Während das Jahresende traditionell für einen umfassenden Rückblick genutzt wird, lädt der Jahresbeginn dazu ein, einen Blick auf das vor uns liegende Jahr zu werfen. Inzwischen sind die großen Trends und Wünsche der Kommunikationsbranche für 2014 längst ausgesprochen. Die ersten Technik-Highlights wurden bereits auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas und dem Mobile World Congress in Barcelona präsentiert.

Uns steht ein Jahr voller Evolutionen bevor. Gebrauchsgegenstände werden vernetzt und die Unterscheidung zwischen on- und offline hinfällig. Sensoren begleiten uns auf Schritt und Tritt – durch eine umfassende Informationsauswertung werden Mensch und Maschine immer smarter. Wie schon das Digitale Quartett #54 zu Beginn des Jahres im Januar den Friedhof der digitalen Hypes thematisiert hat, greife ich das Thema auf und werfe einen Blick auf gegenwärtige Trends, deren Erwartungen, Potentiale und Realisierungschancen.

 Tragbare Technologie

Die Formate von Smartphone, Tablet und Laptop sind weitestgehend durchdekliniert. Große Abweichungen in den Formfaktoren sind vorerst nicht zu erwarten. Stattdessen tut sich eine neue Produktkategorie auf: die Wearables. In allen erdenklichen Formen und Qualitäten werden wir smarte Brillen, vernetzte Uhren, Armbänder, Halsketten und anderen Schmuck oder mit Sensoren bestückte Kleidung an uns tragen. Besonders die Gesundheitsbranche sieht ein großes Potential darin, das Leben der Nutzer positiv zu beeinflussen – wir werden motiviert uns mehr zu bewegen, schlafen und ernähren uns besser und behalten den Überblick über unsere körperlichen Aktivitäten.

Gemeinsam mit den unaufdringlichen Begleitern sollen wir uns 2014 Hals über Kopf in den Alltagsdschungel stürzen und munter drauf los auswerten (Quantified Self). Der smarte Mensch muss sich aber auch fragen, ob er dank Nike+ Schrittzähler (übrigens schon seit 2006) wirklich intelligenter und intensiver trainiert – oder es doch bloß seit Anbeginn des Laufsports darum geht den inneren Schweinehund zu überwinden? Zweifellos tragen die anschließende Auswertung und die Unterstützung durch die sowie der Vergleich mit der Community ihren Anteil bei.

Tatsächlich erweitern sich Menschen durch Technologie schon sehr lange: wir reparieren kaputte Sinne, kommunizieren über weite Strecken miteinander und erschaffen uns kognitive Gedächtnisstützen. Technik bzw. Medien helfen uns dabei eine Beziehung zur Außenwelt herzustellen sowie unsere Wahrnehmung gezielter zu filtern oder zu steuern. Unwichtiges wird ausgeblendet, wichtige Informationen werden hervorgehoben. Das zunehmend integrierte Verhältnis von Mensch und Maschine, etwa durch Transplantationen oder dauerhafte Prothesen, wird ein völlig neues Menschenbild mit sich bringen.

Alltägliche Routinen

Zum Ende der Weltausstellung im Jahre 1964 wurde der Science-Fiction-Autor Isaac Asimov (von ihm stammen die Drei Gesetze der Robotik) von der „New York Times“ gebeten seine Vorstellungen von der Welt in 50 Jahren zu skizzieren. Heute stellen sich viele seiner Vermutungen als Volltreffer heraus. Zum Thema Roboter sagte er äußerst weitsichtig: „Robots will neither be common nor very good in 2014, but they will be in existence.“ Er beschreibt damit einen Zustand, in dem die große Automatisierung von Alltagsprozessen noch immer erwartet wird, aber im Kleinen längst stattfindet.

Maschinen übernehmen schon heute einen Großteil der alltäglichen Routinen. Vermehrt kommen auch Tätigkeiten hinzu, bei denen schnelle Entscheidungen oder Weitsicht gefordert sind. Neben Sprachassistenten und virtuellen Assistenten sei hier insbesondere auf selbstständige Verkehrsmittel zu Land, auf dem Wasser oder in der Luft verwiesen. Selbstfahrende Autos und paketzustellende Drohnen bleiben vorerst Visionen, die sich erst noch von der Science Fiction zur „Science Reality“ verschieben.

Viel realer dagegen werden die Prozesse der Heimautomation und der automatischen Auswertung großer Datenmengen. Der Haushalt besteht bisher aus zahlreichen sowie zumeist voneinander getrennten Steuereinheiten. Diese werden jedoch nach und nach lernen miteinander zu kommunizieren sowie dem Menschen zuzuhören – mittels Sensoren, Spracheingabe und der Interaktion über berührungsempfindliche Oberflächen. Aufgaben, die das eine Gerät nicht erfüllen kann, werden von einem anderen übernommen. Spannend wird es, wenn wir anerkennen müssen, dass unser Wohnraum mit dem Einzug komplexer Technologien in Form von intelligenten Produkten seinen neutralen Status als Schutzraum des Privaten verliert.

Was kommt nach dem intelligenten Kühlschrank? Denkbar wäre ein käufergenaues One-to-One-Marketing, in dem die Essgewohnheiten an die Hersteller weitergeleitet und Bonuspunkte verteilt werden, wenn ein beworbenes Tiefkühlprodukt im Aktionszeitraum im Kühlschrank aufbewahrt wird. Das selbstbestimmte Leben hat einen noch überschaubaren Gestaltungsrahmen, den wir lieber heute als morgen zu unseren Gunsten gestalten sollten.

Wir finden bevor wir suchen

Das vornehmliche Ziel der Suchmaschine Google war es, die Informationen der Welt zu organisieren, sie allgemein nutzbar und für alle zu jeder Zeit zugänglich zu machen. Heute geht der Konzern einen Schritt weiter: Google Now ist eine in das Smartphone-Betriebssystem Android integrierte Anwendung, welche die richtigen Antworten liefert, bevor wir überhaupt fragen. Der Algorithmus erkennt logische Zusammenhänge und antizipiert relevante Informationen. Damit nutzt Google sein explizites Wissen um das persönliche Nutzerprofil und verbindet es mit dem naheliegendsten Kontext. Aus dem Zusammenhang von Position, Voreinstellungen und aktuellen Ereignissen ergibt sich so ein klares Bild für das System. Vor einem bevorstehenden Termin wird dem Nutzer dann wahlweise die Route oder, sofern er sich in einem Bahnhof aufhält, die Ankunft des nächsten Zuges angezeigt. Das vorausschauende Informationsangebot reicht von der Wettervorhersage bis zu den Filmen im Kino in der Nähe. Die Zusammenfassung der eigenen Aktivität rundet den persönlichen Assistenten ab.

Auch Facebook hat jüngst verkündet, schon 100 Tage vorher zu wissen, ob sich zwischen zwei Menschen eine Beziehung anbahnt. Die Datenspezialisten des sozialen Netzwerks haben erkannt, dass die Interaktion zwischen den beiden Personen zunimmt, bevor sie ihren neuen Beziehungsstatus offiziell machen. Kurz nach dem Beginn der Partnerschaft sinkt die Interaktionsrate schlagartig, was darauf zurückzuführen sein dürfte, dass beide nun auch „in echt“ mehr gemeinsame Zeit miteinander verbringen.

Das alles klingt zu schön um wahr zu sein. Tatsächlich ist die Technologiebranche noch weit davon entfernt aus den massenhaft erhobenen Daten (Big Data) auch einen für die Nutzer relevanten Mehrwert zu generieren. Es wird vorausgesetzt, dass wir unsere Gewohnheiten bereitwillig ins Digitale überführen. Doch nur wenn wir am Ende auch davon profitieren, handelt es sich um eine angemessene Maßnahme. Das frühzeitige Identifizieren von Wünschen macht uns darüber hinaus zu einer neuen Art von Konsumenten. Man wird den Beweis antreten müssen, dass Voraussagen und Empfehlungen am Ende einen echten Mehrwert darstellen und ein unvoreingenommenes Bild von den Intentionen des Nutzers zulassen.

On Demand: Wann ICH will

Lineare Programmstrukturen gehören der Vergangenheit an. Streaming-Dienste wie Netflix, Amazon Prime Instant Video und Watchever für Filme sowie Spotify und iTunes Radio für Musik erfreuen sich großer Beliebtheit. Die Rahmenbedingungen für einen entzeitlichten Medienkonsum werden immer besser: Filme, Musik, Bücher und Nachrichten stehen auf Knopfdruck zur Verfügung und können dank mobiler Wiedergabegeräte überall abgerufen werden. Junge Menschen nehmen diese Freiheit bereits mit der Muttermilch auf. Ein zeitgebundener Medienkonsum wird immer stärker an wichtige Live-Ereignisse geknüpft sein – vorproduzierte Formate stehen (in der Regel) bereits nach der Erstausstrahlung online zur Verfügung.

Am Ende profitieren vor allem wir Nutzer. Oder nicht? Jein, denn der Zugriff auf die diversen Inhalte ist nur so lange gewährleistet wie die Zugangsvoraussetzungen erfüllt sind. Durch Abonnements und eingeschränkte Nutzungsrechte manövrieren wir uns klammheimlich in die Abhängigkeit der Anbieter. Filme, die mir bei Anbieter A „gehören“, muss ich bei Anbieter B erneut erwerben. Und für wie viele Flatrates sind wir langfristig bereit zu zahlen, um wirklich alle alle alle Inhalte immer immer immer verfügbar zu haben? Pragmatisch wäre eine abgabenfinanzierte Kulturflatrate, aber diese Diskussion verschieben wir lieber in das nächste Jahr.

Umgekehrtes Second-Screen-Verhalten

Dass TV-Geräte inzwischen dazu in der Lage sind Internet-Inhalte darzustellen, wird im Allgemeinen ignoriert. Zu umständlich ist die Bedienung, zu klobig die Interaktion. Im klassischen Sinne ergänzen Smartphone und Tablet als so genannter Second Screen das laufende Fernsehprogramm um einen zweiten Bildschirminhalt (Kommentare und weiterführende Inhalte) oder ermöglichen die Bewegtbildwiedergabe von Beiträgen aus Zeitungen und Magazinen. Doch die Realität im Jahr 2014 ist eine andere: während wir uns nur noch hintergründig vom Unterhaltungsprogramm berieseln lassen, twittern wir uns die Finger wund und ergreifen jede noch so kleine Chance der Partizipation. Die Gewichtung kehrt sich um: TV-Events wie das Dschungelcamp oder der Tatort sind nur noch der austauschbare Anlass um sich mitzuteilen. Der Großteil unserer Aufmerksamkeit fließt längst in den nie versiegenden Nachrichtenstrom, von dem wir uns mitteilungsbedürftig treiben lassen.

Schleichende Entwicklung

Eine verlässliche Einschätzung aktueller Trends und deren zeitliche Entwicklungen erlauben die anerkannten Hype Cycles des Marktforschungsinstituts Gartner. Sie filtern alljährlich die aktuellen Entwicklungen in der Technologiewelt und treffen Prognosen über Potentiale, Reifegrade und Wirtschaftlichkeiten der einzelnen Technologien. Die Innovationen werden in Phasen von einer zu Beginn überschwänglichen Begeisterung über die nachfolgende Desillusionierung bis hin zum anschließenden Realismus eingeordnet.

Den Höchststand an überzogenen Erwartungen haben aktuell die Analyse von sozialen Daten und Technologien wie Big Data und das Internet der Dinge erreicht. Ernüchterung macht sich derzeit beim Thema Cloud-Computing und Übertragungstechnologien wie NFC breit. Interaktionsmöglichkeiten wie die Spracherkennung befinden sich hingegen langsam auf dem Weg zur effizienten Nutzbarkeit.

Bei aller Euphorie ist die technologische Entwicklung doch eine schleichende. Es besteht kein Grund zur Verunsicherung: der smarte Mensch hat reichlich Zeit sich mit dem Fortschritt vertraut zu machen. Je nach Lebensentwurf bieten sich individuelle Vorteile, die es zu adaptieren gilt – Stück für Stück. Und Jahr für Jahr.