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Zukunft der Journalistenausbildung: Lernen, wie der Markt tickt

Was macht einen guten Journalisten aus? Klar, er sollte das Handwerkszeug beherrschen. Er sollte im Netz recherchieren können und soziale Netzwerke schon mal von innen gesehen haben. Neben Stift, Blog und Notebook gehört inzwischen auch das Smartphone zur Standard-Ausrüstung dazu, um damit unterwegs Inhalte produzieren zu können. Angehende Journalisten sollten auch mit Daten umgehen können, wenngleich sie nicht die besten Programmierkenntnisse vorweisen müssen.

Es gibt vieles, das schon immer in der Journalistenausbildung Platz hatte und weiterhin Platz bekommen sollte. Die Digitalisierung bringt nun noch einen ganzen Schwung von Kenntnissen mit sich, die sich Journalisten aneignen sollten – nein: müssen. Jeder ausgebildete Journalist soll gleichzeitig Onlinejournalist sein. Im Grunde genommen bedarf es hier gar keiner Unterscheidung mehr. Aber es gibt noch einen weiteren Aspekt, der bisher unbeachtet bleibt: das Thema Selbstmarketing oder Unternehmertum, um es im Großen zu benennen.

Nicht alle Türen stehen offen

Journalisten kommen mit journalistischem Know-how aus der Journalistenausbildung, aber ohne
Know-how, um als Journalist auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen. Dabei ist die Situation alles andere als luxuriös: Die Vollzeit-Stellen sind nämlich rar. Ob sie wollen oder nicht, viele Journalisten sind gezwungen, als Freiberufler zu arbeiten.

Das muss auf keinen Fall die schlechtere Alternative sein. Als Freiberufler lebt es sich allerdings auch nicht einfach. Gerade mal rund 2.200 Euro flattern monatlich auf das Konto eines Durchschnitts-Freien. Brutto. Das ergab eine Umfrage des DJV unter freien Journalisten im Jahr 2014.

Marketing-Verständnis fördern

Es gibt eine Sache, die kann dieser Tatsache entgegenwirken. Allerdings bekommt sie in der Aus- und Weiterbildung von Journalisten immer noch viel zu wenig Aufmerksamkeit. Die Rede ist von Marketing beziehungsweise ganz konkret: Selbstmarketing. Journalisten brauchen ein Verständnis dafür, dass sie für sich werben müssen, um auf einem heiß umkämpften Markt zu überleben. Es ist die unternehmerische Komponente, die vielen Journalisten fehlt. Umso dringlicher ist es, dass genau das eine größere Rolle in Schule, Studium und Journalistenausbildungen spielt.

Unternehmergeist ist in erster Linie eine Frage der Haltung. Journalisten sollten heute ein anderes Verständnis von ihrem Beruf haben: Journalist zu sein bedeutet nicht nur, Journalismus zu machen, sondern auch Unternehmer zu sein und somit unternehmerisch zu denken.

Das Problem bei vielen Journalisten ist, dass sie Idealisten sind: Sie sind Journalist aus Berufung. Eine ordentliche Portion Leidenschaft gehört gewiss dazu, aber der Journalist von morgen heute ist nun mal auch ein Unternehmer, der Geld verdienen möchte und dafür Kunden beziehungsweise Auftraggeber braucht. Auftrag bekommen, Artikel schreiben, abgeben, Rechnung schreiben – so funktioniert das nicht mehr.

Journalisten zu Unternehmern ausbilden

Wer heute erfolgreich als Journalist auf dem Markt bestehen will, der braucht auch unternehmerisches Wissen: Wie akquiriere ich neue Kunden? Wie baue ich mir eine Präsenz im Web auf? Wie kann ich klug netzwerken? Noch weiter gedacht: Wie verdiene ich unabhängig von Auftraggebern als Gründer Geld? Wie erstelle ich ein Geschäftsmodell? Was muss ich steuerlich beachten? All das sind Fragen, auf die Journalisten eine Antwort haben sollten beziehungsweise wissen sollten, wie sie zu einer Antwort gelangen.

Journalisten sollten wissen, dass zum Beispiel ein Blog mit kostenlosen Inhalten dazu beitragen kann, potentielle Auftraggeber von sich zu überzeugen. Tatsächlich haben einige Journalisten geradezu Angst davor, eigene Inhalte zu verschenken. Dabei ist das Marketing in eigener Sache: Journalisten sollten mit dem überzeugen, was sie können: mit Journalismus. Das gleiche gilt für Twitter oder andere Kanäle. Content Curation, also das Teilen und Einordnen fremder Inhalte, ist eine gute Möglichkeit, sich als Experte auf einem Gebiet zu positionieren.

Lernen, ein Startup zu gründen

Wie viele Journalisten haben schon mal etwas von Business Model Canvas gehört? Wahrscheinlich nur ein Bruchteil. Dabei ist das eine gute Methode, einen vereinfachten Businessplan aufzustellen und ein Geschäftsmodell zu entwickeln. In der Journalistenausbildung sollten angehende Journalisten dazu befähigt werden, ein Medien-Startup zu gründen. Genau das bereitet sie auf den Arbeitsmarkt vor. Das Know-how alleine reicht leider nicht aus.

Die Ausrede, sich als Journalist nicht ums Marketing kümmern zu wollen, weil man doch die Zeit für das journalistische Arbeiten brauche, gilt nicht. Ein Bäckermeister kann auch nicht nur Brötchen backen, weil es Spaß macht, sondern er muss sein Geschäft am Laufen halten – mit allem, was dazu gehört.

Selbstmarketing ist der Schlüssel für langfristigen Erfolg

Eine wichtige Rolle spielt für Journalisten – wie für alle anderen Freiberufler und Solopreneure auch – die Frage: Wie vermarkte ich mich selbst? Selbstmarketing ist für viele etwas, mit dem sie nichts zu tun haben möchten. Sie wollen sich nicht in den Mittelpunkt rücken und kein Selbstdarsteller sein. Dabei hat Selbstmarketing nicht nichts mit Selbstverliebtheit zu tun. Für die Mehrheit der Journalisten hat das Thema allerdings noch einen negativen Touch.

Dabei ist es lange nicht so, dass Selbstmarketing nur etwas für Extrovertierte, für die Rampensäue in der Medienbranche ist. Jeder ist potentiell in der Lage, sich eine Personal Brand zu kreieren. Dahinter steckt allerdings mehr, als bloß einen Facebook- und Twitter-Account zu besitzen und eine Website als Visitenkarte zu haben.

Personal Branding gehört in die Lehrpläne

Selbstmarketing ist ein fortdauernder Prozess, der für Journalisten relevant ist und immer relevanter werden wird – und deshalb in die Ausbildung gehört.

Vor dem eigentlichen Marketing ist es sinnvoll, sich als Journalist gut zu positionieren. Allrounder werden zwar weiterhin gefragt sein, aber echte Aussichten auf Erfolg haben vor allem jene, die Experte in einem Thema oder einer Aufbereitungsart werden. Wer sich beispielsweise als Experte für Drohnenjournalismus oder Entwicklungspolitik positioniert, der hat bessere Chancen, zu diesen Themen angefragt zu werden, als jemand, der alles nur ein bisschen macht.

Steht die Positionierung, kann man sich als Journalist dementsprechend vermarkten – in sozialen Netzwerken mithilfe von Content Curation, auf Blogs mit inhaltlich guten Beiträgen, bei Netzwerk-Veranstaltungen und mehr.

Bloß nicht „Everybody’s Darling“ sein

Zu einer guten Positionierung und Selbstvermarktung gehört es auch, zu polarisieren und somit auch Haltung einzunehmen. Ein Journalist, der Haltung zeigt? Aber das ist doch nicht neutral, werden einige denken. Zum einen gibt es komplette Neutralität natürlich nicht und zum anderen schließt eine Meinung zu haben und zu äußern nicht aus, einen ausgewogenen, journalistischen korrekten Beitrag zu produzieren. Aus Marketingsicht ist es schlichtweg sinnvoll, nicht „Everybody’s Darling“ zu sein. Solche Journalisten gehen in der Masse unter. Journalisten mit Haltung sorgen für Aufmerksamkeit und zeigen gleichzeitig, dass sie in einem Thema kompetent sind.

Selbstmarketing hilft nicht nur, bei potentiellen Auftraggebern ins Sichtfeld zu rücken und ihre Aufmerksamkeit zu bekommen, sondern auch als Marke bei Lesern bekannt zu werden – und auch als Festangestellter eine Community mitzubringen, die für den Auftraggeber nützlich ist.

Blauäugigkeit bedeutet das Ende

Die Herausforderung für Aus- und Weiterbildungsstätten ist, nicht nur das Werkzeug eines Unternehmers zu vermitteln, sondern die – angehenden – Journalisten dafür zu sensibilisieren, dass sie nicht ausschließlich als Journalist arbeiten werden, sondern auch als Unternehmer denken und handeln müssen, um sich den Spaß an ihrer Berufung zu finanzieren.

Der Nachwuchs sollte genau wissen, wie der Markt tickt. Nichts ist schlimmer, als blauäugig im Journalismus zu starten. Es geht um das Bewusstsein, dass Unternehmertum und Marketing im Speziellen ein Teil des Berufes ist. Kaum jemand ist sich bis jetzt im Klaren darüber, dass Selbstmarketing dem beruflichen Erfolg einen Schub verleihen kann. Selbst wenn sich Journalisten dafür entscheiden, sich nicht mit dem Thema Personal Branding zu beschäftigen und darauf zu setzen, ausschließlich mit ihren Leistungen zu überzeugen, so sollten sie zumindest theoretisch in der Lage sein, auf das Marketing-Wissen zurückzugreifen. Journalistenschüler lernen schließlich auch, Audiobeiträge zu produzieren, obwohl sie später vielleicht nur noch texten möchten.


Nächste Woche schreibt an dieser Stelle Lina Timm über Publikumsorientierung und die fehlende Start-up-Kultur unter deutschen Journalisten.