünen Paprika in der Mensa? So Sachen wo du sagst: Darum”. Dann wird ein Elternbeirat bestimmt, du denkst nur so: “lass den Kelch an mir vorüber gehen”. Du sitzt da und fragst dich, was ist, wenn wir jetzt alle zugekokst wären?
Als Künstler hat man manchmal eine Schreibblockade. Haben Sie ein Mittel dagegen?
Ich habe keine Schreibblockade. Das funktioniert oder es funktioniert nicht. Wenn es nicht funktioniert, dann klopfe ich das Material noch mal ab auf Aspekte, die ich noch gebrauchen kann, für einen anderen Gedanken, für etwas Weiterführendes. Wenn das nichts ist, dann schmeiße ich es halt weg. Ich schreibe schon mal Dreck. Wenn du mir jetzt sagst, schreib mal was Lustiges über einen Kühlschrank, dann wäre das für mich schon ein Anreiz, mir darüber mal Gedanken zu machen.
Ich hab gelesen, dass Sie ihre Kritiken im Internet auch gerne selbst durchlesen. Hand aufs Herz, wann haben Sie sich zuletzt gegoogelt?
Heute Mittag. Das liegt einfach daran, weil du manchmal selbst sagst: Da war irgendwie der Wurm drin. Das kann schon mal passieren. Ich lasse mich ab und zu gehen in meiner Show. Dann guck ich schon mal, was Sache ist: Schreibt die Zeitung aus Rottenburg, „Sträter, der verhuschte Penner“. Ganz ehrlich mich trifft es, wenn Leute sagen, „Sträter, das war Scheiße“. Ich google mich in der Regel einmal die Woche, einfach um ein bisschen Pseudokontrolle zu haben.
Haben Sie auch jemand in ihrem Umfeld, der ihr Kritiker ist und sagt: “Das ist jetzt wirklich nicht gut?”
Ich will immer nur bestätigt haben, dass es lustig ist. Aber normalerweise bin ich mittlerweile so eiskalt, ich probiere es auf der Bühne aus. Ich merke, wenn mir ein guter Griff geglückt ist. Und ich merke, wenn es nur mäßig ist. Irritierenderweise sind mäßige Texte oft gut genug, wenn sie im richtigen Kontext präsentiert werden.
Hatten Sie schon mal einen Auftritt, bei dem alles daneben ging?
Ja, klar.
Und was macht man dann?
Manchmal ist es einfach so, dass da ein Menschenschlag mit mir aufeinander prallt, die Leute vielleicht Theaterabonnenten sind. Das heißt, sie können in beliebige Vorstellungen gehen ohne zu wissen, wer da gerade auftritt. Wenn ich feststelle, ich kann die Leute nicht mit dem Nussknacker öffnen, kriegen sie ausnahmsweise mein ganz sicheres Material. Die großen Gassenhauer, alles auf die Minute getimed und dann verabschieden wir uns.
Und dieses, wenn man dann mal einen großen Auftritt hatte, ist das ein Klischee, dass man im Hotelzimmer in ein Loch fällt? Ist es ein Klischee, dass man im Hotelzimmer in ein Loch fällt, wenn man einen großen Auftritt hatte?
Manchmal fällst du ins Loch, weil du ins Loch fällst. Das liegt aber daran, wenn du ein Scheiß- Hotelzimmer hast. Es gibt Mittel gegen Einsamkeit. Ich habe immer Filmchen dabei oder Musik – Frank Sinatra, irgendwas, was mich so ein bisschen aufpimpt. Nach einem Auftritt unterhalte ich mich gerne mit den Leuten. Ich gehe auch gerne in der Pause mal raus. Ich möchte nicht das Gefühl haben, ich verstecke mich im Backstage. Dann komm ich raus; dann ist Pause und dann komm ich wieder raus. Ich möchte die Leute sehen und mit ihnen sprechen.
Jetzt geht es ja gleich los mit ihrer Show. Haben Sie ein Ritual, oder sind Sie nicht so der abergläubische Ritualmensch?
Ich bin schon ein Ritualmensch. Ich bin auch subtil abergläubisch, gestehe mir das aber nicht ein. Ich werde gleich duschen, damit ich mich frischer fühle, obwohl ich heute schon geduscht habe. Wenn eine Dusche da ist, dann dusche ich auch. Das zerknitterte Hemd kommt auf einen Bügel und wird neben die Dusche gehängt. Wenn ich wirklich heiß dusche, dann wird der Dampf es glätten. Dann komme ich aus der Dusche. Es wird ein bisschen Musik laufen. Ich ziehe mich an und bin bereit.