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Von dummen Geräten und schlauen Anwendern

Es werden kaum noch Geräte entwickelt, die offline sind oder nicht zumindest an ein internetfähiges Gerät angeschlossen werden können: Radios erhalten eine WLAN-Schnittstelle, aus Mobiltelefonen werden smarte Alleskönner und selbst Kühlschränke gehen mittlerweile „ins Netz“.

Nicht alle Online-Errungenschaften sind immer auch zwingend notwendig oder auch nur sonderlich hilfreich. Doch in der Gesamtschau können wir aufgrund der Internetfähigkeit und der offenen Schnittstellen der Consumer Electronics heute eine Konvergenz der Geräte feststellen, die maßgeblich Einfluss auf unser alltägliches Leben nimmt.

Weil immer mehr Geräte online sind, verschmelzen die originären Funktionen der Endgeräte miteinander: Bewegtbilder laufen nicht mehr nur auf dem Fernseher, einzelne Radiosendungen heißen heute Podcast und sind im Abo erhältlich, und ein Telefon macht Fotos in einer höheren Auflösung als manch professionelle Kamera. Die Geräte und ihre ureigenen Funktionalitäten verwischen immer stärker, und das zeigt sich in besonderer Weise bei den Endgeräten, die der individuellen sowie massenmedialen Kommunikation dienen: PCs sowie Tablets, Mobiltelefone und zunehmend auch Fernseher.

Superlativ zusammenwachsender Medien

Das, was wir heute an Entwicklungen der Massen- sowie der Individualkommunikation beobachten, ist mehr als ein „sich annähern“. Auf den verschiedenen Ebenen der medienvermittelten Kommunikation können wir nicht nur ein „aufeinander zugehen“, sondern schon vielmehr ein „ineinander aufgehen“ feststellen. Die Konvergenz findet im kompletten Medienprozess statt: Produktion, Distribution und Nutzung. Die Medien verschmelzen miteinander, wir beobachten ein Merging Media. Merging Media ist die Konsequenz der Konvergenz auf allen Ebenen der medienvermittelten Kommunikation, es ist gewissermaßen ihr Superlativ.

Das Verschmelzen lässt sich insbesondere bei der Mediennutzung nachvollziehen. Die großen Plattformen sind die absoluten Treiber dieses Trends. Dank der internetfähigen Mobiltelefone, Tablets und schließlich auch Fernseher gelangen Plattformen wie Facebook oder YouTube ins ständige Nutzungsumfeld des Einzelnen. Ist ebendieses konvergierende Nutzungsverhalten nun die große Gefahr für die Rundfunkveranstalter? Naht durch diese Ablenkung des Zuschauers nun das Ende des linearen Rundfunks? Ist das Merging Media das Ende von RTL und ProSieben?

Das Fernsehen ist tot, es lebe der Bildschirm!

Die tröstliche Antwort muss lauten: Nein, so schnell kommt das dicke Ende des Fernsehens wohl kaum.

Das technologische Zusammenwachsen ist Segen und Fluch zugleich. Merging Media bereitet der Geräteindustrie immer neue Geschäftsfelder, hervorragende Verkaufszahlen und damit insgesamt wohl große Freude. Diese Entwicklung ist ein Segen für die Geräteindustrie, weil sie der Verkaufsmotor schlechthin ist – größer, schneller, online, das sind die Verkaufsschlager auch im TV-Bereich.

Für die Inhalteindustrie ist Merging Media ebenfalls Segen, aber auch ein wenig Fluch. Für alle Anbieter von Diensten und Inhalten, die bislang nicht auf dem großen Bildschirm zu sehen waren, sind offene Schnittstellen und die Onlinefähigkeit des TV-Geräts das Einfallstor ins Wohnzimmer der Menschen. Dank der Cloud wird die Fülle an Angeboten, die nun über diesen hochwertigen Monitor laufen, immer umfassender. Urlaubsvideos, WebTV aber auch Videokonferenzen bekommen eine ganz andere Nutzungsqualität auf dem ans Internet angeschlossenen TV-Bildschirm. Die Usability ist sicherlich ausbaufähig, doch ist darauf zu vertrauen, dass kreative Entwickler gemeinsam mit Geräteherstellern anspruchsvolle und dennoch handhabbare Lösungen für die Navigation finden werden.

Die Rundfunkveranstalter beklagen in erster Linie den Fluch dieser Geräte. Sie sehen ihr Rundfunksignal, ihren heiligen Fernsehbildschirm durch die „multi-taske“ Bildschirmaufteilung gefährdet. Betrachtet man nicht nur Connected TV, also die internetfähigen TV-Geräte, sondern insgesamt die Connected Devices, alle internetfähigen und miteinander verbundenen Geräte, zeichnet sich allerdings ein differenziertes Bild ab: Segen und Fluch. Smarte Geräte können den Rundfunk auch retten.

Smarte Geräte? Smarte Anwender.

Die Konvergenz der Medientechnologie ist der Grund dafür, dass das Mobiltelefon zum Smartphone wird und der Fernseher SmartTV heißt. Was verbirgt sich hinter diesen smarten Geräten, und warum können sie für das lineare Fernsehen durchaus eine lebensverlängernde Maßnahme darstellen?

Wie die Anglizismen bereits verraten, scheinen diese Geräte schlau zu sein. Sie kennen ihre Nutzer, sie wissen um deren Mediennutzung und sind alltägliche Begleiter ihrer Anwender. Diese Beschreibungen führen allerdings in die Irre, denn diese Geräte sind vor allem eins: nicht smart, sondern dumm. Der Fernseher ist bloß ein dummer Bildschirm, der erst durch die Nutzung seiner Anwendungen smart wird. Rundfunk ist auf den internetfähigen TV-Geräten nur noch eine (wenn auch sicherlich sehr wichtige) Anwendung. Rundfunk steht neben vielen anderen Möglichkeiten, den TV-Bildschirm zu nutzen – eine Erkenntnis, die wir bereits mit der Einführung des Videorekorders gewonnen haben sollten.

Doch selbst die Tablets und Smartphones sind nichts ohne ihre Applications. Auch sie sind nur dumme Bildschirme, die mit Bildern gefüllt werden wollen. Die Notwendigkeit, dem Nutzer attraktive Apps zu bieten, ist der kleinste gemeinsame Nenner aller Connected Devices. Diese Gemeinsamkeit sollten die Veranstalter des Rundfunks für sich nutzen und die technologische Konvergenz spielt ihnen dabei in die Hände.

Denn die Konkurrenz lauert nicht nur auf dem ConnectedTV, wo der Rundfunk nun neben vielen anderen Anwendungen bestehen muss. Der Rundfunk selbst wird zur Konkurrenz, weil er nicht mehr nur auf dem TV-Endgerät empfangbar ist, sondern auch auf allen anderen dummen Monitoren. Dank eines Browsers und deutlich komfortabler mit Hilfe einer App kann jeder User Rundfunk auf dem PC, dem Notebook, dem Tablet oder dem Smartphone empfangen, wenn die Veranstalter selbst das denn erlauben.

Das Potential des „second screen“

Wir können folglich zwei sich entgegenwirkende Trends beobachten: Das TV-Gerät ist aufgrund seiner Internetfähigkeit zwar nur noch Bildschirm, doch werden zeitgleich die anderen internetfähigen Endgeräte zu Rundfunkempfangsgeräten.

Wir glauben nun nicht, dass sich diese beiden gegenläufigen Trends des Merging Media amortisieren, gleichwohl vermögen sie das Aussterben des Rundfunks zu verzögern. Zudem darf nicht außeracht gelassen werden, dass viele der mobilen Rundfunkempfangsgeräte – nennen wir die Smartphones und Tablets einmal so – häufig als zweiter Bildschirm parallel zum großen TV-Bildschirm genutzt werden. Ob es also in nächster Zukunft tatsächlich so sein wird, dass sich die Sender mit ihrem Programm fortwährend mit Apps auf dem Fernseher um die Aufmerksamkeit des Zuschauer schlagen müssen, wird auch davon abhängen, ob der Zuschauer einen solchen „second screen“ zur Hand hat.

Einige Programmmacher haben dieses Potential der Parallelnutzung bereits erkannt und experimentieren mit zusätzlichen Apps zum laufenden Programm. Insbesondere für Voting-Shows scheinen sendungsbezogene Apps auf dem zweiten Bildschirm eine echte Möglichkeit zu sein, die digitale Wertschöpfungskette zu verlängern. „The Voice of Germany“, eine Casting-Show von ProSiebenSat.1, experimentierte bereits mit dieser Form der parallelen Nutzung und nach eigenen Angaben wohl auch durchaus erfolgreich (PDF).

Das Ende des Rundfunks, so wie wir ihn kennen, naht. Allerdings ist der Überlebenswille ausgeprägt. Für die Rundfunkveranstalter ist die Zeit gekommen, neue Wege der Distribution und auch der Produktion zu gehen und die Onlinewelt mit ihren vielzähligen Möglichkeiten konsequent ins Geschäftsmodell einzubeziehen.

Wenn Merging Media als Chance zum Aufbruch begriffen wird, dann braucht man sie auch nicht mehr derartig zu fürchten. Dann dürfen wir pathetisch werden und rufen: Totgesagte leben (zumindest) länger!