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Urban Journalism: Wie moderiert man ein Experiment?

Kann man journalistische Berichterstattung auch auf die Bühne bringen und das Publikum live mit einbeziehen? Am 1. August findet in Berlin ein solches Experiment statt: VOCER-Redaktionsleiter Mark Heywinkel und seine Mitstreiter Rabea Edel und Jens Twiehaus wollen Journalismus von der Zeitungsseite und dem Display holen und in den öffentlichen Raum bringen. Moderiert wird der so genannte erste „Urban Journalism Salon“ von der Journalistin und Moderatorin Eva Schulz. Wir haben vier Tage vor dem Event, das VOCER als Medienpartner begleitet, mit Schulz über den Salon, unkalkulierbare Publikumsreaktionen und den Unterschied zwischen Veranstaltungs- und TV-Moderation gesprochen.

Eva Schulz

Foto: Eva Schulz

VOCER: Eva, einige kennen dich vielleicht schon aus dem Fernsehen, für andere bist du wiederum ein unbeschriebenes Blatt. Wie sieht dein bisheriger Werdegang aus?

Eva Schulz: Ich habe mein Studium im Sommer letzten Jahres beendet und danach hauptsächlich für den „Klub Konkret“ als Reporterin gearbeitet. „Klub Konkret“ ist ein Talk- und Reportagemagazin auf EinsPlus, das sich an junge Leute zwischen 14 und 29 richtet.Ich habe es dort unheimlich genossen, so viele spannende Menschen zu treffen, fremde Orte zu besuchen und ziemlich viele erste Male zu erleben. Das Problem war nur, dass mir dieser Traumjob irgendwie zu früh passiert ist. Ich hatte Lust, ins Ausland zu gehen, und will auch noch weiter studieren. Deswegen habe ich Anfang des Jahres ganz schweren Herzens bei „Klub Konkret“ aufgehört und bin dann mit einem Journalisten-Stipendium für längere Zeit in den USA gewesen.

Am 1. August probierst du wieder etwas Neues aus und moderierst das neue Veranstaltungsformat „Urban Journalism Salon“. Geht es dabei darum, von einem Veranstaltungspunkt zum nächsten zu führen oder wie siehst du diese Rolle?

Natürlich geht es schon darum, dass ich die Vortragenden und das Publikum durch den Abend leite. Bestenfalls schaffe ich es, Verbindungen herzustellen zwischen den einzelnen Themen und natürlich auch zwischen den Vortragenden und dem Publikum, das ist uns ganz wichtig. Wir moderieren jetzt nicht einfach einen nach dem anderen weg, sondern es geht immer auch darum, dass das Publikum darauf reagieren kann bzw. dass die Vortragenden das Publikum auch als Ressource nutzen können, um voneinander zu lernen.

Wie unterscheidet sich aus deiner Sicht die Arbeit als Fernsehreporterin von der als Moderatorin?

Das kommt darauf an, ob ich in einem Fernsehstudio oder auf einer Bühne moderiere. Auf der Bühne ist es dem Job der Reporterin sehr ähnlich: Man weiß im Vorhinein zwar ungefähr, was passieren soll – aber es ist nie völlig vorhersehbar, im Gegenteil! Ich weiß nicht, wie meine Protagonisten oder Interviewpartner reagieren werden, wie sich das Publikum verhalten wird, was alles schiefgehen könnte. Das ist natürlich auch mit Risiken verbunden. Aber dieses Unberechenbare ist genau die Herausforderung, die mich gerade reizt. Wenn ich da nur stehen und meine Sätze aufsagen würde, wie eine Fernsehmoderatorin, die vom Prompter abliest, hätte ich längst nicht so große Lust auf „Urban Journalism“.

Hast du Kurse oder eine Ausbildung gemacht als Moderatorin oder lief das eher nach dem Prinzip ‚learning by doing‘?

Learning by doing! Ich habe keine formale Ausbildung als Reporterin, aber in den zwei Jahren bei „Klub Konkret“ habe ich sehr viel gelernt. Deswegen finde ich es auch schön, dass Mark [Heywinkel] gefragt hat, ob ich „Urban Journalism“ moderieren möchte. Der weiß das und traut es mir trotzdem zu – darüber habe ich mich sehr gefreut.

Gehört es deiner Meinung nach dazu, dass man als Journalist auch für Geld Events moderiert, vielleicht auch in einem größeren Rahmen?

Ich finde nicht, dass das überhaupt zur Grundausstattung eines Journalisten gehört, dass er auch Moderator ist. Ich habe den Fall selbst noch nicht gehabt und mir daher auch noch keine Gedanken darüber gemacht. Wahrscheinlich gibt es darauf aber gar keine pauschale Antwort – das kommt doch ganz auf den Kontext, die Art der Veranstaltung und wer sie warum finanziert, an.

Das "Urban Journalism"-Team um Mark Heywinkel, Rabea Edel und Jens Twiehaus mit Moderatorin Eva Schulz. (Bild: Urban Journalism)

Das „Urban Journalism“-Team um Mark Heywinkel, Rabea Edel und Jens Twiehaus mit Moderatorin Eva Schulz. (Bild: Urban Journalism)

Hast du irgendeine konkrete Erwartung an den ersten Salon? Mit welchem Gefühl würdest du gerne den Abend beenden?

Am liebsten mit glücklichem Publikum und glücklichen Vortragenden, die alle sagen, dass sie von dem Event etwas Neues mitgenommen haben. Ich habe natürlich schon eine Vorstellung, weil ich ungefähr weiß, was unsere Gäste auf der Bühne vorhaben. Gleichzeitig ist es für uns alle ein Testlauf, auch für Mark, Rabea und Jens. Ihr Ansatz ist es, dass unter dem „Urban Journalism“-Label auch ganz andere Arten von Veranstaltungen in anderen Städten laufen könnten. Jetzt probieren wir das am 1.8. einmal aus und freuen uns, wenn das Publikum mitmacht.

Ihr habt verschiedene Gäste angekündigt: Unter anderem wird das Duo von Crowdspondent zum Salon kommen, und Thilo Kasper will eine Live-Infografik machen und wird über Internet-Memes sprechen. Wie kann man sich den Abend konkret vorstellen?

Dieser Abend findet statt in einer sehr schönen, typisch Berliner Location, dem Lehrter Siebzehn. Das ist ein Veranstaltungsraum, den es leider schon bald nicht mehr geben wird – ich glaube, wir sind eine der letzten Veranstaltungen, die dort stattfindet, bevor das Ganze komplett gentrifiziert und zu Lofts und Townhouses umgebaut wird. Es wird fünf Slots geben, die alle ungefähr jeweils 20 Minuten dauern. Das heißt, unsere Gäste bekommen zunächst die Bühne für sich allein, um in den Ressorts Ausland, Inland, Politik, Wirtschaft und DIY ein Projekt oder einen Beitrag vorzustellen, an dem sie gerade arbeiten. Dabei binden sie ganz verschiedene Vortragsformen, Medien und Requisiten, ein. Anschließend gibt es, je nachdem, was vorgetragen wurde, ein diskursives Element, um das Publikum mit reinzuholen. Der Salon ist ganz bestimmt keine ‚lean back‘-Veranstaltung. Im besten Fall wird ein Austausch stattfinden, der nicht nur auf „Und jetzt machen wir noch eine Fragerunde“ hinauslaufen wird. Es soll schon mehr Spaß machen und etwas kreativer sein.

Am Ende von Panels oder Vorträgen heißt es oft „Gibt es noch Fragen?“ und es herrscht Schweigen. Hast du dir eine Strategie überlegt, falls das Publikum nicht so mitzieht, wie ihr euch das vorstellt?

Zunächst mal wird es dieses typische „Gibt es noch Fragen?“ gar nicht geben. Die Sorge mache ich mir deshalb gar nicht. Ich glaube, unsere Gäste sind sich darüber bewusst, dass sie an einem Experiment teilnehmen, und finde es sehr reizvoll, ein Publikum zu haben, das darauf Bock hat. Zum Beispiel kommen viele Freunde von mir, die überhaupt keinen Journalismusbezug haben, worüber ich mich sehr freue. Dann hört man, dass Leute kommen, die 30 Jahre älter sind als ich. Es wird also ein sehr gemischtes Publikum sein – und das ist natürlich moderativ auch wieder interessant, eine so diverse Zielgruppe zu haben.

Könntest du dir vorstellen, noch einmal mitzumachen, wenn alles gut läuft? Oder ist das eine einmalige Sache für dich?

Ja, natürlich! Mir macht das gerade großen Spaß. Allein schon die Lernkurve – einmal mitzubekommen, wie so ein Event aufgezogen wird – ist für mich ganz steil. Es geht ja auch ganz oft ums Team, wenn man so etwas aus dem Boden stampft. Ich würde gerne weiter mitmachen, wenn es für mich weiterhin eine Rolle gibt. Wir wissen ja noch gar nicht, was für eine Veranstaltung dabei herauskommt. Wenn beim nächsten Mal keine Moderatorin oder Reporterin mehr gebraucht wird – wer weiß, wie ich mich dann noch einbringen kann. Außerdem ist noch offen, wo ich ab September studiere. Aber im besten Fall haben wir ein paar Fans nach dem 1.8., die sich wünschen, dass wir weitermachen.