Wirklich coole Deutsche
Am Dienstag dieser Woche war es endlich soweit: Die Zeitschrift „Glamour“ („Im Sommer 2013 darf der Teint glänzen“) verkündete das mit Spannung ersehnte und lang erwartete Ergebnis ihrer Leserabstimmung über die „coolsten Deutschen“. Der PR-Trick, per Verleihung irgendeines sinnlosen Titels die eigene Marke in aller Munde zu bringen, ging durchweg auf. Die Meldung über die „coolsten Deutschen“ verbreitete sich flugs über allerlei Promimagazine, weil denen eben auch nichts Besseres als so ein Quatsch einfällt. „Promiflash.de“ zum Beispiel, nach Eigenaussage „Deutschlands beliebtestes Starmagazin“, titelte fröhlich unter dem Stichwort „Beliebte Jungs“: „Joko & Klaas sind die ‚coolsten Deutschen'“. Der Artikel zitiert die Glamour“-Chefredakteurin Andrea Ketterer: „Joko und Klaas sind die Frischzellenkur, die die deutsche Fernsehnation dringend brauchte: durchgeknallt, selbstironisch, lässig und niemals arrogant.“
Ich weiß zwar nicht, wie das geht, aber: Es sieht tatsächlich so aus, als habe Frau Ketterer, obwohl sie ja offenbar irgendwas mit Medien macht, einfach verpasst, dass sich Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf vor knapp zwei Wochen ziemlich – um’s mal vorsichtig zu formulieren – daneben benommen haben. Vielleicht ist ihr das auch egal? Als Chefredakteurin einer sogenannten Frauenzeitschrift kann man sich schließlich nicht auch noch um eine Messehostess kümmern, bloß weil die geplant, gezielt, öffentlich und öffentlich-rechtlich von einem Typ vom Fernsehen begrapscht wurde, die Tonregie dazu ein Hupen einspielte, und der Kollege triumphierte: „Die stand da wirklich und hat sich so richtig entwürdigt gefühlt. Die fährt jetzt gleich nach Hause, und dann wird sie schön heulen unter der Dusche. Die steht jetzt sechs Stunden lang unter der Dusche.“
Fast muss man sich wundern, dass nicht Joachim Witt zum wenigstens dritt- oder viertcoolsten Deutschen gewählt wurde. Denn die ostentativ nationale Vergewaltigungsszene, die den neuen Song des Musikers illustriert, müsste dementsprechend als die „Frischkellenzur“ begriffen werden, die die deutsche Musiknation dringend brauchte. Und in der ARD sitzt derweil Jörg Kachelmann mit seiner Frau und behauptet (laut „FAZ“-Zusammenfassung), „dass Männer massenweise Opfer von Frauen werden, die sie bewusst falsch der Vergewaltigung bezichtigen“.
Was mich außerdem wundert: dass alle nun so überrascht scheinen ob des Zynismus der Sendung „neoParadise“. Als habe sich der sogenannte Witz von Joko und Klaas nicht immer schon auf die billige Seite derjenigen geschlagen, die gegen die Windmühlen der von ihnen selbst erfundenen „politischen Korrektheit“ kämpfen. Gleich zu Beginn der ersten öffentlich-rechtlichen Ausgabe fragte der eine den anderen, ob man hier im ZDF eigentlich noch „Titten“, „Fotze“, „Hitler“ oder gar „Tittenhitler“ sagen dürfe (womit sich die Frage erübrigt hätte). So etwas findet der junge Mensch von heute also lustig, zumindest nach Meinung des ZDF?
„Noch sensibler drauf achten“
Als Reaktion auf die Reaktionen auf die Szene mit der Messehostess hat sich Klaas Heufer-Umlauf per Twitter entschuldigt; das ZDF hat in brav juristischer Diktion darauf verwiesen, dass die Frau „von Herrn Winterscheidt nicht angefasst“ wurde und die Szene mit deren Einverständnis gesendet wurde (als wäre das Begrapschen das Problem und nicht die institutionelle Erheiterung darüber). Wenig später zitierte der „Tagesspiegel“ den ZDF-Sprecher Wolfgang Stumpf: Es sei völlig klar, dass „wir zukünftig gemeinsam mit unseren Moderatoren noch sensibler auf vermeintlich kritische Inhalte achten werden, um zu verhindern, dass sich ein vergleichbarer Vorgang wiederholt“.
Mehr Kontrolle wagen? Aber nein, bitte keine Zensur „vermeintlich kritischer Inhalte“! Ich finde es im Gegenteil äußerst aufschlussreich, wenn man ab und an mal wieder zu sehen bekommt, mit wem man es im Fernsehen so zu tun hat
Hinweis: In dieser Version des Textes wurde der letzte Absatz entfernt, da das darin zitierte Video von Italiens früherem Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi eine Fälschung ist. Danke für Ihre Hinweise, und entschuldigen Sie bitte den Fehler.